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31. Dezember 2016

Rückblick Dezember 2016: Ein Jahr hinterlässt seine Spuren

Nach diesem Jahr, das viele so schnell wie möglich hinter sich lassen wollen, hat das Theater im Dezember einmal mehr gezeigt, dass es gut ist, inne zu halten, durchzuatmen, sich zu beruhigen und Hass, Angst und Restiments etwas entgegenzusetzen.


03.12.16 PREMIERE Dantons Tod (Schaubühne)
Jedes Jahr gibt Peter Kleinert Schauspielstudent*innen der Ernst Busch Hochschule die Möglichkeit, ihr Können und Erlerntes an einer großen Bühne zu zeigen. Die jungen Schauspieler*innen haben sich in diesem Jahr für Büchners "Dantons Tod" entschieden. Aufgrund der komplexen geschichtlichen Hintergründe kein leichter Stoff. Im Vergleich zu den Ernst-Busch-Inszenierungen an der Schaubühne der letzten drei Jahre fällt das Ergebnis leider etwas ab. Positiv aufgefallen ist Daniel Mühe (in der Rolle des Camilles) und Vincent Redetzki (als Philipeau). Letzterer ist an der Schaubühne kein Unbekannter, da er hier schon - teilweise noch als Kind - für drei Stücke von Falk Richter auf der Bühne stand (aktuell noch in TRUST). Diese Routine merkt man seiner Spielweise an.

Daniel Mühe, Monika Freinberger, Lukas T. Sperber, Lola Fuchs, Gustav Schmidt (Foto: Gianmarco Bresadola)


10.12.16 PREMIERE On Off der WG Schaubühne
Die Werkstattgruppe der Schaubühne unter der Leitung von Katharina Berger bietet Laien die Möglichkeit, sich auf der Bühne auszuprobieren. In der Produktion "On Off" beschäftigten sie sich humorvoll mit der Generation Smartphone und einem von Maschinen bestimmten Leben. Beeindruckend die Performance (Choereographische Mitarbeit: Johanna Berger) zu Beginn des Stücks, die ein bisschen an Charlie Chaplins "Moderne Zeiten" erinnert. Die ersten 20 Minuten konnten die Zuschauer*innen diese beeindruckende Darbietung durch eine Glasfront vor dem Studio der Schaubühne sehen, begleitet von der Musik des DJs Lukas Zepf.

Menschen wie Maschinen (Foto: Maren Vergiels)
 
12.12.16 Streit ums Politische: Europe, what can it teach us? (Schaubühne)
Heinz Bude sprach mit Nikita Dhawan, Professorin für Politische Theorie mit thematischer Akzentuierung im Feld der Frauen- und Geschlechterforschung, über das postkoloniale Europa und das Begehren Europas, die Welt zu zivilisieren.


17.12.16 PREMIERE Professor Bernhardi von Arthur Schnitzler / Fassung von Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer (Schaubühne)
Ich möchte fast sagen, das dies eines der besten Theatererlebnisse des Jahres war. Daher habe ich vor, zu Professor Bernhardi noch einen eigenen Beitrag zu erstellen. Nur so viel: Tolles Stück und so aktuell, denn es geht um strukturelle Rassismen. Und spannend - ich habe sehr gebannt geschaut und gehört. Dies alles ist nicht nur der großartigen Inszenierung zu verdanken sondern vor allem auch den brillanten Schauspieler*innen. Das Timing bei den Dialogen ist auf den Punkt und einfach jeder*m ist perfekt in ihrer*seiner Rolle. Dazu kommt das Bühnenbild (fast ganz in weiß) mit den von Katharina Ziemke mit einem Wachsstift an die Wand geschriebenen Ortsbezeichnungen, die von Szene zu Szene verwischt und überschrieben werden - ein Kunstwerk, das während des Stücks entsteht und doch nicht bleibt. Eine Theater-Metapher. Eine ganze Reihe neuer Ensemblemitglieder gaben ihren Einstand an der Schaubühne: Damir Avdic (Prof. Bernhardis Sohn Dr. Oskar Bernhardi), Lukas Turtur (Dr. Löwenstein), Veronika Bachfischer (Dr. Wenger), Hans-Jochen Wagner (Prof. Dr. Flint), Konrad Singer (Dr. Filitz). Zurück an der Schaubühne und in der Hauptrolle ist Jörg Hartmann.

Thomas Bading, Jörg Hartmann, Sebastian Schwarz (Foto: Arno Declair)

Hier ein Interview mit Thomas Ostermeier zu Enstehung des Stücks (Video).


22.12.16 Ausstellungseröffnung Too late. I got my face on. von Katharina Ziemke (Schaubühne)
Die Künstlerin Katharina Ziemke, die für Thomas Ostermeiers Inszenierungen von "Ein Volksfeind" und "Professor Bernhardi" die Wandmalereien entwarf, zeigt in der Ausstellung Werke, die sich mit Bühne und Schauspiel beschäftigen.
Die ehemalige Universum Lounge (neben dem Kassenfoyer) wird bis Ende Januar als Ausstellungsraum genutzt. Zu sehen sind großformatige Tuscharbeiten, Linolschnitte, Skulpturen und Pastellarbeiten. Katharine Ziemke dienen dabei häufig historische Fotos als Grundlage, die sie mit verschiedensten Techniken (Kratz-, Druck-, Tusch- oder Ölmaltechnik) in einen neuen Maßstab zur Wirklichkeit setzt. Die Künstlerin spiel mit dem Unterbewussten und die wundersamen Bilderwelten pendeln zwischen den thematischen Gegensätzen Jahrmarkt und Jüngstes Gericht.

"Pharmacy" (Wachskreide auf Papier, 99x140 cm) von Katharina Ziemke in der Asstellung "Too late. I got my face on." (Foto: Elmar Engels)

Katharina Ziemke, 1979 in Kiel geboren, studierte Malerei an der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris und an der Kungliga Konsthögskola in Stockholm. Neben Einzelausstellungen in Paris, Berlin, New York und Kiel nahm sie an zahlreichen internationalen Ausstellungen teil.

Interview von Joseph Perason mit Katharina Ziemke.

Die Arbeiten von Katharina Ziemke sind noch bis 27. Januar 2017 in den Räumen der ehemaligen Universum Lounge neben dem Kassefoyer der Schaubühne zu sehen (Täglich von 16 bis 20 Uhr geöffnet; der Eintritt ist frei.)

Blick in die ehemalige Universum Lounge mit den Arbeiten von Katharina Ziemke (Foto: Maren Vergiels

  
23.12.16 Lesung Gegen Hass und Angst – für Mitmenschlichkeit (Schaubühne)
Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz entschloss sich die Schaubühne dazu im Rahmen einer Sonderveranstaltung dem Gefühl von Angst und Verzagen etwas entgegenzusetzen. Es lasen Thomas Ostermeier, Carolin Emcke, Lars Eidinger und Ursina Lardi Texte von Ingeborg Bachmann, Gottfried Benn, Bertolt Brecht, Carolin Emcke und Rainer Maria Rilke. Igor Levit spielte auf dem Klavier Stücke von Bach, Schubert und Brahms.


29.12.2016 re-visited Wallenstein (Schaubühne)
Noch mal zwischen den Jahre ins Theater. Ich hatte angekündigt, dass ich dieses Stück noch mal sehen muss: Wallenstein. Diesmal sitze ich sehr weit vorne und kann die Gesichter der Schauspieler*innen gut sehen. Obwohl mir die drei Stunden wieder nicht lang werden, ist es ein anstrengendes Stück. Umso höher muss ich die Leistungen der Schauspieler*innen bewerten. Ob ich diesmal mehr verstanden habe? Kann ich nicht beantworten.

Laurenz Laufenberg, Regine Zimmermann, Alina Stiegler, Ingo Hülsmann (Foto: Katrin Ribbe)

Ich freue mich auf ein tolles Theaterjahr 2017 und über alle, die mir hier Feedback geben. The stage is yours!

2. Dezember 2016

Rückblick November 2016: Theater, Musik und Kunst unterwegs und in Berlin

Damit die Rückblicke nicht zu lang werden, will ich wieder versuchen, diese monatlich zu verfassen.
Der November hatte nicht nur Theater und nicht nur in Berlin zu bieten - es gab Bildende Kunst, eine Lesung, einen Streitraum und Brecht, Camus sowie Shakespeare in Dresden und Berlin.


04.11.16 Wahre Geschichten - Texte von Sophie Calle (Arndt Art Agency)
Unter dem Titel "View of my life" zeigte die Galerie Arbeiten der französischen Künstlerin aus den letzten 30 Jahren. Sophie Calle arbeitet in ihrer Kunst häufig mit Texten. Die Schauspielerin Stephanie Eidt las und die Violinistin Ayumi Paul begleitet den Vortrag mit eigens dafür komponierten Stücken. 


12.11.16 re-re-visited Richard III. (Schaubühne)
Mit Besuch aus Bonn war ich mal wieder im Richard. Ein Gastbeitrag wird folgen. Was mich betrifft, kann ich sagen, dass mir diese Vorstellung bisher am besten gefallen hat. Lars Eidinger ist seinem Ruf aber auch wieder gerecht geworden und hat die Zuschauer*innen nicht geschont.


13.11.16    PREMIERE Der Fremde von Albert Camus (Schaubühne)

Felix Römer, Bernardo Arias Porras & Iris Becher asl Mersault (Foto: Thomas Aurin)

Drei Schauspieler*innen spielen Mersault aus Camus 1942 erschienen Roman "Der Fremde", in dem der Anklagte im Gerichtsprozess leidenschaftslos bleibt und auf sein Leben blickt, als ginge es nicht um ihn.

Regie: Philipp Preuss   
Bühne und Kostüme: Ramallah Aubrecht   

Mit: Bernardo Arias Porras, Iris Becher, Felix Römer   

Dauer: ca. 90 Minuten

Weitere Infos und Trailer auf der Seite der Schaubühne. 

Essay zum Stück im Blog Pearson's Preview: Camus' »Fremden« träumen 


17.11.16 Konzertante Aufführung: Baal (Schaubühne)
Mit Thomas Thieme und Arthur Thieme (Bassgitarre).

Das dramatische Gedicht "Baal" von Brecht ist mit Thomas Thieme seit Jahren verbunden. Er spielte Baal am Wiener Burgtheater (1991) und inszenierte das Stück selbst am Nationaltheater Weimar (2002). Als das Augsburger Brechtfestival 2012 den frühen Brecht zum Thema machte, suchte Thieme sich wieder den Baal aus. In dieser Interpretation, die an dem Abend an der Schaubühne gezeigt wurde, spricht Thieme alle Figuren. Begleitet wurde er von seinem Sohn Arthur Thieme auf der Bassgitarre. Der Musiker erzeugte dabei Klänge und Rhythmen, die die Sprache und das Apltraumhafte des Textes verstärken.


18.11.16 Othello von William Shakespeare (Staatsschauspiel Dresden)
TheaterBlick unterwegs! Hierzu habe ich einen Beitrag verfasst.


27.11.16    Streitraum "Grenzen der Herkunft, Grenzen der Scham" (Schaubühne)
Carolin Emcke sprach mit Didier Eribon über sein Buch Buch "Die Rückkehr nach Reims". Der französische Soziologe bescheibt darin die doppelte Scham, die ihn als Homosexueller und als Arbeitersohn belastete.

10. August 2016

Rückblick Mai bis Juli 2016: Die Macht von Texten, Musik und Bewegung

Auf der Zielgeraden zum Spielzeit-Ende gab es für mich Neu-Erlebtes, Wieder-Erlebtes und viele Erfahrungen hinter den Kulissen.


MAI

05.05.16 PREMIERE Wallenstein von Friedrich Schiller (Schaubühne)
Drei Stunden ohne Pause. Aber die gingen erstaunlich schnell vorbei. Nebel, Nebel, Nebel und eine große überwiegend dunkle Bühne – das Stück ist ja auch düster. Die typische Thalheimer-Ästhetik. Wallenstein (Ingo Hülsmann) sitzt und sitzt. Und sitzt alles aus. Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass er gar nicht aufsteht. Tut er aber im letzten Drittel doch. Dahinter stehend der/die Astrolog/in gespielt von Lise Risom Olsen als Einflüsterer/in – das Geschlecht bewusst im Unklaren gelassen. Ich muss diese Inszenierung unbedingt noch mal sehen. Auch um noch mehr zu verstehen.


Ingo Hülsmann, Urs Jucker, Lise Risom Olsen in "Wallenstein" (Foto: Katrin Ribbe)

Regie: Michael Thalheimer  
Bühne: Olaf Altmann  
Kostüme: Nehle Balkhausen  
Musik: Bert Wrede  

Wallenstein: Ingo Hülsmann  
Octavio Piccolomini: Peter Moltzen  
Max Piccolomini: Laurenz Laufenberg  
Graf Terzky: Felix Römer  
Illo: Andreas Schröders  
Buttler: Urs Jucker  
Isolani, Gefreiter: David Ruland  
Questenberg, Wrangel: Ulrich Hoppe  
Seni: Lise Risom Olsen  
Herzogin von Friedland: Marie Burchard / Cathlen Gawlich  
Thekla: Alina Stiegler  
Gräfin Terzky: Regine Zimmermann  

Dauer: ca. 180 Minuten

Weitere Infos und Trailer.


13.05.16 re-visited Ungeduld des Herzens von Simon McBurney nach dem Roman von Stefan Zweig (Schaubühne)

Christoph Gawenda (Foto: Gianmarco Bresadola)

Grandioses Schauspieler/innen-Theater! Mittlerweile spielen sie ohne Teleprompter und schaffen dieses Text-Monster richtig gut.


20.05.16 Lesung „Skizzen für einen Spielfilm“ von Isa Genzken (Haus der Berliner Festspiele / Theatertreffen)
Drei Schauspieler/innen (Jule Böwe, Karin Pfammatter, Felix Römer)  lesen aus  den 1993 veröffentlichen Texten, in denen die Künstlerin Isa Genzken Momentaufnahmen aus ihrem Leben skizziert. Einfühlsam und profan reihen sich die Erinnerungen aneinander, beginnend mit ihrer Geburt in Bad Oldesloe und endend mit einer Ausstellungseröffnung in Bremen.


22.05.16 Streitraum: Wann ist ein „Nein“ ein „Nein“ (Schaubühne)
Das Sexualstrafrecht vor und nach Köln. - Carolin Emcke diskutierte mit Christina Clemm (Rechtsanwältin), Hilal Sezgin (Journalistin) und Jürgen Thiele (Leiter des Dezernates für Sexualdelikte im Landeskriminalamt Berlin).
Muss sich eine Frau gegen einen Übergriff wehren oder reicht auch, dass sie eindeutig und explizit mit einem »Nein« ihre Ablehnung bekundet? Besonders hängen blieb dieses Bild von Carolin Emcke: Sie müsse sich doch auch nicht an ihren Fernseher klammern, um klarzumachen, dass sie einen Diebstahl ablehne. Bei dem eigenen Körper - etwas Persönlicheres gibt es kaum - wirde aber darüber diskutiert, ob ein "Nein" reichen kann.

Carolin Emcke erhält übrigens in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels; sie leiste mit ihren Büchern, Artikeln und Reden einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog und zum Frieden, heißt es in der Begründung des Vereins.

Weitere Infos und Videos vergangener Streiträume hier.
 

22.05.16 re-re-re-re-visited TRUST von Falk Richter (Schaubühne)
Ich glaube, ich habe dieses Stück nun schon fünf mal gesehen. Und, achja, es bleibt einfach eines meiner Lieblingsstücke! „Pack deine Sachen und bleib!“

Nina Wollny (Foto: Heiko Schäfer)


25.05.16 Common Ground von Yael Ronen (Maxim Gorki Theater)
Über diese Inszenierung habe ich einen Artikel verfasst: "Ein Land, das es nicht mehr gibt".


28.5.2016 PREMIERE MACHT was ihr wollt - Ein Projekt der Polyrealisten (Schaubühne)

Elf Spielerinnen und Spieler treten gegeneinander an. Was tun sie, um mächtig zu werden? Jede/r erzählt ihre/seine Geschichte, um Punkte zu sammeln. Dazwischen gibt es weitere Aufgaben. Wie gehen Menschen in eine solchen Wettkampfsituation? Und sind Sie sie bereit ihre Prinzipien zu verraten. Nehmen Sie Rücksicht auf die Bedürfnisse und Nöte der Mitspieler/innen?
Ein Jahr lang haben sich die Polyrealisten, eine Gruppe von Menschen zwischen 27 und 67 Jahren, mit dem Thema »Macht« auseinandergesetzt und treten nun mit den Ergebnissen das erste Mal auf das Spielfeld.

Ikko Masuda von den Polyrealisten (Foto: Gianmarco Bresadola)

Leitung: Wiebke Nonne
Künstlerische Mitarbeit: Nele Rennert, Katharina Berger
Bühne: Emilie Cognard  
Kostüme: Arianna Fantin  

Mit: Robert Akstinat, Chantal Chelli-Zenner, Christian Haffmann, Hannes Hannemann, Anke Liermann, Ikko Masuda, Stefan Matzke, Claudio Melis, Sarah Müller, Eva Reuß-Richter, Heike Schalk

Weitere Infos auf der Seite der Schaubühne.


JUNI
  
01.06.16 Tschick nach dem Roman von Wolfgang Herndorf (Deutsches Theater)
Laut der Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins lag Tschick auf Platz 1 der meistgespielten Texte auf den deutsprachigen Bühnen in der Spielzeit 2014/215. Der Road-Roman für Jugendliche wurde mittlerweile auch von Fatih Akin verfilmt. Am DT läuft das Stück seit 2011 mit großem Erfolg. Das Tolle an der Inszenierung: Die Rollen von Maik und Tschick werden wechselnd von den beiden Schauspielern gespielt und der Wechsel ist jedesmal überzeugend. Ich kann nur sagen: Auf in die Wallachei. Mit dem Lada!

Regie: Alexander Riemenschneider
Bühne und Kostüme: Rimma Starodubzeva
Musik: Arne Jansen
Mit Wiebke Mollenhauer, Sven Fricke, Thorsten Hierse, Arne Jansen

Weitere Infos zum Stück und Programmheft zum Download auf der Seite des DT.


11.06.16 Lesung For the Disconnected Child von Falk Richter (Schaubühne)
Leider ist diese Inszenierung, die 2013/2014 in Kooperation mit der Staatsoper an der Schaubühne lief, nicht mehr zu sehen. Umso schöner, dass der Autor und Regisseur zusammen mit seinen Schauspieler/innen Ursina Lardi und Tilmann Strauß das Stück noch einmal mit Texten und Musik aufleben ließ. Zugleich durften wir dem Gesang von Helgi Jónsson, der neben anderen die Musik dafür komponierte, lauschen. Falk Richter las außerdem einige Texte aus "Small Town Boy" (Maxim Gorki Theater), "Never Forever" (Schaubühne) und "Zwei Uhr Nachts" (Schauspiel Frankfurt). Seine Texte gibt es übrigens auch in Buchform, zu erwerben u.a. in der Theaterbuchhandlung Einar & Bert.


19.06.16 Keiner findet sich schön von René Pollesch (Volksbühne)
Hier habe ich über diese Inszenierung geschrieben: "Iggy Pop oder Robocop".


23.06.16 Freunde der Schaubühne // Freunde hinter den Kulissen: Führung durch die Kostümbildnerei (Schaubühne)
Mein Bericht im Archiv der Freunde der Schaubühne e.V. hier.


25.06.16 re-visited FEAR von Falk Richter (Schaubühne)
Ich habe das Stück nach den rechtlichen Streitigkeiten und der umfangreichen Breichterstattung noch mal mit anderen Augen gesehen. Unter dem unmittelbaren Eindruck des Brexit erscheint auch der Europa-Monolog von Lise Risom Olsen neu.


27.06.16. Freunde der Schaubühne // Freunde treffen Künstler: Ein Abend mit Peter Moltzen, Andreas Schröders und Ingo Hülsmann über Michael Thalheimers „Wallenstein“ (Schaubühne)

Wir sprachen mit Wallenstein, Octavio Piccolomini und Illo oder vielmehr den Schauspielern Ingo Hülsmann, Peter Moltzen und Andreas Schröders über Michael Thalheimers Wallenstein-Inszenierung. Was gibt es Neues aus Politik, Kultur und Sport? Mit dieser Frage beschäftigen sich nicht etwa die Figuren in Schillers Stück. Sie wurde zu Beginn der Proben gestellt. Im Rahmen unseres Abends mit den drei Schauspielern ging es dann natürlich auch um Astrologie und die Frage, warum Wallenstein seine Sache im wahrsten Sinne des Wortes aussitzt.

Alle drei Schauspieler haben bereits mit Michael Thalheimer gearbeitet, der nach "Die Macht der Finsternis" von Leo Tolstoi (2011), "Tartuffe" von Molière (2013) und "Nachtasyl" von Maxim Gorki (2015) mit "Wallenstein" von Friedrich Schiller (Premiere: 5. Mai 2016) nun bereits zum vierten mal an der Schaubühne inszeniert hat. In der kommenden Spielzeit wird Thalheimer sich ein weiteres mal mit Molière beschäftigen und im Januar 2017 "Der eingebildete Kranke" auf die Bühne bringen.


29.06.16 der die mann nach Texten von Konrad Bayer (Volksbühne)
Die Texte des österreichischen Literaten Konrad Bayer humorvoll und bunt von Herbert Fritsch auf die Bühne gebracht. Bayers Wortschöpfungen werden von den Schauspieler/innen zelebriert und man glaubt seinen Augen und Ohren nicht. Wer sowas kann ist ein/e große/r Künstler/in. Rhythmus. Dada. Performance. Gesang. Man verlässt das Theater und hat - kaum zu glauben - ein paar Ohrwürmer, die einen den Rest des Abends begleiten: "Aber Karl gibt nicht auf..."

Kein Wunder, dass Herbert Fritsch mit dieser Inszenierung erneut zum Berliner Theaterterffen eingeladen wurde.

Regie & Bühne: Herbert Fritsch
Kostüme: Victoria Behr
Musikalische Leitung: Ingo Günther

Mit: Florian Anderer, Jan Bluthardt, Werner Eng, Annika Meier, Ruth Rosenfeld, Axel Wandtke und Hubert Wild & dasderdiemannorchester mit Ingo Günther, Michael Rowalska, Taiko Saito und Fabrizio Tentoni


30.6.16 ungefähr gleich von Jonas Hassen Khemiri (Schaubühne)
Als ich den Titel des Stückes das erste mal las - ohne zu wissen, worum es geht - dachte ich, es ginge vielleicht auch hier wieder um Feminismus (ein Thema, das an der Schaubühne in den letzten Monaten sehr präsent war). Auch in "thisisitgirl" und "istgleich" (man achte auf die Ähnlichkeit des Titels!) ging es darum. Doch das Stück handelt von Geld, den Wert von Kunst und Theater und die Suche nach Glück in einer durchökonomisierten Welt. Folgende Assoziation kommt mir in den Sinn: Ein Bekannter sagte kürzlich zu mir, dass Schaubühnen-Tickets mittlerweile wie Goldstaub seien. Das passt zum Bild des im Stück verwendeten goldenen Konfettis, mit dem die Regisseurin Mina Salehpour den Zauber, aber auch die Vergänglichkeit der Kunst am Theater ausdrücken wollte. Greifbar und doch nicht greifbar.

Regie: Mina Salehpour   
Bühne: Andrea Wagner   
Kostüme: Maria Anderski   
Dramaturgie: Bettina Ehrlich   
Mit: Bernardo Arias Porras, Iris Becher, Renato Schuch, Alina Stiegler

Essay zum Stück in Pearson's Preview: Sekt oder Champagner? Ungefähr gleich – Mina Salehpour nimmt Komödien ernst


 JULI
  
01.07.16 Five easy pieces von Milo Rau (Sophiensäle)
Einen ausführlichen Artikel habe ich hier verfasst: "Das Grauen spielen".
Weitere Infos zum Stück auf der Seite des IPM. In 2016/2017 u.a. noch in Frankfurt, Basel, Lausanne, Zürich, Amsterdam, Paris, Manchester/Brighton, Barcelona und Rotterdam zu sehen. Hingehen - es lohnt sich!


08.07.16 My Fair Lady (Komische Oper)
Mein letzter Musical-Besuch liegt schon ein paar Jahre zurück. Was mir an der Inszenierung dieses Klassikers an der Komischen Oper besonders gefiel: Das reduzierte Bühnenbild (Grammophone in verschiedenen Größen) und die bekannten Lieder. Im anschließenden Publikumsgespräch entpuppten sich die beiden Hauptdarsteller/innen Musical-Star Katharine Mehrling (Eliza Doolitle) und Schauspieler Max Hopp (Henry Higgins) als äußerst sympathisch. Was ich sonst noch lernte: Das Musical wird fälschlicherweise meistens als Komödie gesehen, dabei ist der Ausgang der Pygmalion-Geschichte von George Bernard Shaw eher traurig.

Musikalische Leitung: Kristiina Poska, Peter Christian Feigel
Inszenierung: Andreas Homoki
Choreographie: Arturo Gama
Bühnenbild: Frank Philipp Schlößmann
Kostüme: Mechthild Seipel

Professor Henry Higgins: Max Hopp
Eliza Doolittle: Katharine Mehrling, Mirka Wagner
Alfred P. Doolittle: Jens Larsen, Carsten Sabrowski
Oberst Pickering: Christoph Späth, Tom Erik Lie
Mrs. Higgins: Susanne Häusler
Mrs. Pearce: Christiane Oertel
Freddy Eynsford-Hill: Johannes Dunz, Adrian Strooper
Professor Zoltan Karpaty: Zoltan Fekete, Mate Gyenei
Chorsolisten der Komischen Oper Berlin


11.07.16 Eisler on the Beach (Deutsches Theater)
Wie in Shakespeares Dramen geht es zu in der Familie Eisler soll Charlie Chaplin gesagt haben. Die Geschichte um Hanny Eisler und seine beiden Geschwister Gerhart und Ruth, die als Zeugin der Anklage vor dem "Ausschuss für unamerikanische Umtriebe" aussagt. Zusammen mit der Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot erzählen Tom Kühnel und Jürgen Kuttner die Geschichte der Linken im 20. Jahrhundert als Familiengeschichte. Das Problem der Inszenierung: Es wird nicht klar, warum die beiden Regisseure die Geschichte erzählen. Außerdem wird man das Gefühl nicht los, dass auch die Schauspieler nicht richtig bei der Sache sind. Enttäuschend!

Regie: Tom Kühnel, Jürgen Kuttner
Bühne: Jo Schramm
Kostüme: Daniela Selig
Musik: Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot
Mit Maren Eggert, Daniel Hoevels, Jürgen Kuttner, Ole Lagerpusch, Jörg Pose, Thomas Neumann, Simone von Zglinicki


15.07.16 The blind poet von Jan Lauwers & Needcompany (Foreign Affairs Festival // Berliner Festspiele)
Portraits der sieben Performer/innen dargestellt in Bewegung und Text. Beleuchtet und gegenüber gestellt werden dabei die persönlichen Biographien und die verschiedenen Nationalitäten - alleine, im Chor, als Songs, als Tänze.  Sie entwickeln auf der Bühne verschiedene Identitäten im gegenwärtigen multikulturellen Europa - mal traurig, mal lustig.

Grace Ellen Barkey mit Clowns-Nase und Clowns-Schuhen (Foto: Maarten Vanden Abeele)

Das belgische Künstlerkollektiv Needcompany wurde 1986 von dem Theatermacher und Künstler Jan Lauwers und der Choreographin Grace Ellen Barkey gegründet.

Text, Regie & Bühne: Jan Lauwers
Musik: Maarten Seghers
Kostüme: Lot Lemm, Bachir bin Ahmed bin Rhaïem El Toukabri

Mit Grace Ellen Barkey, Jules Beckman, Anna Sophia Bonnema, Hans Petter Melø Dahl, Benoît Gob, Maarten Seghers, Mohamed Toukabri, Elke Janssens, Jan Lauwers

Weitere Infos & Trailer auf der Seite der Berliner Festspiele.


16.6.16 Freunde der Schaubühne // Freunde hinter der Kulissen: Theaterführung mit Jürgen Schitthelm & Spielzeitende (Schaubühne)
Jürgen Schitthelm, der 1962 die Schaubühne gründete, ist das, was man eine lebende Theater-Legende nennt. Nicht jede/r kommt in den Genuss, seinen Ausführungen aus über 50 Jahren Schaubühnen-Geschichte zu lauschen. Ein Bericht folgt in Kürze und wird dann im Archiv der Freunde der Schaubühne e.V. veröffentlicht. Der ideale Ausklang der Spielzeit 2015/2016!


"Spaceship Schaubühne": Die Unterbühne (Foto: Maren Vergiels)

Bilder aus über 50 Jahren Schaubühne (Foto: Maren Vergiels)

1. August 2012

Freunde der Schaubühne auf Reisen in Stockholm

Bitte Regensachen einpacken!
Stockholm / 6° Grad / Regen. Und was für ein Regen… Die schwedische Hauptstadt wird auch das „Venedig des Nordens“ genannt und ist also eine Stadt mit viel Wasser. Dieses Wasser kommt am ersten Tag der Freundeskreis-Reise von oben, von unten, von der Seite. Unser „Reiseleiter“ Christian hatte uns vorab gewarnt, passende Kleidung und Schirm einzupacken. Dieses Wetter – das nicht typisch für die Saison ist und uns ausgerechnet während unseres 5-tägigen Aufenthalts ereilen sollte – wurde quasi zu unserem ständigen Begleiter. Regenschirmleichen säumten unseren Weg, wo auch immer wir waren. Wir nahmen’s zunächst mit Groll, im Laufe des Aufenthalts mit Humor und im Rückblick als unvergesslich mit unserer Reise verbundenes Erlebnis.


Regenschirm-Leichen: Das Wetter in Stockholm forderte seine „Opfer“

5 Tage voll Kunst, Kultur und als Höhepunkt „Julie“
Unsere kleine aber feine Runde der Freunde (14 Personen) war in diesem Jahr in die schwedische Hauptstadt gereist, um Kultur zu erleben, gemeinsam die Stadt zu erkunden und als Höhepunkt der 5-tägigen Reise das Ingmar Bergmann Festival zu besuchen. Hier wurde die Schaubühnen-Produktion von „Fräulein Julie“ gezeigt.


Dramaten:  Die Schweden sind sehr stolz auf ihre Schauspieler

 Im Dramaten (kurz für Kungliga Dramatiska Teatern, das schwedische Nationaltheater), in dem das Festival stattfand erhielten wir am ersten Tag eine Führung hinter die Kulissen und wurden herzlich von der Festivalleitung begrüßt. Die Empfehlung für die Gestaltung des Abends: Ein Besuch der Poduktion „Jag blev slagen klockan fjorton och fyrtiofem“. Die Autorin Éléonore Mercier hat für diese Koproduktion mit verschiedenen internationalen Theatern (darunter auch drei Häuser aus Deutschland - das DT, das Düsseldorfer Schauspielhaus und das Schauspiel Frankfurt) 1653 Sätze aus Telefonaten einer Telefon-Hotline für häusliche Gewalt zusammengestellt. Die beteiligten Theater konnten aus diesen Sätzen für ihre Performance frei wählen und dazu eigene Szenen entwickeln, die in einer zweistündigen Inszenierung gezeigt wurde. Bei einem solch bewegenden Thema fiel die Diskussion unter den Freunden im Anschluss an das Stück entsprechend kontrovers aus.


Schloss Drottningholm: Die grauen Wolken verdarben uns auch hier nicht die Freude

Besuche und Führungen durch diverse Museen (Modernes Museum, Schloss Drottningholm, Vasamuseum) gehörten wie immer zum Programm der Freundeskreisreise, ebenso ein Besuch der Barockoper „Jason & Medea“ im Schlosstheater. Da die Geschmäcker und Erwartungen bekanntlich verschieden sind, wurde das Kulturprogramm mal mit mehr (die äußerst charmante, kompetente und informative Führung durch Drottningholm) mal mit weniger Begeisterung aufgenommen (die leider sehr schlecht vorbereitete und etwas lustlose Dame im Modern Museet konnten den Kunstkennern unter uns nicht wirklich Neues bieten).

Die Schaubühnen-Julie begeistert das schwedische Publikum

Und dann gab’s natürlich noch „unsere Julie“! Gemeinsam mit zahlreichen schwedischen Theaterfans sahen wir Katie Mitchells Inszenierung im Annex, einer Außenspielstädte des Festivals. Die Schaubühnen-Julie, die ohnehin eine Herausforderung für Jule Böwe, Tilman Strauß, Cathlen Gawlich, Luise Wolfram und das gesamte Team darstellt, musste aufgrund der räumlichen Verhältnisse vor Ort noch einmal neu arrangiert werden – eine zusätzliche Schwierigkeit für die Schauspieler, die diese aber mit Bravour meisterten. Entsprechend begeistert war das schwedische Publikum. Bei der anschließenden Premierenfeier im Dramaten gemeinsam mit dem Schaubühnen-Team war die Stimmung zu Recht euphorisch.

Wohin geht es nächstes Jahr?
Am Abreisetag war uns der Wettergott dann zwischendurch doch noch einmal hold und endlich konnten wir einen Eindruck davon bekommen, wie bezaubernd Stockholm im Sommer ist. Auch Dank Christian Clement, der die Reise wie immer hervorragend organisiert hat, war unser Stockholm-Aufenthalt ein tolles Erlebnis für den Freundeskreis. Christian wird in wenigen Wochen nach New York gehen und die nächste Reise nicht mehr für uns gestalten können. Ob die amerikanische Cent-Münze, die wir auf dem letzten Spaziergang durch die Stadt finden, ein Zeichen für unser nächstes Reiseziel sein soll, überlasse ich jedem selbst.

Fotos: Elmar Engels

17. Juni 2012

FC Energie Schaubühne gewinnt Fußballmeisterschaft der Berliner Bühnen

Spannender hätte es der FC Energie Schaubühne nicht machen können. Im Finale der 6. Fußballmeisterschaft der Berliner Theater lagen Eidinger, Gawenda & Co. gegen die Spieler des Deutschen Theaters zunächst immer wieder hinten, auf die Ausgleichstreffer reagierte der Gegner jedes mal mit einem Gegentor. Nur wenige Minuten vor Ende des Spiels konnte sich die Elf (OK, auf der Bühne der Volksbühne durften nur jeweils drei Feldspieler ran, in der 14köpfigen Mannschaft konnte aber dank fliegendem Wechsel jeder mal an den Ball) mit einem Tor absetzen und erneut den Pokal in Empfang nehmen. Trainer Thomas Thieme konnte mehr als stolz auf seine Jungs sein.

Sorgen hätte man sich allerdings gar nicht machen brauchen, da die Jungs der Schaubühne, die auch im Viertel- und Halbfinale zunächst jeweils mit einem Tor hinten lagen, immer die Nerven behielten und jedes Mal überlegen gewannen. Mit Spielausgängen wie 5:1 oder 4:0 in den Gruppenspielen wurden die Fans des Theaters geradezu verwöhnt.

Ein paar Dinge müssen an dieser Stelle unbedingt noch erwähnt werden:

1. Die musikalische Untermalung von Sir Henry sorgte während des Turniers für großer Erheiterung: Egal, ob Nirvana, Bach oder Toto – der Volksbühnen-Musiker jagte gnadenlos alles durch seine Orgel, was das Repertoire des Sporthymnen so zu bieten hat.

2. Die Banden des Spielfelds wurden eigens von Jonathan Meese beschriftet. Ein bißchen Kunst am Spielfeldrand kann ja nie schaden.

3. Mit ihren hellgelben Shirts hatte die Mannschaft der Schaubühne auch modisch die Nase vorn -  das klassische Blau, Schwarz und Rot der anderen Theater konnte da nicht mithalten.

4. Thomas Ostermeier war sich nicht zu schade, seiner Mannschaft während des gesamten Turniers am Spielfeldrand den Rücken zu stärken. Vielleicht hat diese moralische Unterstützung auch dazu beigetragen, dass der FC Energie Schaubühne so souverän gewinnen konnte.

20. Oktober 2011

Freunde der Schaubühne: Venedig (2)


In Venedig ist alles Kunst. Oder Theater. Sagt Martina, unsere Führerin in der Basilica S. Maria Gloriosa Dei Frari. Und es stimmt. So viel Kunst so geballt habe ich selten erlebt und selten habe ich mir so sehr gewünscht, noch viel mehr Zeit zu haben. Das alles noch mehr zu genießen und vor allem zu verarbeiten.
Sollte ich in meinem Leben noch mal zur Biennale kommen, wünsche ich mir (mindestens) einen ganzen Tag in den Giardini, damit man sich zwischen den Besichtigungen der Pavillons und der großen Ausstellung immer mal wieder in den Garten ans Wasser setzen kann. Ruhe, um das Gesehene zu verarbeiten. Ein weiterer Tag ginge für die Arsenale drauf.


Und wie soll man es bei dieser Üebrdosis zeitgenössischer Kunst noch schaffen, die klassische Kunst zu verarbeiten: Allein der Dogenpalast auf der Piazza San Marco bietet so viele Kunstschätze, dass einem schwindelig werden kann (könnte aber auch das "Phantomschaukeln" sein, das sich nach zwei Tagen Vaporetto-Fahren einstellt).


Und wo haben wir sie, die Verbindung von Kunst und Theater? Im Deutschen Pavillon von Christoph Schlingensief. Egomania. Drinnen: "Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" kennen wir natürlich (aus dem Theater). Und dann passiert es wieder: Ich habe mal wieder das Gefühl, Schlingesief ist da. Das ging mir zuletzt bei Via Intolleranza so. Und hier liegt es eindeutig wieder an den Videodokumenten, seinen Interviews zu seinen Filmen und anderen Projekten. Und Schlingensief kann man (kann ich) stundenlang beim Reden zuhören.


PS. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an Christian für die Organisation der Venedig-Reise und dafür, dass er immer alles irgendwie noch hinbekommen hat - mit einer großen Portion Humor, Frohsinn und Geduld -, obwohl die Venezianer uns den ein oder anderen Strich durch die Rechnung gemacht haben.

1. November 2010

Die Bühne ist die Welt: Die Entdeckung des Himmels

Harry Mulisch, Autor zahlreicher Romane, Novellen Essays, Dramen, Opernlibretti und Gedichte, ist am Samstag im Alter von 83 Jahren gestorben. Sein umfangreiches Werk war stark durch die Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg geprägt und fand Leser in aller Welt. Einige seiner Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Jahrelang galt Mulisch als Anwärter auf den Literaturnobelpreis.

Für mich gehört "Die Entdeckung des Himmels" zu den beindruckendsten Werken der Literatur überhaupt. Ich verschenke dieses - mein Lieblingsbuch - immer wieder an Menschen, die mir wichtig sind und von denen ich sicher bin, dass sie es ebenso schätzen werden wie ich. In dieser Geschichte um eine Freundschaft, die über vier Jahrzehnte verfolgt wird, geht es um Politik, Musik, Literatur, Religion, Architektur, Kunst, Naturwissenschaften, Astrologie uvm. Harry Mulisch hat in diesem Roman die Welt zu einer Bühne gemacht, auf der nicht nur die beiden "Spielleiter" im Himmel Regie führen, sondern auch die kluge weibliche Hauptfigur (Ada) - und zwar mehr als die Männer des Romans ahnen.

Wer "Die Entdeckung des Himmels" liest, lernt und lernt und lernt. Und ist nach der Lektüre nicht nur an Wissen sondern auch an Erkenntnis für das eigene Leben reicher. Dieses Buch ist eine große geistige Bereicherung.