13. Juli 2017

Reise zurück, Blick nach vorn: Premiere von "Returning to Reims" in Manchester (MIF / Schaubühne)

Nina Hoss in "Returning to Reims" (Foto: Arno Declair)


Zur Uraufführung von „Rückkehr nach Reims/Returning to Reims“ sind wir nach Manchester gereist. Thomas Ostermeier hat den Bestseller des französischen Soziologen Didier Eribon auf die Bühne gebracht. Im Rahmen des Manchester International Festival (MIF) hatte das Stück am 8. Juli 2017 im HOME (Centre for contemporary theatre, film, art, music) Premiere.


Eine Hommage an den Text von Eribon.

In Interviews hatte Ostermeier erklärt, er habe beim Lesen des Romans immer wieder Parallelen zu seiner eigenen Kindheit und Jugend entdeckt (siehe u.a. Programmheft des MIF zum Stück). In seinem Buch beschreibt Eribon die Arbeiterklasse, aus der er stammt, die schwierigen sozialen Verhältnisse, einen homophoben Vater, sein Loslösung vom Elternhaus und Milieu, den Umzug in die Großstadt und ein intellektuelles Umfeld und wie die ehemals links wählenden Eltern zu Wähler*innen von Marine Le Pens Front National wurden.


Programmheft des MIF zu "Returning to Reims"


Im Stück wird die Reise nach Reims (Eribon kehrt nach dem Tod seines Vaters das erste mal seit seiner Jugend wieder in seine Heimatstadt zurück) durch einen Dokumentarfilm nachgestellt. Nina Hoss spielt eine Schauspielerin, die dazu den Text aus dem Buch einliest. Sie unterbricht ihre Lesung dabei immer wieder, um mit dem Regisseur des Films, gespielt von Bush Moukarzel (künstlerischer Leiter von Dead Centre, deren Produktionen beim FIND 2016 und 2017 zu sehen waren) zu diskutieren, wie man diese Reise in Bildern am besten nachzeichnen kann, welche angebracht sind und passen, welche nicht. Schließlich bringt sie ihre eigene Geschichte bzw. die ihres Vaters ein, der ursprünglich Kommunist war, später die Grünen mitbegründete und am Ende im Amazonas gearbeitet hat. Somit wird dem Bild, das Eribon von seiner Familie und seinem Aufwachsen zeichnet, ein weiterer möglicher Weg entgegengesetzt - man hat die Wahl.

Die Inszenierung lebt vom Text Eribons und dem klaren ruhigen Vortrag von Nina Hoss. Und von den Bildern des Films (Sébastien Dupouey) eine Mischung aus Dokumentation der Reise sowie historischen und aktuellen Bildern aus Frankreich, England und Deutschland. Die Unterbrechungen, in denen Bush Moukarzel und Ali Gadema (als Angestellter des Tonstudios)  - übrigens ein in Manchester bekannter Rapper und Word Artist - ihre Auftritte haben sind witzig und helfen der*m Zuschauer*in, selbst eine Zäsur zu machen und Text und Bilder zu verarbeiten.


Bush Moukarzel und Nina Hoss in "Returning to Reims" (Foto: Arno Declair)


Es ist wenig „Theater“, eher dokumentarisches Essay und für diejenigen, die den Text von Eribon kennen, weil sie ihn bereits gelesen haben, eine Nacherzählung in Bildern mit Kommentar."Wir sind ja hier nicht im Theater", weist der Regisseur die Schauspielerin zurecht. Genau! Für alle, die sich gefragt haben, wie Ostermeier den Roman dramatisiert, ist das die Antwort: Er macht es einfach nicht.

Die Deutschlandpremiere von „Rückkehr nach Reims“ mit Nina Hoss sowie Hans-Jochen Wagner und Renato Schuch wird am 24. September an der Schaubühne stattfinden, am Tag der Bundestagswahl 2017. Dies sei Absicht, erklärte Ostermeier in einem Deutschlandfunk Interview (vom 8.7.2017). Somit müsse man sich, nachdem die ersten Hochrechnungen feststünden, mit der Frage auseinandersetzen, warum Schulz es nicht geschafft habe. Der Abend befasst sich auch historisch mit der Politik und den unterschiedlichen sozialdemokratischen Regierungen der letzten 30 Jahre. Ein Ergebnis werden wir an diesem Tag sehen – im Theater sowie im Realen.

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Koproduktion mit dem Manchester International Festival MIF, HOME Manchester und dem Théâtre de la Ville Paris. Gefördert durch die Lotto Stiftung Berlin.

Regie: Thomas Ostermeier   
Bühne und Kostüme: Nina Wetzel   
Film: Sébastien Dupouey, Thomas Ostermeier   
Kamera: Markus Lenz, Sébastien Dupouey   
Ton: Peter Carstens
Musik: Nils Ostendorf   
Sounddesign: Jochen Jezussek
Dramaturgie: Florian Borchmeyer, Maja Zade   
Licht: Erich Schneider   

Mit: Nina Hoss   
Mit: Bush Moukarzel / Hans-Jochen Wagner   
Mit: Ali Gadema / Renato Schuch 


Premiere in Manchester: 8. Juli 2017
Premiere in Berlin: 24. September 2017

Weitere Infos auf der Seite der Schaubühne.