15. Februar 2010

Diktatorengattin-Doppelgängerin-Doppelgängerin

Schon bevor das Stück beginnt, finden sich die Zuschauer in einer für das Theater eher ungewöhnlichen Situation. Sie müssen auf Sitzsäcken Platz nehmen. Das führt dazu, dass sich alle so benehmen, als ob sie sich zu Hause im Wohnzimmer vor den Fernseher flätzen. Man macht es sich mit der Jacke unter dem Kopf gemütlich, kann genüsslich die Beine ausstrecken und jederzeit ganz entspannt die Sitz- bzw. Liegeposition verändern.

Was dann folgt ist ein 1,5 stündiger Spaß auf unter hinter der Bühne. Die Protagonistinnen verschwinden immer wieder hinter die Kulissen. Dort werden sie (zunächst) unbemerkt von einer Kamera gefilmt und philosophieren über das Theater:

„Kann ich denn nicht in meinem Kleid rumstehen und tun, was ich kann als Ersatz für eine Inszenierung. Ich muss doch nicht in Kostümentwürfen rumstehen, die aussehen wir aus Abu Ghraib und die Carmen singen. […] Die kriechen auf dem Boden rum und wälzen sich in ihrer Spucke […] Dann stehe ich eben mit einem Fächer vor einem Don José in einem Astronautenanzug, na und?“

Diese Kritik der Doppelgängerin der Diktatorengattin (Elena Ceaucescu) mutet wie pure Ironie an. Denn: Wie oft hören wir derlei Anmerkungen über das zeitgenössische Theater. Wie oft müssen sich die Theaterleute der Volksbühne wohl solche Vorwürfe über die eigenen Inszenierungen anhören? Pollesch hat sich bestimmt ins Fäustchen gelacht, als er diese Zeilen schrieb und damit so vielen Theatergängern den Spiegel vorhält.

Gewürzt wird das ganze von slapstickartigen Einlagen – Sophie Rois und eine ihrer Doppelgängerinnen stehen sich gegenüber und spielen Original und Spiegelbild –, rustikalem Witz – mit den Worten „wir müssen sie verschwinden lassen“ werfen sie eine Decke über den Leichnam des getöteten Diktators alias Olive – und einem grandiosen Verwirrspiel der Identitäten. Pollesch verwischt die Grenzen von Darstellung und Dargestelltem, die Schauspielerinnen wechseln ständig zwischen verschiedenen Figuren hin und her, tauschen ihre Rollen.

Über allem steht – wie so oft – die schauspielerische Leistung von Sophie Rois, die Elena Ceaucescu im schmalen Rock mit Puffärmeln brillant hysterisch gibt.

3. Februar 2010

Schauspieler in der Kneipe

So geht das nicht! Andere Menschen quatschen bei jeder unpassenden Gelegenheit irgendwelche Soap-Sternchen, Fernsehmoderatoren und Musiker an, um ihre Autogrammsammlung zu erweitern. Ich hingegen bringe es nicht übers Herz, einen Theaterschauspieler anzusprechen, wenn er neben mir in der Kneipe sitzt oder an der Kasse steht. Ein Autogramm will ich gar nicht. Ich würde ihm oder ihr nur gerne sagen, dass ich ihn/sie in dem und dem Stück gesehen habe und ihn/sie da ganz toll fand.

Gestern saß ich mit einer Freundin in einer Kneipe und zwei Tische weiter ein Schauspieler, der mir schon in diversen Inszenierungen aufgefallen war. „Geh doch mal hin!“ hat meine Freundin gesagt. Habe ich aber nicht. Nicht weil ich mich nicht getraut habe, sondern weil ich ihn nicht nerven wollte. Dabei hätte er sich bestimmt über ein Kompliment gefreut. Ich finde sowieso, dass man die Leistung von Theaterschauspielern nicht genug honorieren kann.

Ich werde das ab jetzt besser machen: Wenn ich irgendwo einen Schauspieler sehe, den ich mag, und er sich nicht gerade mit seiner Freundin im innigen Zwiegespräch befindet, werde ich einfach hingehen und ihm meine Hochachtung ausdrücken.