20. November 2010

Dankesbrief an Georgette Dee: "Lieben Sie Brahms?" (BE)


Liebe Georgette Dee,

danke für einen wunderbaren Abend! Von Deinen Geschichten konnte ich nicht genug bekommen. Von Deiner Musik sowieso nicht. Die eine oder andere Träne habe ich vergossen: vor Lachen und vor Rührung. Besonders habe ich mich über viele Stationen Deiner (Lebens-)Geschichte(n) gefreut, die auch Stationen in meinem Leben waren. (Ich plane, sehr bald einmal wieder in den Odenwald zu fahren, um dort Hirschgulasch zu essen.) Der gesamte Abend war wie ein langes Lied - eins hat sich zum anderen gefügt und ich bewundere Deine Fähigkeit zu erzählen, so dass viele lebendige Bilder entstehen. Bilder, die ich gerne mit nach Hause genommen habe. Das ist "Kunscht"! Gerne hätte ich Dir noch weitere drei Stunden zugehört, aber so muss ich einfach wieder kommen, wenn du auf dieser oder einer anderen Bühne stehst. Darauf freue ich mich!

Alles Gute, Deine Maren


Foto: Lesley Leslie-Spinks

10. November 2010

Flaschenbier und Nagellack: "Jacke wie Hose" (BE)


In Jacke und Hose mit Hut kommt sie auf die Bühne: Svetlana Schönfeld als Max (Ella) Gericke in „Jacke wie Hose“ von Manfred Karge. Der raubeinige Kerl, den sie darstellt, raucht, trinkt und lackiert sich die Fingernägel. Und sie erzählt ihre Geschichte bzw. die ihres früh verstorbenen Mannes. Dabei wechselt sie die Tonlage und Stimmung je nach „Rolle“ und versucht, sich dabei immer mehr in eine Frau zu verwandeln – mit Kleid, hohen Schuhe und Lippenstift. Die Zuschauer erfahren, dass sie, um ihre Existenz zu sichern, in die Hose/Rolle ihres Mannes schlüpfen und dabei ihre Weiblichkeit ein Leben lang verneinen musste. Auch wenn sie fröhlich singt ("Puppchen, mein Puppchen!"), spürt man die Melancholie, die sie umgibt. Ella/Max hat ihre Rolle gut gespielt – zu gut. Denn: Sie ist nach der langen Zeit in Hosen unfähig Frau zu sein. Unbeholfen sind ihre Gehversuche in den hohen Schuhen und der Eierlikör will einfach nicht schmecken.

„Jacke wie Hose“ am BE ist eine Geschlechterstudie, in der Rollenbilder, die gesellschaftlichen Vorgaben unterworfen werden, kritisch hinterfragt werden. Eine Frau muss ihre Persönlichkeit negieren, um in einer patriarchalisch geprägten Welt zu überleben.

Svetlana Schönfeld spielt Ella-Max virtuos und schafft es die Zerrissenheit der Figur überzeugend darzustellen. Diese Schauspielerin, die den gut einstündigen Monolog mühelos meistert, muss man einfach mögen.

Foto: Barbara Braun

1. November 2010

Die Bühne ist die Welt: Die Entdeckung des Himmels

Harry Mulisch, Autor zahlreicher Romane, Novellen Essays, Dramen, Opernlibretti und Gedichte, ist am Samstag im Alter von 83 Jahren gestorben. Sein umfangreiches Werk war stark durch die Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg geprägt und fand Leser in aller Welt. Einige seiner Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Jahrelang galt Mulisch als Anwärter auf den Literaturnobelpreis.

Für mich gehört "Die Entdeckung des Himmels" zu den beindruckendsten Werken der Literatur überhaupt. Ich verschenke dieses - mein Lieblingsbuch - immer wieder an Menschen, die mir wichtig sind und von denen ich sicher bin, dass sie es ebenso schätzen werden wie ich. In dieser Geschichte um eine Freundschaft, die über vier Jahrzehnte verfolgt wird, geht es um Politik, Musik, Literatur, Religion, Architektur, Kunst, Naturwissenschaften, Astrologie uvm. Harry Mulisch hat in diesem Roman die Welt zu einer Bühne gemacht, auf der nicht nur die beiden "Spielleiter" im Himmel Regie führen, sondern auch die kluge weibliche Hauptfigur (Ada) - und zwar mehr als die Männer des Romans ahnen.

Wer "Die Entdeckung des Himmels" liest, lernt und lernt und lernt. Und ist nach der Lektüre nicht nur an Wissen sondern auch an Erkenntnis für das eigene Leben reicher. Dieses Buch ist eine große geistige Bereicherung.