25. November 2011

Eine Reise ins Innere: "Winterreise" von Elfriede Jelinek (Deutsches Theater)

Drei Stunden Jelinek könnten anstrengend werden. Und die Themen im Stück sind keine leichte Kost: Die Demenzerkrankung der Vaters, die übermächtige Mutter, der Fall Natascha Kampusch, an dem die Autorin ihren eigenen seelischen Zustand festmacht, und die zunehmende Fokussierung auf Sexualität im Internet. Es braucht jedoch nur wenige Minuten, um sich auf den Text einzulassen, der in wechselnden Monologen von den fünf Schauspielerinnen (Annette Paulmann, Maria Schrader, Susanne Wolff, Judith Hofmann, Anita Vulesica) gesprochen wird. Es gibt so gut wie keine Dialoge, aber gerade das macht es so erträglich – die Worte und Sätze klingen wie ein Musikstück und unterliegen einem Rhythmus, auf den man sich einlassen kann. Dabei befreit man sich davon, jeden Gedankengang, der hier vorgetragen wird verstehen zu müssen. Oft nimmt man eine bestimme Atmosphäre, ein Gefühl mit. Das alles ist nicht zuletzt den starken Schauspielerinnen - da hat Andreas Kriegenburg (Regie) die perfekte Wahl getroffen - zu verdanken, die die unglaubliche Textmenge für das Publikum zu einem ganz besonderen Erlebnis machen.

Weitere Infos zur Inszenierung auf der Seite des Deutschen Theaters.

14. November 2011

Du wirkst etwas verhaltensauffällig: "Perplex" von Marius von Mayenburg (Schaubühne)

Wenn vier Schauspieler über ihre Rolle auf der Bühne erzählen und dabei von einer in die nächste Wechseln, ohne dass sich genau festlegen lässt, wann die Szene und die Rolle wechselt, dann ist das Perplex.

In dem Stück von Marius von Meyenburg spielen sich Eva Meckbach, Judith Engel, Robert Beyer und Sebastian Schwarz selbst. Oder vielleicht doch nicht? Sie spielen Eva, Judith, Robert und Sebastian, die verschiedene Rollen spielen in wechselnden Paarungen. Der Übergang von einer Szene in die nächste, der Wechsel von einer Rolle in eine andere ist dabei fließend. Beim Zuschauer entwickelt sich freudige Erwartung auf die die nächste Figur, die nächste Konstellation („Das ist in jedem Vier-Personen-Stück so: Beischlaf mit Partnertausch und anschließender Depression.“) Immer kann mindestens eine Person, die Szene nicht steuern, weil die anderen längst bestimmt haben, wohin es gehen soll.

Das Stück steckt voller Anspielungen auf die Arbeit am Theater, auf Klischees, auf Situationen, die Schauspieler seit Jahren kennen. So erklärt Judith, wie es ist, wenn sich die Schauspieler in ihren Rollen im Stück eben noch gegenseitig umbringen wollten und in der nächsten Minute, wenn das Licht aus und wieder angeht, rücksichtsvoll den umgefallenen Stuhl aufheben, der in der vorigen Szene umgestoßen wurde: „Immer hebt einer den Stuhl auf.“ Und als ob sie das unterstreichen wollten, schiebt einer der Schauspieler am Ende des Stückes vor der Verbeugung die soeben auf der Bühne verteilten Polster beiseite, damit die Kollegen nicht darüber stolpern. Unbewusst oder absichtlich?

Und auch der geübte Theaterzuschauer wird angeschubst. Wenn Eva Sebastian unterbricht, der in einer typischen Szene (alle sind von der Bühne verschwunden und jetzt mache ich mir ein Bild von der Situation) zu einem Monolog ansetzt: „Wir hatten doch gesagt, wir machen keine Monologe mehr“ führt das dazu, dass man sich, von der antrainierten Erwartung frei macht, dass jetzt einer die Bühne für sich hat. „All by myself“ singt Sebastian stattdessen.

„Perplex“ ist ein ständiger Identitätswandel – genau wie Schauspieler es täglich erleben, wenn sie jeden Abend in eine andere Rolle schlüpfen - und am Ende bleibt nicht nur die Erkenntnis, dass bei diesem Stück irgendwie kein Regisseur anwesend war, sondern auch die Frage „Aber wer hat mich den eigentlich besetzt?“ .

Weitere Infos und Trailer auf der Seite der Schaubühne.


Foto: Tania Kelley

9. November 2011

Freunde der Schaubühne: Einführung in "Eugen Onegin"

Das erste Treffen der Freunde nach Venedig. Kaum zu glauben, dass es erst einen Monat her ist, seit wir im T-Shirt über den Lido gelaufen sind, denn heute hat definitiv die kalte Jahreszeit begonnen. Draußen ist es nebelig, wir versammeln uns im Café der Schaubühne für ein weiteres kleines aber feines gemeinsames Theatererlebnis. Carola Dürr (Dramaturgin) und Elena Zykova (Bühne) geben uns eine Einführung in „Eugen Onegin“.

Bei „Eugen Onegin“, den meisten von uns besser als Oper bekannt, handelt es sich eigentlich um ein Versepos von Alexander Puschkin. Der russische Nationaldichter schrieb den „Roman in Versen“, wie er seinen Text selbst nannte, zwischen 1823 und 1830.

Der lettische Regisseur Alvis Hermanis, von dem schon einige Gastspiele an der Schaubühne zu sehen waren, setzt den Text mit nur fünf Schauspielern (Robert Beyer, Eva Meckbach, Sebastian Schwarz, Tilman Strauß, Luise Wolfram) für das deutsche Publikum um. Ursprünglich kommen insgesamt ca. 100 Personen vor.

Auf der Bühne (bzw. dem Model des Bühnenbilds) wimmelt es nur so von Requisiten und es liegen zig Bücher herum. Optisch erfordert diese Inszenierung also schon mal erhöhte Aufmerksamkeit.

Modern wird diese Inszenierung bewusst nicht. Carola Dürr erklärt, dass die Kostüme im Stück, der Originalkleidung der Zeit stark nachempfunden wurden und dabei sogar darauf geachtet wurde, dass möglichst Originalstoffe verwendet werden. Die Frauen tragen Korsette. Die Männer auch. Überhaupt wird bei der Inszenierung großen Wert darauf gelegt, alles möglichst nah am Alltag der Menschen des 19. Jahrhunderts in Russland zu gestalten.

Die Premiere findet am 25. November statt. Weitere Infos zum Stück auf der Seite der Schaubühne.