21. Mai 2012

tt12: Fünf Stunden "Platonov" mit Burgtheater-Stars / 3sat Innovationspreis für Nicolas Stemann

Burgtheater-Stars: Johanna Wokalek und Martin Wuttke (Foto: Georg Soulek)
Nachdem man die erste Stunde überstanden hat, wird die restliche Zeit von Alvis Hermanis’ „Platonov“ (Burgtheater Wien/Akademietheater) doch noch kurzweilig. Während das Stück am Anfang noch dahinplätschert und man sich fragt, ob man die fünf Stunden durchsteht – dabei ist die Inszenierung bei weitem nicht die längste auf dem tt12: acht Stunden Faust 1+2, unzählige Stunden Borkmann – nimmt es spätesten mit Martin Wuttkes Auftritt (wie zu erwarten) Fahrt auf. Absoluter Höhepunkt ist die lange Szene nach der Pause, in der Platonov (Wuttke) mit Isaac Abramovic (Fabian Krüger) über die Leidenschaft zu Anna Petrovna (Dörte Lyssewski) fabuliert. Beide sind nach einer langen Partynacht stockbesoffen – eine dankbare Szene für die beiden Schauspieler, die hier Komik vom Feinsten zeigen können und dem Publikum die verdienten Lacher bescheren. Überhaupt trägt der Liebes- und Beziehungsreigen des Stückes im zweiten Teil dazu bei, dass die Handlung eine größere Spannung erfährt. Neben Martin Wuttke als Star und Hauptfigur des Stückes bleibt vor allem Dörte Lyssewski (Megastimme, imposante Erscheinung, starkes Spiel) in Erinnerung.


Eine Zukunft für Sofia (J. Wokalek) und Michael (M. Wuttke)? (Foto: Georg Soulek)
Damit es das Publikum nach dem Theatermarathon nicht allzu schnell in den Garten der Berliner Festspiele zieht, um dort am Lagerfeuer bis in die Nacht zu feiern und diskutieren, spendiert 3sat Freigetränke für alle. Nach einer kurzen Pause wird zum Abschluss des Theatreffens nämlich noch der 3sat Innovationspreis verliehen. Und der geht dieses Jahr an Nicolas Stemann: Toll! Weil Stemann nicht nur ein großartiger Regisseur ist, sondern auch noch richtig gut reden kann, findet der Abend einen würdigen Abschluss.

Die Neuerungen, wie ein anderes, schickeres Coporate Design und räumliche Veränderungen, die wohl dem neuen Intendanten der Berliner Festspiele, Thomas Oberender und der neuen Leiterin des Theatertreffen, Yvonne Büdenhölzer, zu verdanken sind, haben dem tt12 gut getan. Wie immer wurde über die Auswahl gestritten und die eine oder andere eingeladene Inszenierung von Kritikern und Zuschauern mit Kopfschütteln bedacht. Aber das wird sich wohl nie ändern und gehört einfach dazu.

6. Mai 2012

tt12: „Knistern der Zeit“ - Film über Christoph Schlingensiefs Operndorf

Ich glaube, ich war nicht die einzige im HAU1, die heimlich die eine oder andere Träne während der Premiere von Sibylle Dahrendorfs Film „Knistern der Zeit – Christoph Schlingensief und sein Operndorf in Burkina Faso“, die im Rahmen des Theatertreffens 2012 statt fand, vergossen hat. Wie schon bei anderen Anlässen, ist die starke Präsenz von Schlingensief auch hier spürbar und es passt, wenn einer der Schauspieler im Film sagt, Christoph sei noch immer da.

Nach seinem Tod führen Aino Laberenz und Francis Keré das Operndorfprojekt in seinem Sinne fort. Sibylle Dahrendorf hat das Projekt von Beginn an bis jetzt filmisch begleitet. Durch geschickte Schnitte, macht sie die für alle Beteiligten spürbare Präsenz von Schlingensief auch nach seinem Tod deutlich. Der Film zeigt wie Schlingensief mit dem Operndorf ein scheinbar unmögliches Projekt möglich machte und unermüdlich Menschen motivieren konnte, ihn bei der Umsetzung zu unterstützen. Die Vision von einem Ort, an dem Leben und Kunst vereint werden, wird in Remdoogo Realität und hoffentlich (wenn sich weiterhin Geldgeber finden) noch lange fortgeführt werden können. Nach Fertigstellung und Eröffnung der Schule wird nun an der Krankenstation und dem Theater gebaut. Das Festspielhaus bildet das Zentrum des vom Architekten Francis Keré schneckenförmig angelegten – die typische Bauweise in Burkina Faso – Dorfes. Glorifiziert wird Schlingensief im Film dennoch nicht, denn Dahrendorf zeigt auch, seine Ungeduld und Unverständnis für die Arbeitsweise der Afrikaner. Dieses Dilemma verarbeitete Schlingensief in seinem letzten Stück  „Via Intoleranza II“, das während der Startphase des Projekts entstand. Ausschnitte aus den Proben und der Inszenierung sind im Film ebenfalls zu sehen. 

Der Film bietet einen tiefen Einblick in die Entstehung eines beispiellosen Projekts und hilft zu verstehen, was Schlingensiefs Operndorf wirklich ist. „Knistern der Zeit“ ist ab 7. Juni 2012 im Kino zu sehen.

Weitere Infos zum Operndorf und Spendenmöglichkeiten.


5. Mai 2012

tt12: Sophie Rois im Blumenmeer


Die Entscheidung, die Verleihung des Theaterpreises dieses Jahr in den Berliner Festspielen durchzuführen (anstatt im Deutschen Theater wie in den letzten Jahren) war gut. Als zentrale Spielstätte des Theatertreffens gehört diese erste wichtige Veranstaltung auch hier her.

Preisträgerin 2012: Sophie Rois (Foto: Nadine Loes)
Auch sonst war die Preisverleihung dieses Jahr besonders, denn es war von allem etwas dabei: ungewollte und gewollte Komik, Politik, Aufregung und eine Preisträgerin, deren Charme man sich kaum entziehen kann. Zu Sophie Rois, die den Preis 2012 erhielt, braucht man nicht viel zusagen. Es gibt wohl kaum jemanden, der bestreiten würde, dass sie ihn (schon längst) verdient hat.

Wie üblich sprach Walter Rasch von der Stiftung Preußische Seehandlung einige einleitende Worte und sorgte dank einiger peinlicher Versprecher für Spaß beim Publikum: Aus Thomas Oberender, dem neuen Intendanten der Berliner Festspiele, macht er Herrn Obermeier und Walter Momper wurde kurzerhand in Lomper…äh…Womper umgetauft.

Klaus Wowereit musste sich, bevor er den Preis übergeben durfte, zu den vor dem Festspielhaus demonstrierenden Studenten der Ernst-Busch-Schauspielschule äußern.Was nervte waren einige Buh-Rufe aus dem Publikum, denn schließlich ging es ja nicht um Wowereit bei dieser Veranstaltung. Wer da nur im Publikum sitzt, um zu stören - vorher oder nachher kann ja jeder gerne seine Meinung sagen - verweigert der Preisträgerin den gebührenden Respekt.

Wer sonst soll diese Laudation halten: René Pollesch (Foto: Nadine Loes)
Bernd Begemann, ein Chor und Schauspielkollegen von Sophie Rois sorgten für das Rahmenprogramm und René Pollesch hielt zitternd und super-aufgeregt die Laudatio. Die Rede auf seine Lieblingsschauspielerin gehörte zu den Höhepunkten der Verleihung. Wer hätte gedacht, dass ein Profi wie Pollesch so nervös sein würde. Diese Nervosität übertrug sich spürbar aufs Publikum und wahrscheinlich haben viele heimlich gebetet, dass er die Rede bis zum Ende durchsteht, ohne vorher zu kollabieren. Doch niemand nahm’s ihm übel und vielleicht hat ihn dieser Auftritt sogar etwas sympathischer gemacht. Und wen sonst hätte man sich als Laudator für Sophie Rois vorstellen können?!

Die Laudation von René Pollesch in voller Länge gibt's hier.

Ein paar Blumen für Sophie Rois (Foto: Nadine Loes)
Und dann kam sie – souverän und für den Spaß, den sich die Veranstalter mit ihr ausgedacht hatten, nicht zu schade. Anstatt des üblichen schön gebunden Blumenstraußes wurden Sophie Rois hunderte von einzelnen Blumen übergeben, so viele, dass bis sie sie am Ende kaum noch halten konnte. Und sie hat einfach mitgespielt – so was kann man auch nur mit Sophie Rois machen!

Sophie Rois ist während des Theatreffens 2012 (und danach wieder im regulären Programm der Volksbühne) in "Die (s)panische Fliege" von Herbert Fritsch zu sehen.