22. Oktober 2016

Max Penthollow schreibt mir // Kapitel 17: "Die Zeit aus den Fugen" (Podiumsdiskussion an der Schaubühne)

Wenn es gut werden muss!

Am Mittag des gleichen Tages habe ich Carolin Emckes Streitraum besucht. Thema: Kosmopolitismus und Menschenrechte. Carolin Emcke äußerte, dass Sie sich große Sorgen darüber mache, wo heute überhaupt noch Demokratiebildung stattfinde. Ihre Hoffnungen setze sie ins Theater. Diese Idee, was Theater leisten kann, im Kopf ging ich in den Diskussionsabend an der Schaubühne. 

Insgesamt hatte ich von diesem Abend etwas anderes erwartet. Mehr Einblicke in die Möglichkeiten, die Theater hat. Leider ist die Diskussion zu stark in Erklärungsversuche über die Gründe für das Erstarken der AfD abgedriftet. Das wäre vielleicht nicht so schlimm gewesen, wenn die Diskutant/innen dabei nicht immer wieder die Frage „Wozu spielen?“ aus den Augen verloren hätten.

Mir fällt es schwer, den Abend und die Ergebnisse der Diskussion zu bewerten.

Max hat es dennoch versucht und hier sind seine Gedanken zu dem Abend.

Max Penthollow schreibt mir...

Jeden Tag geschehen Dinge in der Welt, die wir nicht verstehen. Wir müssen es aber versuchen!*

(*Werbeslogan für den "Stern" aus den 1980er Jahren)

"Die Zeit ist aus den Fugen…" - wozu spielen?

Diskussionsabend in der Schaubühne am Sonntag, 16. Oktober 2016, 20:30 Uhr, mit Thomas Ostermeier, Ulrich Matthes, Maxi Obexer, Falk Richter
Moderation: Peter Claus, Kulturradio (rbb)

Liebe Maren,

gestern waren wir beide bei der Podiumsdiskussion in Saal C in der Schaubühne, hier sind meine Eindrücke und Gedanken dazu:

"Die Zeit ist aus den Fugen" ist ein Zitat aus "Hamlet" von William Shakespeare. "The time is out of joint!"

Die Zeit war und ist schon immer aus den Fugen! Und die Menschen haben immer Kunst gemacht und sich in der Kunst mit den Dingen in ihrer Welt beschäftigt und darstellende Kunst und Theater und Performances gemacht. Seit 2400 Jahren und Aischylos ist es belegt und wir wissen es genau!

In 85 Generationen Homo sapiens seit Homer ist unsere Spezies in 2800 Jahren (bei angenommenen 3 Generationen pro 100 Jahre) genetisch gleich geblieben. Die Menschen waren gegenüber ihren Mitmenschen zu allen diesen Zeiten und in den Zeiten davor liebevoll, fürsorglich und solidarisch - so wie heute - und genauso auch immer – auch massenweise – aggressiv, mörderisch und grausam - so wie heute. In diesem Sinne war und ist die Zeit und die Welt schon immer aus den Fugen - oder eben auch nicht!

Wozu spielen? Ich sehe es so: weil sie spielen müssen! Weil die Menschen immer Theater gemacht haben! Aus Leidenschaft! Und wozu? Und wozu noch? Um Spaß zu haben oder um die Welt zu verändern, um andere Menschen aufzurütteln, als Getriebene, aus Besessenheit und Lust am Spielen, zur Selbstverwirklichung, für Anerkennung und Bewunderung, für den eigenen Narzissmus, um zu zeigen, was sie können, um die Leidenschaft für das Theater und die Darstellende Kunst mit anderen Menschen zu teilen, um ihren KönigInnen treu zu dienen, um Geld und Lebensunterhalt zu verdienen, zum Lachen und zum Weinen und zum Heulen. Aus Lust und Leidenschaft, apollinisch und dionysisch!

So verstehe ich das Thema!

In Marius von Mayenburgs Schaubühnen-Übersetzung sagt Hamlet: "das ist nicht und wird niemals gut!" Und Hamlet sagt: "die Zeit ist ganz verrenkt, wie gut, dass ich geboren wurde, um sie wieder einzurenken!"

Hamlet hat die Zeit nicht eingerenkt!

Der Diskussionsabend war nach meinem Empfinden von einem gewissen Interesse. Gesellschaftliche und politische Gegenwart in munterer Erörterung waren thematisch die Hauptlast des Schwerpunkts des Abends. Vom Podium aus und aus dem Publikum wurden Meinungen, Ansichten und Haltungen geäußert und dargestellt. Die KünstlerInnen stellten zum Teil ihre Projekte dar und sprachen über ihre Arbeit und ihre Arbeiten und ihre Visionen. Aus dem Publikum kam zu einigen Äußerungen Zustimmung in Form von Klatschen. Das Publikum war gut einbezogen und applaudierte nach einer ausführlichen Veranstaltung nach annähernd zwei Stunden am Schluss länger.

Hamlet sagt: "das ist nicht und wird niemals gut!"

Liebe Maren, wir wollen trotz allem weiter versuchen, alles so zu machen, dass es gut wird!

Allerliebst

Max