4. Dezember 2018

Max Penthollow schreibt mir // Kapitel 20: Sehnsucht und Erfüllung - Die Glasmenagerie (Deutsches Theater)

Max Penthollow schreibt mir:


Liebe Maren,

am 26. November war ich im Deutschen Theater in Tennessee Williams' "Glasmenagerie" aus dem Jahr 1944, Regie Stephan Kimmig, Premiere am 16. Dezember 2016.

Menagerie (französisch Ménagerie), die,

1) ein kleiner Tierpark an Fürstenhöfen;

2) Wandertierschau, häufig zu einem Zirkus gehörend.

(aus: Goldmann Lexikon, Bertelsmann Lexigraphisches Institut, Gütersloh 1998, Band 15, S. 6533)


Auf der Bühne ist die kleine Familie, Mutter, Sohn und Tochter - Amanda, Tom und Laura, in ihrem Wohn- und Esszimmer mit Schneiderei. Der Vater ist weg, es gibt nur noch die Erinnerung an ihn und ein Bild auf der Bühne. Ein Mann und Verehrer, Jim, kommt schließlich noch hinzu. Zwei Hühner – eine Henne und ein Hahn – sind in einem kleinen gläsernen Gehege links seitlich auf der Bühne untergebracht und haben ab und zu eigene Bühnenauftritte.

Die Glasmenagerie ist Lauras Sammlung kleiner zarter und zerbrechlicher Glastiere in einem kleinen Pappkarton, mit dabei auch ein Einhorn, das in der Spielhandlung durch versehentliche unachtsame Behandlung sein Horn verliert. "Das ist aber überhaupt nicht schlimm. Gar nicht schlimm."

Als Zweites hat Laura ihre Schallplatten.

Das Stück ist ein Spiel über Hoffnung und Sehnsucht nach Nähe, Liebe und Glück und über die Unmöglichkeit ihrer Erfüllung. Ein Leben in Geborgenheit und Liebe und Glück ist "eine Realität, von der sie nur träumen können".

Anja Schneider und Linn Reusse (Foto: Arno Declair)

Die wunderbaren Darstellerinnen und Darsteller dürfen zeigen, was sie alles können, womit sie – so stelle ich es mir vor - vielleicht schon immer und schon in der Schule und in ihrem ganzen Leben ihre Lieben und andere Menschen begeistert und zum Lachen und zum Staunen gebracht haben, mit Kunststückchen, Kabarett, Klamauk und slapstickartigem Witz. Hinreißend spielen sie das melancholische Spiel um Erwartung, Enttäuschung, Liebesverlangen und Liebesverlust, herzzerreißend und zum Weinen. Sie sind fantastisch und in ihrem Element: Anja Schneider, Linn Reusse, Marcel Kohler und Holger Stockhaus.

Durch das in Form und Inhalt gegensätzliche Spiel entsteht ein eindrückliches Bild einer unendlichen Sehnsucht und grenzenlosen Hoffnung sowie einer großen und unermesslichen Traurigkeit. Für mich war das Stück gerade in dieser polaren Art der Inszenierung ganz wunderschön und bezaubernd und der Abend für mich besonders anrührend, bewegend und entzückend!

Anja Schneider als Amanda Wingfield (Foto: Arno Declair)
 
Die Bedeutung der beiden leitmotivischen Hühner auf der Bühne, Henne und Hahn, bestimmen wir selbst. Uns allein ist es überlassen, was wir an Interpretation in dieses Motiv hineinlegen möchten oder nicht. Ich habe dieses Moment sehr genossen!

In der Nacht gibt es einen heftigen Regenschauer.

Jeder (jede) sollte eine Glasmenagerie haben.


Allerliebste Grüße

Max

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Regie: Stephan Kimmig
Bühne: Katja Haß
Kostüme: Anja Rabes
Musik: Michael Verhovec

Deutsch von Jörn van Dyck

Amanda Wingfield: Anja Schneider
Laura Wingfield: Linn Reusse
Tom Wingfield: Marcel Kohler
Jim O’Connor: Holger Stockhaus