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3. Januar 2018

Rückblick Dezember 2017: Liebe, Wut, Gewalt

Mein Rückblick des Theatermonats Dezember 2017.


03.12.17 Streitraum: "Gewalt und Gerechtigkeit" mit Édouard Louis (Schaubühne)

In seinem Roman »Im Herzen der Gewalt« erzählt der französische Autor Édouard Louis die Geschichte seiner eigenen Vergewaltigung nicht allein als furchtbare Erfahrung der Gewalt durch seinen Angreifer. Sondern er erzählt auch von der Art und Weise, wie die Justiz ihm diese Erfahrung Stück für Stück enteignet, wie sie, je häufiger er sie erzählen, begründen, rechtfertigen muss, weniger ihm als der Polizei, den Medizinern, den Ermittlungsbeamten gehört. Édouard Louis’ Roman führt ins analytische Zentrum der Fragen nach Trauma und Sprachlosigkeit, Gewalt und Gerechtigkeit – und nicht zuletzt zur Frage unserer gesellschaftlichen Verantwortung im Reproduzieren von gewaltförmigen Strukturen und Praktiken. (Auszug aus der Synopse auf der Seite der Schaubühne)

Edouard Louis habe ich in Manchester bei der Premiere von „Rückkehr nach Reims“ kennengelernt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits seinen ersten Roman „Das Ende von Eddy“ gelesen. Kurz darauf begab er sich weltweit auf Lesereise für sein zweites Buch „Im Herzen der Gewalt“. Wiedergetroffen habe ich ihn im Rahmen einer Lesung in der Autorenbuchhandlung im September 2017, ein weiteres mal im Streitraum bei Carolin Emcke zum Thema „Gewalt und Gerechtigkeit“. Louis, ein Schüler von Didier Eribon, ist so etwas wie der Shootingstar der französischen Literaturszene. Er ist einer der angenehmsten und freundlichsten Gesprächspartner, die ich kenne. Dankbarkeit für den in der Diskussion mit Thomas Ostermeier geäußerten Hinweis inbegriffen, dass Gewalt, wie sie in seinem Buch beschrieben wird, oft auch Frauen wiederfährt, und wie Frauen in vielen Situationen in Angst um sexuelle Übergriffe leben müssen.

Im Frühjahr 2018 wird in der Schaubühne eine Bühnenfassung des Buches (mit Laurenz Laufenberg und Renato Schuch, Regie: Thomas Ostermeier) zu sehen sein. 


05.12.17 Der gute Mensch von Sezuan von Bertolt Brecht / Musik von Paul Dessau (Schaubühne)

Koproduktion mit der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« Berlin

In jeder Spielzeit gibt es eine Produktion mit den Studierenden des 3. Studienjahr der Ernst Busch unter der Regie von Peter Kleinert. In der Sezuan-Vorstellung, die ich gesehen habe, durfte eine Schauspielerin wegen einer Stimmbandentzündung nicht sprechen. Kurzerhand übernahmen die Kolleg*innen ihren Text. Die Inszenierung funktionierte trotzdem, sogar gut. Ohnehin spielen alle Schauspieler*innen verschiedene Rollen. Wie gut das Zusammenspiel klappte, zeigte sich vor allem dann, als sie sich gegenseitig aushalfen, wo jemand den kurzfristig einstudierten Text der Kollegin nicht parat hatte. Gerade durch diese Improvisationen sammelten sie Sympathipunkte beim Publikum.

Frederik Rauscher, Mayla Häuser, Lea Ostrovskiy, Tiffany Köberich, Leander Senghas, Jan-Eric Meier (Foto: Gianmarco Bresadola)

Regie: Peter Kleinert   
Bühne: Céline Demars   
Kostüme: Susanne Uhl   
Musik: Hans-Jürgen Osmers   
Dramaturgie: Nils Haarmann   

Shen Te / Shui Ta: Laura Balzer    
Yang Sun, ein stellungsloser Flieger / Bruder Wung: Jan Bülow   
Erster Gott / Die Witwe Shin / Nichte: Mayla Häuser   
Wang, ein Wasserverkäufer / Schwangere Schwägerin: Jan Meeno Jürgens   
Zweiter Gott / Hausbesitzerin Mi Tzü / Kind: Tiffany Köberich   
Barbier Shu Fu / Neffe: Jan Eric Meier   
Dritter Gott / Frau Yang, die Mutter des Fliegers / Mutter: Lea Ostrovskiy   
Schreiner Lin To / Bonze / Großvater: Frederik Rauscher   
Arbeitsloser / Polizist: Leander Senghas   
Erzähler / Kellner / Vater: Lukas Walcher


12.12.17 Die Wiedervereinigung der beiden Koreas von Joël Pommerat (Berliner Ensemble)

Übernahme aus dem Schauspiel Frankfurt.

Nach Motiven aus Artur Schnitzlers "Reigen", Tschechows Einaktern und Ingmar Bergmans "Szenen einer Ehe" wird in Joël Pommerats Stück die Liebe beleuchtet. In 19 Szenen werden verschiedene Liebesgeschichten erzählt. Was bedeutet Liebe, wenn die Partnerin wegen ihrer Demenz den Partner nicht mehr erkennt und sich an die gemeinsame Vergangenheit nicht mehr erinnern kann? Wie geht man damit um, wenn geistig Behinderte lieben und ein Kind erwarten? Wie weit kann die Liebe zwischen einem Pfarrer und einer Prostituierten gehen? Lustig und traurig sind diese kleine Episoden und die Dialoge lassen einen oft an selbst erlebte Situationen erinnern. Ich fühlte mich häufig an Szenen aus Yasmina Rezas Stücken und Texten erinnert.

Regie: Oliver Reese
Bühne: Hansjörg Hartung
Kostüme: Elina Schnizler
Musik: Jörg Gollasch

Mit: Verena Bukal, Franziska Junge, Corinna Kirchhoff, Josefin Platt, Carina Zichner, Martin Rentzsch, Veit Schubert, Marc Oliver Schulze, Till Weinheimer)


16.12.17 Buchvorstellung: MIMOS Ursina Lardi (Schaubühne)

Ursina Lardi ist seit der Spielzeit 2012/13 Ensemblemitglied der Schaubühne. Wer sie noch nicht als Lenin in Milo Raus gleichnamigem Stück und in "Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs" gesehen hat, sollte dies bald nachholen. Sie rettet Thomas Ostermeiers "Die kleinen Füchse" in der Rolle der Birdie und ist wunderbar in "Die Ehe der Maria Braun." Falk Richters "For the disconnected child" (leider nicht mehr auf dem Spielplan) machte sie zu einem der größten Theatererlebnisse, die ich erleben durfte. Dass sie 2017 den Schweizer Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring, den wichtigsten Theaterpreis der Schweiz, erhielt, ist daher kein Wunder. Die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur widmete ihr daher den neuesten Band der Reihe »MIMOS. Schweizer Theater-Jahrbuch«, der mit Interviews und Beiträgen von u. a. Romeo Castellucci, Michael Haneke, Thomas Ostermeier, Milo Rau und Volker Schlöndorff Einblick in ihre Arbeit für Theater und Film gibt, und ihren eindrucksvollen Werdegang dokumentiert. Anlässlich der Buchpremiere sprach Ursina Lardi mit dem Theaterkritiker Andreas Wilink.Thomas Ostermeier hielt einführene Worte voll ehrlicher Bewunderung - ein schöner Moment!


Buchempfehlung: MIMOS 2017 Ursina Lardi


17.12.17 Die letzte Station von Ersan Mondtag (Berliner Ensemble)

Alte und Gebrechliche treffen aufeinander, singen und tanzen zusammen. Wie sieht das Ende des Lebens aus? Was ist am Übergang zum "Jenseits"? Ersan Mondtag versucht mit Tänzer*innen und Schauspieler*innen zu zeigen, was uns vor und nach dem Tod erwartet: Komisch und traurig zugleich. "Die künstlerische Handschrift von Ersan Mondtag bewegt sich zwischen Performance, großer Oper, Sprechtheater und darstellender Kunst."

Regie: Ersan Mondtag
Bühne/Video: Stefan Britze
Kostüme: Raphaela Rose
Musik: Diana Syrse
Mit Constanze Becker, Judith Engel, Peter Luppa, Laurence Rupps, Ty Boomershine, Brit Rodemund, Christopher Roman, Jone San Marin, Frederic Tavernini.

Weitere Infos auf der Seite des BE.


18.12.17 Prima Vista Lesung mit Tilo Nest (Berliner Ensemble)

Ich habe bereits einen Bericht über diesen tollen Abend verfasst.


22.12.17 Wut von Elfriede Jelinek (Deutsches Theater)

Welche zerstörerische Wut steckt dahinter, wenn Menschen Attentate verüben? Warum kommunizieren Menschen nicht mehr, sondern äußern ihre Verzweiflung, Ohmacht und Angst durch Gewalt? Vor dem Hintergrund des Überfalls auf die Redaktion von Charlie Hebdo im Jahr 2015 stellt Jelinek in ihrem Stück diese Fragen und lässt Figuren aus der griechischen Mythologie sowie Wutbürger sprechen. Dank dem furiosen Auftreten der Schauspieler*innen (Andreas Döhler, Sebastian Grünewald, Linn Reusse, Anja Schneider, Sabine Waibel) wird der Abend zu einem tobenden und tosenden Abbild dessen, was im Inneren vieler steckt.

Regie: Martin Laberenz
Bühne: Volker Hintermeier
Kostüme: Aino Laberenz
Musik: Bernhardt.
Video: Daniel Hengst


27.12.17 Die Blechtrommel nach dem Roman von Günther Grass (Berliner Ensemble)

Fulminate One-Man-Show des Schauspielers Nico Holonics als Trommler Oskar Matzerath. Der Roman von Günther Grass gilt als Meilenstein der deutschen Nachkriegsliteratur. In dieser Fassung wird die Geschichte nicht nur aus der Sicht der Hauptfigur erzählt, sondern Oskar auch zur einizigen Figur auf der Bühne erkoren - zusammen mit unzähligen Blechtrommeln als Bühnenbild.

Übernahme der Inszenierung von Oliver Reese aus dem Schauspiel Frankfurt.

Regie: Oliver Reese
Bühne: Daniel Wollenzin
Kostüme: Laura Krack
Musik: Jörg Gollasch

31. Dezember 2016

Rückblick Dezember 2016: Ein Jahr hinterlässt seine Spuren

Nach diesem Jahr, das viele so schnell wie möglich hinter sich lassen wollen, hat das Theater im Dezember einmal mehr gezeigt, dass es gut ist, inne zu halten, durchzuatmen, sich zu beruhigen und Hass, Angst und Restiments etwas entgegenzusetzen.


03.12.16 PREMIERE Dantons Tod (Schaubühne)
Jedes Jahr gibt Peter Kleinert Schauspielstudent*innen der Ernst Busch Hochschule die Möglichkeit, ihr Können und Erlerntes an einer großen Bühne zu zeigen. Die jungen Schauspieler*innen haben sich in diesem Jahr für Büchners "Dantons Tod" entschieden. Aufgrund der komplexen geschichtlichen Hintergründe kein leichter Stoff. Im Vergleich zu den Ernst-Busch-Inszenierungen an der Schaubühne der letzten drei Jahre fällt das Ergebnis leider etwas ab. Positiv aufgefallen ist Daniel Mühe (in der Rolle des Camilles) und Vincent Redetzki (als Philipeau). Letzterer ist an der Schaubühne kein Unbekannter, da er hier schon - teilweise noch als Kind - für drei Stücke von Falk Richter auf der Bühne stand (aktuell noch in TRUST). Diese Routine merkt man seiner Spielweise an.

Daniel Mühe, Monika Freinberger, Lukas T. Sperber, Lola Fuchs, Gustav Schmidt (Foto: Gianmarco Bresadola)


10.12.16 PREMIERE On Off der WG Schaubühne
Die Werkstattgruppe der Schaubühne unter der Leitung von Katharina Berger bietet Laien die Möglichkeit, sich auf der Bühne auszuprobieren. In der Produktion "On Off" beschäftigten sie sich humorvoll mit der Generation Smartphone und einem von Maschinen bestimmten Leben. Beeindruckend die Performance (Choereographische Mitarbeit: Johanna Berger) zu Beginn des Stücks, die ein bisschen an Charlie Chaplins "Moderne Zeiten" erinnert. Die ersten 20 Minuten konnten die Zuschauer*innen diese beeindruckende Darbietung durch eine Glasfront vor dem Studio der Schaubühne sehen, begleitet von der Musik des DJs Lukas Zepf.

Menschen wie Maschinen (Foto: Maren Vergiels)
 
12.12.16 Streit ums Politische: Europe, what can it teach us? (Schaubühne)
Heinz Bude sprach mit Nikita Dhawan, Professorin für Politische Theorie mit thematischer Akzentuierung im Feld der Frauen- und Geschlechterforschung, über das postkoloniale Europa und das Begehren Europas, die Welt zu zivilisieren.


17.12.16 PREMIERE Professor Bernhardi von Arthur Schnitzler / Fassung von Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer (Schaubühne)
Ich möchte fast sagen, das dies eines der besten Theatererlebnisse des Jahres war. Daher habe ich vor, zu Professor Bernhardi noch einen eigenen Beitrag zu erstellen. Nur so viel: Tolles Stück und so aktuell, denn es geht um strukturelle Rassismen. Und spannend - ich habe sehr gebannt geschaut und gehört. Dies alles ist nicht nur der großartigen Inszenierung zu verdanken sondern vor allem auch den brillanten Schauspieler*innen. Das Timing bei den Dialogen ist auf den Punkt und einfach jeder*m ist perfekt in ihrer*seiner Rolle. Dazu kommt das Bühnenbild (fast ganz in weiß) mit den von Katharina Ziemke mit einem Wachsstift an die Wand geschriebenen Ortsbezeichnungen, die von Szene zu Szene verwischt und überschrieben werden - ein Kunstwerk, das während des Stücks entsteht und doch nicht bleibt. Eine Theater-Metapher. Eine ganze Reihe neuer Ensemblemitglieder gaben ihren Einstand an der Schaubühne: Damir Avdic (Prof. Bernhardis Sohn Dr. Oskar Bernhardi), Lukas Turtur (Dr. Löwenstein), Veronika Bachfischer (Dr. Wenger), Hans-Jochen Wagner (Prof. Dr. Flint), Konrad Singer (Dr. Filitz). Zurück an der Schaubühne und in der Hauptrolle ist Jörg Hartmann.

Thomas Bading, Jörg Hartmann, Sebastian Schwarz (Foto: Arno Declair)

Hier ein Interview mit Thomas Ostermeier zu Enstehung des Stücks (Video).


22.12.16 Ausstellungseröffnung Too late. I got my face on. von Katharina Ziemke (Schaubühne)
Die Künstlerin Katharina Ziemke, die für Thomas Ostermeiers Inszenierungen von "Ein Volksfeind" und "Professor Bernhardi" die Wandmalereien entwarf, zeigt in der Ausstellung Werke, die sich mit Bühne und Schauspiel beschäftigen.
Die ehemalige Universum Lounge (neben dem Kassenfoyer) wird bis Ende Januar als Ausstellungsraum genutzt. Zu sehen sind großformatige Tuscharbeiten, Linolschnitte, Skulpturen und Pastellarbeiten. Katharine Ziemke dienen dabei häufig historische Fotos als Grundlage, die sie mit verschiedensten Techniken (Kratz-, Druck-, Tusch- oder Ölmaltechnik) in einen neuen Maßstab zur Wirklichkeit setzt. Die Künstlerin spiel mit dem Unterbewussten und die wundersamen Bilderwelten pendeln zwischen den thematischen Gegensätzen Jahrmarkt und Jüngstes Gericht.

"Pharmacy" (Wachskreide auf Papier, 99x140 cm) von Katharina Ziemke in der Asstellung "Too late. I got my face on." (Foto: Elmar Engels)

Katharina Ziemke, 1979 in Kiel geboren, studierte Malerei an der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris und an der Kungliga Konsthögskola in Stockholm. Neben Einzelausstellungen in Paris, Berlin, New York und Kiel nahm sie an zahlreichen internationalen Ausstellungen teil.

Interview von Joseph Perason mit Katharina Ziemke.

Die Arbeiten von Katharina Ziemke sind noch bis 27. Januar 2017 in den Räumen der ehemaligen Universum Lounge neben dem Kassefoyer der Schaubühne zu sehen (Täglich von 16 bis 20 Uhr geöffnet; der Eintritt ist frei.)

Blick in die ehemalige Universum Lounge mit den Arbeiten von Katharina Ziemke (Foto: Maren Vergiels

  
23.12.16 Lesung Gegen Hass und Angst – für Mitmenschlichkeit (Schaubühne)
Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz entschloss sich die Schaubühne dazu im Rahmen einer Sonderveranstaltung dem Gefühl von Angst und Verzagen etwas entgegenzusetzen. Es lasen Thomas Ostermeier, Carolin Emcke, Lars Eidinger und Ursina Lardi Texte von Ingeborg Bachmann, Gottfried Benn, Bertolt Brecht, Carolin Emcke und Rainer Maria Rilke. Igor Levit spielte auf dem Klavier Stücke von Bach, Schubert und Brahms.


29.12.2016 re-visited Wallenstein (Schaubühne)
Noch mal zwischen den Jahre ins Theater. Ich hatte angekündigt, dass ich dieses Stück noch mal sehen muss: Wallenstein. Diesmal sitze ich sehr weit vorne und kann die Gesichter der Schauspieler*innen gut sehen. Obwohl mir die drei Stunden wieder nicht lang werden, ist es ein anstrengendes Stück. Umso höher muss ich die Leistungen der Schauspieler*innen bewerten. Ob ich diesmal mehr verstanden habe? Kann ich nicht beantworten.

Laurenz Laufenberg, Regine Zimmermann, Alina Stiegler, Ingo Hülsmann (Foto: Katrin Ribbe)

Ich freue mich auf ein tolles Theaterjahr 2017 und über alle, die mir hier Feedback geben. The stage is yours!

4. Mai 2016

Max Penthollow schreibt mir // Kapitel 16: Laut und leise ("Sommergäste" in der Volksbühne)

Max Penthollow schreibt mir...

Liebe Maren,

ich war am 15. März 2016 in der Premiere von "Sommergäste" nach(!) Maxim Gorki an der Volksbühne und ein weiteres mal am Freitag, 18.März 2016 (erste Vorstellung nach der Premiere).

"Sommergäste" von Maxim Gorki - Volksbühne Berlin - Regie: Silvia Rieger - Premiere am Dienstag, 15. März 2016, 20 Uhr

Bei der Premiere habe ich es so empfunden:
Student/innen der Ernst-Busch-Hochschule für Schauspielkunst. Ich fand es schön und interessant, die Darsteller/innen hatten viel Freude ebenso wie das Publikum. Allerdings habe ich bisher keinen wirklichen Zugang gefunden zum Konzept der Inszenierung. Es war für mich insgesamt sehr laut und die Darsteller/innen haben teilweise sehr laut gesprochen (herausgeschrien und herausgebrüllt!), teilweise so laut, dass ich es nicht richtig verstanden habe.

Das Publikum saß auf der Bühne, das Stück spielte im Zuschauerraum. Einige Motive habe ich aus der Schaubühnen-Inszenierung wiedererkannt (ich habe die Schaubühnenfassung von Alvis Hermanis  fünfmal gesehen, vor drei oder vier Jahren).

Ich würde die Absicht der Regisseurin, Silvia Rieger,  gern besser verstehen. Aus meiner Sicht konnten die Schauspielstudenten einen Teil von den tollen Sachen zeigen, die sie können, aber mehr davon wäre für mich auch spannend gewesen.

Interessant und sehenswert ist die Inszenierung aus meiner Sicht allemal!

Nach der Premiere hat es mir keine Ruhe gelassen und ich bin noch einmal in das Stück gegangen. Nun komme ich zu dem folgenden Ergebnis:

Die Darsteller/innen haben zwar in ihrem Spiel viel und dominierend geschrien, das Schreien hat mich aber diesmal weniger irritiert und mehr beeindruckt als bei der Premiere, ich habe die Texte diesmal besser verstanden, und es gab doch immer noch und im ganzen Stück auch viele leise Momente, die für mich ganz bezaubernd waren. Sie waren in meiner Wahrnehmung am ersten Abend unter den lauten Tönen weitgehend untergegangen.

Silvia Riegers Inszenierung ist schlicht und schnörkellos, der Text und die Bühnenshow sind auf Wesentliches reduziert und durch Neues ergänzt.

Ich fand es wieder ganz toll, mit welcher Begeisterung und Lust und Freude die Darsteller/innen ihr Spiel gemacht haben! Die schwarze Bühne ist weitgehend leer, es gibt wenige Leitmotive: eine große weiße Birke, einen großen weißen Pilz und ein langes rotes Tischtuch schräg über den Bühnenboden, mit weißen Esstellern und silberglänzendem Besteck. Sehr schöne fantasie- und liebevoll gestaltete Kostüme, schönes Licht und eindrucksvolle Musik!

Mein Fazit: Gorkis "Sommergäste" ist und bleibt ein wunderbares Stück und die Inszenierung von Silvia Rieger und das begeisterte muntere Spiel der Darsteller/innen haben mir sehr gut gefallen! Sehr fein!

Es gab fröhlichen Applaus!

Allerliebst

Max
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Eine Kooperation mit der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin

Regie: Silvia Rieger
In der Bühne von: Bert Neumann
Kostüme: Laurent Pellissier
Licht: Torsten König
Einrichtung Musik und Ton: Wolfgang Urzendowsky
Dramaturgie: Sabine Zielke

Mit: Frank Büttner, Maximilian Hildebrandt, Daniel Klausner, Benjamin Kühni, Martin Otting, Marie Louise Rathscheck, Theresa Riess, Celina Rongen, Kim Schnitzer, Janet Stornowski, Ulvi Erkin Teke, Léa Wegmann und Felix Witzlau

Dauer: 1 Stunde 55 Minuten  

Weitere Infos auf der Seite der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.

12. Juni 2015

Rückblick Mai 2015: Geld, Macht, Körper...Beziehungen

Nun hatte ich im April durch das F.I.N.D. schon einen sehr intensiven Theatermonat,  aber der Mai übertrifft das tatsächlich noch mal. Insgesamt zehn mal war ich im Publikum der Schaubühne, Volksbühne, Sophiensäle, Berliner Feststpiele und des Deutschen Theaters. Dazu gabs eine Veranstaltung der Freunde der Schaubühne.

01.05.15 - Richard III (William Shakespeare // Regie: Thomas Ostermeier // Schaubühne)
Revisited! Im "Globe" habe ich Lars Eidinger als Richard III zum zweiten mal nach der Premiere gesehen. Wie erwartet, entwickelt er die Rolle weiter und improvisiert mehr. Was ich besonders am Globe mag, ist die familiäre Atmosphäre. Dadurch, dass man im Halbrund fast alle Zuschauer der unteren Ränge sehen kann, wird das Gefühl des gemeinsamen Erlebens eines Theaterabends verstärkt.

02.05.15 - I can be your hero baby (Performancegruppe Henrike Iglesias // Sophiensäle)
Textpassagen aus Germany's Next Topmodel werden Interviews mit Prostituierten gegenübergegestellt. Was damit ausgesagt werden soll, ist klar und keine neue Erkenntnis. Dazu kommen Zitate von bekannnten Feministinnen (Judith Butler, Laurie Penny u.a.). Auch das ist logisch und absehbar. Trotzdem macht der Abend in den Sophiensälen Freude und ich finde es erneut bedauerlich, dass hier die Stücke immer nur wenige Male gezeigt werden. Mit vielen Ideen und viel Mut der Darstellerinnen ist ein Stück entstanden, das hoffentlich noch viele (dann eben in anderen Städten) ansehen werden.

04.05.15 - Freunde treffen Künstler: Felix Römer (Freunde der Schaubühne)
Siehe Blogbeitrag vom 9.6.2015 zu dieser Veranstaltung!

05.05.15 - Von einem der auszog, weil er sich die Miete nicht mehr leisten konnte (Oper von Dirk von Lowtzow und René Pollesch // Volksbühne)
Mit dem Stück hat der Titel nichts zu tun. Das Wortspiel ist aber trotzdem lustig. Dass Pollesch und von Lowtzow, die schon lange befreundet sind, nun endlich in einem gemeinsamen Stück zusammengefunden haben, ist eine Freude. Bei der Oper, die der Kopf von Tocotronic komponiert hat, handelt es sich um Pop, eingespielt vom Filmochester Babelsberg. Im Text ist viel vom typischen Pollesch-Diskurs zu finden. Auch bei den Schauspielern bekannte Gesichter: Martin Wuttke und Lilith Stangenberg (deren Singstimme übrigens viel angenehmer als die Sprechstimme ist). Dazu kommt ein Kinderchor, mit dem die Schauspielerin singen darf. Wer Tocotronic mag und Pollesch liebt, ist hier im richtigen Stück!

10.05.15 - Theaterpreisverleihung an Corinna Harfouch (tt15 // Berliner Festspiele)
Kolleg/innen erweisen Corinna Harfouch ihre Ehre: Mit Texten, Lieder und Reden. Besonders bewegend ist Meike Drostes Totenlied mit Akordeonbegleitung aus "Idomeneus", das sich C.H. gewünscht hat. Sie will damit an Jürgen Gosch erinnern. Corinna Harfouch beschließt nach dem üblichen Reden-Marathon der Theaterpreisverleihung, ihre Rede nicht zu halten. 

14.05.15    Vorpremiere Bella Figura (Yasmina Reza // Regie: Thomas Ostermeier // Schaubühne)
16.05.15    PREMIERE Bella Figura (Uraufführung)
Yasmina Reza hat das Stück den Schaubühnen Schauspieler/innen auf den Leib geschrieben. Schon lange bestand seitens der erfolgreichsten Dramatikerin der Gegenwart der Wunsch, eines ihrer Stücke von Thomas Ostermeier inszenieren zu lassen. Verwendet hat sie bekannte "Zutaten": Zwei Paare (Nina Hoss und Mark Waschke, Stephanie Eidt und Renato Schuch), die aufeinander treffen und die sich mit ihren Problemen immer weiter in Diskussionen verwickeln, so dass die Probleme zum Vorschein kommen. Die Fassaden aus schicken Designerklamotten im Yuppi-Restaurant bröckeln schnell. Dazu kommt die verschrobene Mutter des einen Mannes (großartig Lore Stefanek!). Erwähnenswert, weil perfekt ausgewählt: Die Kostüme von Florence von Gerkan.

22.05.15 - Wengenroths Autorenklub - Ausgabe Neun: Maxim Gorki (Schaubühne)
Mit Robert Beyer, Laurenz Laufenberg, Sebastian Schwarz. Musik: Matze Kloppe
Für mich der bisher beste Autorenklub. Diesmal findet er wieder im "Globe" statt und es gibt Wodka, der auch mal umgetreten und verschüttet wird. Es wird zwischendurch kräftig nachgeschenkt - allerdings teilweise auch Wasser (man weiß es erst beim Probieren) - da die Gläser schnell vom Publikum geleert werden. Ob Sebastian Schwarz (als Anton Tschechow) auch Wodka und wenn ja, wie viel getrunken hat, ist unklar. Bei einem Schauspieler weiß man halt nie so genau, ob's vielleicht gespielt ist. Laurenz Laufenberg tritt als Wolfgang Joop auf und hat, sich wie ich finde den Habitus des Designers ziemlich gut abgeschaut. Die große schlanke Erscheinung passt dazu. Alle drei Schauspieler spielen die erste Szene aus "Nachtasyl" mit dreimaliger Wiederholung und bauen dabei noch eine Spitze gegen Lars Eidinger ein (Was bleibt, wenn alle anderen Hamlet spielen? Schau, die Wolken von Sülz Maria!").
In der Spielzeitzeitung wird ein Resümee gezogen. Es ist u.a. zu lesen, dass neben 14 Ensemblemitgliedern und 13 Gästen, 54 Kostüme zu sehen waren, Texte aus 140 Büchern vorgetragen wurden, 5 Flaschen Whiskey, 4 Flaschen Korn, 2 Flaschen Mezcal, 1 Flasche Tequila, 250 Flaschen Bier und 10 Liter Rotwein von Darstellern und Publikum konsumiert wurden. Außerdem fielen 3 Menschen in Ohnmaht, davon 2 Zuschauer und 1 Gast... ("Das alles kann Theater, wenn es live und lebendig ist. Und die gute Nachricht zum Schluss - der Wahnsinn geht weiter!"). Ob das Format in der nächsten Spielzeit fortgesetzt wird, ist noch ungewiss. Wir hoffen!

23.05.15 - Fabian oder Der Gang vor die Hunde (Erich Kästner // Regie: Peter Kleinert // Schaubühne)
Studierende der Ernst Busch Hochsschule für Schauspielkunst im 3. Jahr treten in jeder Spielzeit im Studio der Schaubühne mit einem Stück auf. In der Dramatisierung von Erich Kästners Roman "Fabian" wird das gezeigt, was viele Jugendliche in Berlin auch heute erleben: Das hecktische Suchen nach Spaß um jeden Preis - ohne Orientierung, rasend schnell und unaufhaltsam. Vor allem Hauptdarsteller Timocin Ziegler spielt überzeugend und mitreißend. Erneut ein eindrucksvoller Abend der Ernst-Busch-Schauspielschüler.

26.05.15 - Complexity of Belonging (Falk Richter & Anouk van Dijk // Gastspiel aus Melbourne// Schaubühne)
Zum fünften mal haben Richter und van Dijk (mittlerweile Intendantin der Chunky Move Company Melbourne) gemeinsam ein Stück erarbeitet. "Complexity of Belonging" hatte in diesem Jahr beim Melbourne Festival Premiere. Wieder treffen persönliche Geschichten auf politische und soziale Themen: Die titelgebende Zughörigkeit und die Frage nach der Identität bzw. Herkunft spielt bei den austratralischen Schauspielern und Tänzern eine große Rolle. Wie immer bei Falk Richter geht es aber auch um Beziehungen, Gender und Sexualität sowie Partnerschaft und deren Scheitern. Belonging wird zu longing. Vernetzung und soziale Medien fehlen ebensowenig. Das Theater von Falk Richter ist einmalig - bezeichnend u.a. die Nutzung des gesamten Bühnenraums und die langen, schnellen Monolge, die er seine Schauspieler sprechen lässt (besonders bemerkenswert der Schlussmonolog einer Schauspielerin, die 176 Eingenschaften aufzählt, die ein Mann haben muss). Mal wieder ein beeindruckender, bewegender Abend!

30.05.15 - Das Himbeerreich (Andres Veiel // Deutsches Theater)
Die Welt der Banker. Für sein Stück hat Andres Veiel mehr als 20 führende Banker interviewt und ist in seiner Recherche den Verbindungslinien zwischen den persönlichen Motiven und den gesellschaftlichen Strukturen im Finanzwesen gefolgt. Jeder der Protagonisten erzählt seine persönliche Geschichte, in der Erfolg und Scheitern oft dicht beieinander liegen. Die einzige Frau unter den Erzählenden bringt noch einen zusätzlichen Faktor mit ein: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die für Frauen ohnehin schwieriger ist. Nach 60 Vorstellungen wurde "Das Himbeerreich" am 30. Mai 2015 abgespielt.
Andres Veiel ist für seine Dokumentationen (u.a. "Die Spielwütigen" über vier Schauspielschüler/innen der Ernst Busch Hochschule für Schauspielkunst) und Dokumentarstücke bekannt. Für sein Stück "Der Kick", das die Ermordung eines 16jährigen Jungen durch Neonazis thematisiert, nutzte Veiel 1.500 Seiten Gesprächsprotokoll, die er mit Jugendlichen im brandenburgischen Dorf Potzlow führte. 

14. November 2014

Schöne Stimme & Schauspielschüler (Rückblick Oktober 2014)

10.10.2014    Backstage Ostermeier - Thomas Ostermeier stellt sein Buch in der Schaubühne vor, Eva Meckbach liest ausgewählte Passagen und Florian Borchmeyer moderiert...Erinnerungen an Gert Voss, Einblicke in die vielen Gastpiele im Ausland und die Reaktionen des Publikums, Tränen bei Ostermeier als ein Filmausschnitt eines Workshop zum Hamlet in Palästina gezeigt wird ("Ich weiß gar nicht, ob die Schauspieler dort noch leben. Was die dort erleben, kann man sich hier nicht vorstellen.")

12.10.2014    We are golden  - Eva Meckbach präsentiert einen Liederabend im Studio der Schaubühne... Die Schauspielerin schrieb 13 Briefe an Freunde und Fremde und bat sie je einen Song zurückzuschicken, den sie mit persönlichen Sehnsüchten verbinden. Daraus entstand "Thirteen notes about yearning". Sie interpretiert die Song neu und wird begleitet von den Musikern Claus Erbskorn und Thomas Witte. Ein Abend mit Joni Mitchell, Patti Smith, The Organ, Fink, Nina, Simone, Simon & Garfunkel uvm.

25.10.2014    Small Town Boy - Maxim-Gorki-Theater
...diese Inszenierung wurde kontroverse diskutiert und sehr verschieden angenommen. Was man wissen sollte: Die Figur im Stück, die das Plädoyer gegen Putin, Steinbach und andere hält, spiegelt nicht die Meinung des Autors und Regissuers (Falk Richter) wieder, sondern ist bewusst überzogen.

26.10.2014    Die heilige Johanna der Schlachthöfe - Schaubühne
....Erfolgsstück des Absolventejahrgangs 2013 der Ernst-Busch-Hochschule. Jede Spielzeit inszeniert Peter Kleinert (Dozent an der Hochschule) an der Schaubühne mit Schauspielschülern ein Stück. Auf diese Weise können sich die jungen Schauspieler an, die Bühne eines großen Stadttheaters gewöhnen. Normalerweise laufen diese Stücke etwa acht mal. Die "Johanna" ist allerdings so erfolgreich, dass sie mittlerweile über 50 mal lief.