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3. Januar 2018

Rückblick Dezember 2017: Liebe, Wut, Gewalt

Mein Rückblick des Theatermonats Dezember 2017.


03.12.17 Streitraum: "Gewalt und Gerechtigkeit" mit Édouard Louis (Schaubühne)

In seinem Roman »Im Herzen der Gewalt« erzählt der französische Autor Édouard Louis die Geschichte seiner eigenen Vergewaltigung nicht allein als furchtbare Erfahrung der Gewalt durch seinen Angreifer. Sondern er erzählt auch von der Art und Weise, wie die Justiz ihm diese Erfahrung Stück für Stück enteignet, wie sie, je häufiger er sie erzählen, begründen, rechtfertigen muss, weniger ihm als der Polizei, den Medizinern, den Ermittlungsbeamten gehört. Édouard Louis’ Roman führt ins analytische Zentrum der Fragen nach Trauma und Sprachlosigkeit, Gewalt und Gerechtigkeit – und nicht zuletzt zur Frage unserer gesellschaftlichen Verantwortung im Reproduzieren von gewaltförmigen Strukturen und Praktiken. (Auszug aus der Synopse auf der Seite der Schaubühne)

Edouard Louis habe ich in Manchester bei der Premiere von „Rückkehr nach Reims“ kennengelernt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits seinen ersten Roman „Das Ende von Eddy“ gelesen. Kurz darauf begab er sich weltweit auf Lesereise für sein zweites Buch „Im Herzen der Gewalt“. Wiedergetroffen habe ich ihn im Rahmen einer Lesung in der Autorenbuchhandlung im September 2017, ein weiteres mal im Streitraum bei Carolin Emcke zum Thema „Gewalt und Gerechtigkeit“. Louis, ein Schüler von Didier Eribon, ist so etwas wie der Shootingstar der französischen Literaturszene. Er ist einer der angenehmsten und freundlichsten Gesprächspartner, die ich kenne. Dankbarkeit für den in der Diskussion mit Thomas Ostermeier geäußerten Hinweis inbegriffen, dass Gewalt, wie sie in seinem Buch beschrieben wird, oft auch Frauen wiederfährt, und wie Frauen in vielen Situationen in Angst um sexuelle Übergriffe leben müssen.

Im Frühjahr 2018 wird in der Schaubühne eine Bühnenfassung des Buches (mit Laurenz Laufenberg und Renato Schuch, Regie: Thomas Ostermeier) zu sehen sein. 


05.12.17 Der gute Mensch von Sezuan von Bertolt Brecht / Musik von Paul Dessau (Schaubühne)

Koproduktion mit der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« Berlin

In jeder Spielzeit gibt es eine Produktion mit den Studierenden des 3. Studienjahr der Ernst Busch unter der Regie von Peter Kleinert. In der Sezuan-Vorstellung, die ich gesehen habe, durfte eine Schauspielerin wegen einer Stimmbandentzündung nicht sprechen. Kurzerhand übernahmen die Kolleg*innen ihren Text. Die Inszenierung funktionierte trotzdem, sogar gut. Ohnehin spielen alle Schauspieler*innen verschiedene Rollen. Wie gut das Zusammenspiel klappte, zeigte sich vor allem dann, als sie sich gegenseitig aushalfen, wo jemand den kurzfristig einstudierten Text der Kollegin nicht parat hatte. Gerade durch diese Improvisationen sammelten sie Sympathipunkte beim Publikum.

Frederik Rauscher, Mayla Häuser, Lea Ostrovskiy, Tiffany Köberich, Leander Senghas, Jan-Eric Meier (Foto: Gianmarco Bresadola)

Regie: Peter Kleinert   
Bühne: Céline Demars   
Kostüme: Susanne Uhl   
Musik: Hans-Jürgen Osmers   
Dramaturgie: Nils Haarmann   

Shen Te / Shui Ta: Laura Balzer    
Yang Sun, ein stellungsloser Flieger / Bruder Wung: Jan Bülow   
Erster Gott / Die Witwe Shin / Nichte: Mayla Häuser   
Wang, ein Wasserverkäufer / Schwangere Schwägerin: Jan Meeno Jürgens   
Zweiter Gott / Hausbesitzerin Mi Tzü / Kind: Tiffany Köberich   
Barbier Shu Fu / Neffe: Jan Eric Meier   
Dritter Gott / Frau Yang, die Mutter des Fliegers / Mutter: Lea Ostrovskiy   
Schreiner Lin To / Bonze / Großvater: Frederik Rauscher   
Arbeitsloser / Polizist: Leander Senghas   
Erzähler / Kellner / Vater: Lukas Walcher


12.12.17 Die Wiedervereinigung der beiden Koreas von Joël Pommerat (Berliner Ensemble)

Übernahme aus dem Schauspiel Frankfurt.

Nach Motiven aus Artur Schnitzlers "Reigen", Tschechows Einaktern und Ingmar Bergmans "Szenen einer Ehe" wird in Joël Pommerats Stück die Liebe beleuchtet. In 19 Szenen werden verschiedene Liebesgeschichten erzählt. Was bedeutet Liebe, wenn die Partnerin wegen ihrer Demenz den Partner nicht mehr erkennt und sich an die gemeinsame Vergangenheit nicht mehr erinnern kann? Wie geht man damit um, wenn geistig Behinderte lieben und ein Kind erwarten? Wie weit kann die Liebe zwischen einem Pfarrer und einer Prostituierten gehen? Lustig und traurig sind diese kleine Episoden und die Dialoge lassen einen oft an selbst erlebte Situationen erinnern. Ich fühlte mich häufig an Szenen aus Yasmina Rezas Stücken und Texten erinnert.

Regie: Oliver Reese
Bühne: Hansjörg Hartung
Kostüme: Elina Schnizler
Musik: Jörg Gollasch

Mit: Verena Bukal, Franziska Junge, Corinna Kirchhoff, Josefin Platt, Carina Zichner, Martin Rentzsch, Veit Schubert, Marc Oliver Schulze, Till Weinheimer)


16.12.17 Buchvorstellung: MIMOS Ursina Lardi (Schaubühne)

Ursina Lardi ist seit der Spielzeit 2012/13 Ensemblemitglied der Schaubühne. Wer sie noch nicht als Lenin in Milo Raus gleichnamigem Stück und in "Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs" gesehen hat, sollte dies bald nachholen. Sie rettet Thomas Ostermeiers "Die kleinen Füchse" in der Rolle der Birdie und ist wunderbar in "Die Ehe der Maria Braun." Falk Richters "For the disconnected child" (leider nicht mehr auf dem Spielplan) machte sie zu einem der größten Theatererlebnisse, die ich erleben durfte. Dass sie 2017 den Schweizer Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring, den wichtigsten Theaterpreis der Schweiz, erhielt, ist daher kein Wunder. Die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur widmete ihr daher den neuesten Band der Reihe »MIMOS. Schweizer Theater-Jahrbuch«, der mit Interviews und Beiträgen von u. a. Romeo Castellucci, Michael Haneke, Thomas Ostermeier, Milo Rau und Volker Schlöndorff Einblick in ihre Arbeit für Theater und Film gibt, und ihren eindrucksvollen Werdegang dokumentiert. Anlässlich der Buchpremiere sprach Ursina Lardi mit dem Theaterkritiker Andreas Wilink.Thomas Ostermeier hielt einführene Worte voll ehrlicher Bewunderung - ein schöner Moment!


Buchempfehlung: MIMOS 2017 Ursina Lardi


17.12.17 Die letzte Station von Ersan Mondtag (Berliner Ensemble)

Alte und Gebrechliche treffen aufeinander, singen und tanzen zusammen. Wie sieht das Ende des Lebens aus? Was ist am Übergang zum "Jenseits"? Ersan Mondtag versucht mit Tänzer*innen und Schauspieler*innen zu zeigen, was uns vor und nach dem Tod erwartet: Komisch und traurig zugleich. "Die künstlerische Handschrift von Ersan Mondtag bewegt sich zwischen Performance, großer Oper, Sprechtheater und darstellender Kunst."

Regie: Ersan Mondtag
Bühne/Video: Stefan Britze
Kostüme: Raphaela Rose
Musik: Diana Syrse
Mit Constanze Becker, Judith Engel, Peter Luppa, Laurence Rupps, Ty Boomershine, Brit Rodemund, Christopher Roman, Jone San Marin, Frederic Tavernini.

Weitere Infos auf der Seite des BE.


18.12.17 Prima Vista Lesung mit Tilo Nest (Berliner Ensemble)

Ich habe bereits einen Bericht über diesen tollen Abend verfasst.


22.12.17 Wut von Elfriede Jelinek (Deutsches Theater)

Welche zerstörerische Wut steckt dahinter, wenn Menschen Attentate verüben? Warum kommunizieren Menschen nicht mehr, sondern äußern ihre Verzweiflung, Ohmacht und Angst durch Gewalt? Vor dem Hintergrund des Überfalls auf die Redaktion von Charlie Hebdo im Jahr 2015 stellt Jelinek in ihrem Stück diese Fragen und lässt Figuren aus der griechischen Mythologie sowie Wutbürger sprechen. Dank dem furiosen Auftreten der Schauspieler*innen (Andreas Döhler, Sebastian Grünewald, Linn Reusse, Anja Schneider, Sabine Waibel) wird der Abend zu einem tobenden und tosenden Abbild dessen, was im Inneren vieler steckt.

Regie: Martin Laberenz
Bühne: Volker Hintermeier
Kostüme: Aino Laberenz
Musik: Bernhardt.
Video: Daniel Hengst


27.12.17 Die Blechtrommel nach dem Roman von Günther Grass (Berliner Ensemble)

Fulminate One-Man-Show des Schauspielers Nico Holonics als Trommler Oskar Matzerath. Der Roman von Günther Grass gilt als Meilenstein der deutschen Nachkriegsliteratur. In dieser Fassung wird die Geschichte nicht nur aus der Sicht der Hauptfigur erzählt, sondern Oskar auch zur einizigen Figur auf der Bühne erkoren - zusammen mit unzähligen Blechtrommeln als Bühnenbild.

Übernahme der Inszenierung von Oliver Reese aus dem Schauspiel Frankfurt.

Regie: Oliver Reese
Bühne: Daniel Wollenzin
Kostüme: Laura Krack
Musik: Jörg Gollasch

5. Juni 2017

Rückblick April & Mai 2017: Künstler*innen treffen und verabschieden


APRIL
26.04.17 Diskussionsveranstaltung zur Wahl in Frankreich (Schaubühne)

Entscheidung in Frankreich. Vor der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen diskutierten in Berlin lebende französische Journalist*innen (Daniel Cohn-Bendit, Pascale Hugues, Hélène Kohl und Elise Graton). Es moderierten Andreas Fanizadeh und Tania Martini (taz-Kulturredaktion).

Es ging nicht nur um Trends, Ergebnisse, Einschätzungen zur Wahl in Frankreich sondern auch darum, wie sich das Ergebnis auf die Demokratie in Europa, die Zusammenarbeit über Grenzen hinaus, die freie Presse und die soziale Gerechtigkeit auswirken könnte sowie um eine Bewertung des Abschneidens der französischen Rechten.

Eine Koproduktion von taz.die tageszeitung und Schaubühne Berlin.


28.04.17 Freunde treffen Künstler: Christoph Gawenda (Freunde der Schaubühne)

Die Freunde und Freundinnen der Schaubühne trafen sich mit dem Ensemblemitglieder Christoph Gawenda, um mit ihm über seine schauspielerische Laufbahn zu sprechen und Einblicke in seine Arbeit an der Schaubühne zu bekommen. Christoph hatte sich zwischen Auslandsgastspielen, Vorstellungen und Fotoshooting Zeit für den Freundeskreis genommen hat.

Ein Fotobericht hierzu ist auf der Seite der Freunde der Schaubühne zu finden.

Christoph Gawenda in "Angst essen Deutschland auf" von Patrick Wengenroth
    hier mit Jule Böwe und Lucy Wirth (Foto: Heiko Schäfer)


MAI      
10.05.2017 Angélica - Una tragedia (Schaubühne)

Dokumentarfilm über Angélica Liddell von Manuel Fernández-Valdés

Hätte ich diesen Dokumentarfilm über Angélica Liddell gesehen, bevor ich ihr aktuelles Stück "Toter Hund in der Chemischen Reinigung: Die Starken" gesehen habe, hätte ich dieses vermutlich anders wahrgenommen. Manuel Fernández-Valdés hat die spanische Schauspielerin, Regisseurin und Performerin Angélica Liddell bei den Proben zu "Todo el cielo sobre la tierra (El síndrome de Wendy)" im Frühjahr 2013 begleitet. Liddell nutzt dabei Elemente aus Peter Pan, verknüpft diese mit der realen Geschichte des norwegischen Massenmörders Anders Behring Breivik und lässt chinesische Walzertänzer*innen sowie einen deutschen Philosophistudenten auftreten. Außerdem rechnet sie in einem Monolg mit ihren Geschlechtsgenossinen ab. Gezeigt wird eine Künstlerin, die sich gemeinsam mit einem chinesischen Schauspieler zu "House of the rising sun" in Trance tanzt, die sich mit dem deutschen Schauspieler einen Kampf um einen deutschen Satz liefert, die einen Monolog wie eine Rasende spricht, die von ihren Schauspieler*innen fordert bis an viele Grenzen zu gehen. Außerdem liefert sie - im Film in Schriftform eingeblendet - Einblicke in ihr Inneleben. Angélica Liddell verbindet ihr Privatleben mit ihrer Kunst, drückt Ängste und Wut aus. Oft erinnert sie mich an Marina Abramovic. Manchmal meint man zu verstehen, was in ihr vorgeht. Manchmal ist man ratlos, was sie ausdrücken möchte. Faszinierend und berührend ist diese Persönlichkeit. - Sollte ich "Toter Hund" noch mal eine Chance geben? - Durch eine eigentlich unbedeutende Auseinandersetzung musste F.-V. seine Filmarbeiten und damit die Probenbegleitung unterbrechen. Auch hier zeigt sich die Eigensinnigkeit von Liddell. Erst kurz vor der Premiere versöhnten sich die beiden wieder und er durfte - wenn auch mit Einschränkungen - weiter filmen.


18.05.17 Ausstellungseröffnung: Enjoy the Journey - Fotos von Robert Beyer (Schaubühne)

In der ehemaligen Universum Lounge neben dem Kassenfoyer
vom 19. Mai bis 25. Juni 2017
Täglich von 11 bis 20 Uhr geöffnet
Eintritt frei

Aus der Ausstellung "Enjoy the Journey":
Lars Eidinger, Gastspiel »Richard III.«, Avignon 2015
(Foto: Robert Beyer)


Robert Beyer, Ensemblemitglied seit 1999, hat über zehn Jahre seine Kolleg*innen sowie das Leben vor und hinter der Bühne auf Gastspielreisen der Schaubühne dokumentiert, Portraits, die zwischen Privatheit und Selbstdarstellung changieren. Auch Bilder der Architektur der besuchten Städte sind zu sehen.

Gezeigt wird eine Auswahl von 60 Bildern, darunter Aufnahmen der Gastspielreisen nach Sydney (2010), Jerusalem (2011) und Ramallah (2012).

Alle Fotografien, die in der Ausstellung zu sehen sind, werden im Original (in einer Auflage von 5 Stück) verkauft:
22 x 14,5 cm, ohne Rahmen: 40 Euro
22 x 14,5 cm, mit Rahmen: 50 Euro
45 x 30 cm, ohne Rahmen: 70 Euro
45 x 30 cm, mit Rahmen: 100 Euro
74 x 79 cm, ohne Rahmen: 150 Euro
74 x 79 cm, mit Rahmen: 200 Euro

Wer ein Bild kaufen möchte, kann sich unter presse@schaubuehne.de an Maria Hartmann wenden.


19.05.17 revisited thisisitgirl von Patrick Wengenroth (Schaubühne)

Zum 5ten mal habe ich diese Inszenierung gesehen. Hier mein Bericht.
 

26.05.17 Faust (Volksbühne)
Die letzte große (und vor allem großartige) Inszenierung von Frank Castorf! Wunderbare sieben Stunden mit allen Volksbühnen-Lieblingen: Alexander Scheer, Sophie Rois, Martin Wuttke, Lilith Stangenberg, Marc Hosemann, Valery Tscheplanowa, Sir Henry uva.

"Das Männliche ist das Vergängliche."- Und weil wir alle wissen, dass dieser Abend einer der letzten mit diesem Ensemble und einer Volksbühne in dieser Art und Form ist, schwanken wir zwischen Euphorie und Wehmut. Diese sieben Stunden waren nie langweilig, sondern eine große Freude. Die Schauspieler*innen haben zum (fast) letzten mal auf dieser Bühne gezeigt, was die Volksbühne ist und nach dem Ende dieser Spielzeit vielleicht nie mehr sein wird.

Danke und auf Wiedersehen!

Mit: Martin Wuttke (Faust), Marc Hosemann (Mephistopheles), Valery Tscheplanowa (Margarete und Helena), Alexander Scheer (Lord Byron und Anaxagoras), Sophie Rois (Die Hexe), Lars Rudolph (Doktor Wagner), Lilith Stangenberg (Meerkatze Satin), Hanna Hilsdorf (Homunculus), Daniel Zillmann (Monsieur Bordenave, directeur du Théâtre des Variétés), Thelma Buabeng (Phorkyade), Frank Büttner (Valentin), Angela Guerreiro (Papa Legba und Baucis), Abdoul Kader Traoré (Baron Samedi & Monsieur Rap rencontrent Aimé Césaire) und Sir Henry (Der Leiermann)

Regie: Frank Castorf
Bühne: Aleksandar Denic
Kostüme: Adriana Braga
Licht: Lothar Baumgarte
Kamera: Andreas Deinert, Mathias Klütz
Videoschnitt: Jens Crull, Maryvonne Riedelsheimer
Musik/Ton: Tobias Gringel, Christopher von Nathusius
Tonangel: Dario Brinkmann, Lorenz Fischer, William Minke, Cemile Sahin
Dramaturgie: Sebastian Kaiser

22. Oktober 2016

Max Penthollow schreibt mir // Kapitel 17: "Die Zeit aus den Fugen" (Podiumsdiskussion an der Schaubühne)

Wenn es gut werden muss!

Am Mittag des gleichen Tages habe ich Carolin Emckes Streitraum besucht. Thema: Kosmopolitismus und Menschenrechte. Carolin Emcke äußerte, dass Sie sich große Sorgen darüber mache, wo heute überhaupt noch Demokratiebildung stattfinde. Ihre Hoffnungen setze sie ins Theater. Diese Idee, was Theater leisten kann, im Kopf ging ich in den Diskussionsabend an der Schaubühne. 

Insgesamt hatte ich von diesem Abend etwas anderes erwartet. Mehr Einblicke in die Möglichkeiten, die Theater hat. Leider ist die Diskussion zu stark in Erklärungsversuche über die Gründe für das Erstarken der AfD abgedriftet. Das wäre vielleicht nicht so schlimm gewesen, wenn die Diskutant/innen dabei nicht immer wieder die Frage „Wozu spielen?“ aus den Augen verloren hätten.

Mir fällt es schwer, den Abend und die Ergebnisse der Diskussion zu bewerten.

Max hat es dennoch versucht und hier sind seine Gedanken zu dem Abend.

Max Penthollow schreibt mir...

Jeden Tag geschehen Dinge in der Welt, die wir nicht verstehen. Wir müssen es aber versuchen!*

(*Werbeslogan für den "Stern" aus den 1980er Jahren)

"Die Zeit ist aus den Fugen…" - wozu spielen?

Diskussionsabend in der Schaubühne am Sonntag, 16. Oktober 2016, 20:30 Uhr, mit Thomas Ostermeier, Ulrich Matthes, Maxi Obexer, Falk Richter
Moderation: Peter Claus, Kulturradio (rbb)

Liebe Maren,

gestern waren wir beide bei der Podiumsdiskussion in Saal C in der Schaubühne, hier sind meine Eindrücke und Gedanken dazu:

"Die Zeit ist aus den Fugen" ist ein Zitat aus "Hamlet" von William Shakespeare. "The time is out of joint!"

Die Zeit war und ist schon immer aus den Fugen! Und die Menschen haben immer Kunst gemacht und sich in der Kunst mit den Dingen in ihrer Welt beschäftigt und darstellende Kunst und Theater und Performances gemacht. Seit 2400 Jahren und Aischylos ist es belegt und wir wissen es genau!

In 85 Generationen Homo sapiens seit Homer ist unsere Spezies in 2800 Jahren (bei angenommenen 3 Generationen pro 100 Jahre) genetisch gleich geblieben. Die Menschen waren gegenüber ihren Mitmenschen zu allen diesen Zeiten und in den Zeiten davor liebevoll, fürsorglich und solidarisch - so wie heute - und genauso auch immer – auch massenweise – aggressiv, mörderisch und grausam - so wie heute. In diesem Sinne war und ist die Zeit und die Welt schon immer aus den Fugen - oder eben auch nicht!

Wozu spielen? Ich sehe es so: weil sie spielen müssen! Weil die Menschen immer Theater gemacht haben! Aus Leidenschaft! Und wozu? Und wozu noch? Um Spaß zu haben oder um die Welt zu verändern, um andere Menschen aufzurütteln, als Getriebene, aus Besessenheit und Lust am Spielen, zur Selbstverwirklichung, für Anerkennung und Bewunderung, für den eigenen Narzissmus, um zu zeigen, was sie können, um die Leidenschaft für das Theater und die Darstellende Kunst mit anderen Menschen zu teilen, um ihren KönigInnen treu zu dienen, um Geld und Lebensunterhalt zu verdienen, zum Lachen und zum Weinen und zum Heulen. Aus Lust und Leidenschaft, apollinisch und dionysisch!

So verstehe ich das Thema!

In Marius von Mayenburgs Schaubühnen-Übersetzung sagt Hamlet: "das ist nicht und wird niemals gut!" Und Hamlet sagt: "die Zeit ist ganz verrenkt, wie gut, dass ich geboren wurde, um sie wieder einzurenken!"

Hamlet hat die Zeit nicht eingerenkt!

Der Diskussionsabend war nach meinem Empfinden von einem gewissen Interesse. Gesellschaftliche und politische Gegenwart in munterer Erörterung waren thematisch die Hauptlast des Schwerpunkts des Abends. Vom Podium aus und aus dem Publikum wurden Meinungen, Ansichten und Haltungen geäußert und dargestellt. Die KünstlerInnen stellten zum Teil ihre Projekte dar und sprachen über ihre Arbeit und ihre Arbeiten und ihre Visionen. Aus dem Publikum kam zu einigen Äußerungen Zustimmung in Form von Klatschen. Das Publikum war gut einbezogen und applaudierte nach einer ausführlichen Veranstaltung nach annähernd zwei Stunden am Schluss länger.

Hamlet sagt: "das ist nicht und wird niemals gut!"

Liebe Maren, wir wollen trotz allem weiter versuchen, alles so zu machen, dass es gut wird!

Allerliebst

Max