27. September 2009

Zwischen Schein und Sein: "John Gabriel Borkmann" (Schaubühne)

"John Gabriel Borkmann" in der Inszenierung von Thomas Ostermeier an der Schaubühne zeigt Emotionen auf der Bühne und erzeugt Emotionen beim Zuschauer.

Wütend macht einen die Arroganz von Borkmann gegenüber seinen Mitmenschen und die Uneinsichtigkeit in Bezug auf die eigene Schuld. Mitleid hingegen erzeugt die Unfähigkeit des alternden Geschäftsmanns, Liebe anzunehmen und der Moment, in dem er bereit ist, sich aus der Isolation wieder unter seine Mitmenschen zu begeben und vom eigene Sohn zurückgestoßen wird.

Die Rolle des John Gabriel Borkmann spielt Josef Bierbichler und er tut dies so überzeugend, dass man sich permanent fragt, was Schein und was Sein, wo der Unterschied zwischen Rolle und Schauspieler ist. Und so ist man auch bei der Darstellung der Figur Borkmann durch den Schauspieler Bierbichler permanent zwischen Zu- und Abneigung hin- und hergerissen.

Fazit: Ein Stück, das Dank des großartigen Hauptdarstellers nachhaltig beeindruckt.

7. September 2009

Weniger ist mehr: "Entführung aus dem Serail" (Staatsoper unter den Linden)

Wenn Theaterregisseure Opern inszenieren, ist das für den "geübten" Theatergänger ein sehr zu begrüßender Umstand. Wer eher eine Affinität zum Sprech- als zum Musiktheater hat, kann dann auch eine Oper bis ins Detail genießen. Ich gehe gerne in die Oper, doch wird mir der Genuss leider manchmal etwas dadurch getrübt, dass viele Operndarsteller schauspielerisch nicht das leisten können, was ich aus dem Theater gewohnt bin. Das sogenannte Overacting, das vielen Sängern eigen ist, mag dem Genre zwar imanent sein (große Gesten gehören nun mal zur Oper), aber es macht eben mehr Spaß, wenn die Darsteller nicht nur gut singen, sondern auch gut spielen. So gesehen in der "Entführung aus dem Serail" in der Staatsoper unter den Linden, inszeniert von Michael Thalheimer.

Thalheimer holt schauspielerisch das Optimum aus den Darstellern heraus. Zudem durchmischt er den deutschen Originaltext mit englischen, italienischen und russischen Sätzen und schafft so eine moderne Interpretation der "Entführung aus dem Serail". Darüber hinaus entlarvt er Stereotypen, indem er die Figuren in Mozarts Singspiel beinahe marionettenhaft agieren lässt. Thalheimers Figuren ziehen sich an und stoßen sich wieder ab, treten sich manchmal ganz und gar körperlich gegenüber, um schließlich doch nicht zueinander zu finden, weil sie es nicht können oder wollen. All das ist höchst nachvollziehbar: Letztlich steht jeder für sich auf der leeren Bühne. Dazu passt die puristische Kulisse, die Thalheimers Bühnenbildner Olaf Altmann (ebenfalls ein renommierter Theatermann) entworfen hat. Wände und Böden sind schwarz, von den einzigen Requisiten, vier Stühlen, geht Gefahr ("Martern aller Arten" und Gefangenschaft) aus. Stimmungen und Szenenwechsel werden allein durch Licht und die sich auf und ab bewegende zweite Bühnenebene erzeugt.

Bleibt noch zu betonen, dass auch die gesanglichen Qualitäten der Darsteller mehr als überzeugen, um operninteressierten Theatergängern einen Besuch von Thalheimers "Entführung" schmackhaft zu machen.