10. Juli 2019

Revolution mit Mediation: Über eine "Volksfeind"-Vorstellung an der Schaubühne

Dafür gehe ich ins Theater. Und deswegen kann ich mir ein Stück wie Ein Volksfeind auch zum 5., 6. oder 7. mal ansehen.

Bei einer der letzten Vorstellung der Spielzeit 2018/19 nahm die Diskussion, die nach Stockmanns (Christoph Gawenda) Rede auf der Bürger*innenversammlung folgt, eine besondere Wendung.  Nach einigen Wortmeldungen und der üblichen Kritik am Verhalten des Stadtrats und des Zeitungsverlegers meldete sich eine Dame und schlug vor, die Diskussion moderiert weiterzuführen. David Ruland in der Rolle es Verlegers Aslaksen merkte an, dass er dies ja versuche. Die Dame gab daraufhin zu bedenken, dass er aufgrund seiner persönlichen Interessen nicht die richtige Person dafür sei. Sie folgte der Einladung, auf die Bühne zu kommen und das Gespräch zu führen. Sie stellte sich als Mediatorin vor und leitete eine Situation ein, in der beide Parteien, die Möglichkeit hatten, ihre Punkte ruhig und ohne Unterbrechungen darzulegen. Wären wir nicht mitten in einem Stück sondern einer realen Situation gewesen, wäre das die ideale Situation gewesen, um mit einer geführten Diskussion durch eine neutrale Person verschiedene Aspekte des Problems zu beleuchten. Es wäre sicherlich spannend gewesen, zu beobachten, in welche Richtung das Gespräch läuft. Doch da das Stück weitergehen musste – wir befanden uns halt doch „nur“ im Theater – wurde die Dame nach wenigen Minuten von der Bühne geleitet. Dennoch zeigt sich hier, insbesondere bei einer Inszenierung wie der „Volksfeind“ , was Theater möglich macht. Kein Abend ist gleich, über die Handlung und Konflikte denkt vermutlich niemand aus dem Publikum das selben und je nach Tagesgeschehen sowie aktueller politischer Situation, kann man die von den Schauspieler*innen gesprochenen Texte unterschiedlich bewerten.

Deswegen bleibt Theater für mich immer spannend und ich empfehle jedem*jeder, sich eine Inszenierung mehr als einmal anzusehen.

Christoph Gawenda als Dr. Stockmann (Foto: Arno Declair)