19. Dezember 2011

Im Männerknast: Premiere „Edward II“ von Christopher Marlowe (Schaubühne)


Gedanken und Gefühle sortieren nach diesem Stück, das mich wahnsinnig berührt hat. Ein Inszenierung deren Bilder und Eindrücke einem nicht so schnell aus dem Kopf gehen.

Edward II, König von England ist verliebt in den Emporkömmling Gaveston und ignoriert von seinem Liebestaumel verblendet die bevorstehende Gefahr (England ist von Feinden umzingelt). Er kommt seinen Pflichten als Herrscher nicht mehr nach und verliert zunehmend an Autorität. Eine Gruppe von Edelmännern will Gaveston beseitigen. Die Motive sind dabei unterschiedlich: Während der Anführer Mortimer für sich Karriere- und Aufstiegschancen wittert und obendrein mit der verstoßenen Königin anbandelt, geht es Edwards Bruder Kent darum, die Ordnung wieder herzustellen.

Ivo van Hove verlegt die Handlung von Edward II (Christopher Marlowe) in ein Gefängnis und besetzt das Stück durchgehend mit Männern. Machtkämpfe und Gewalt sind hier an der Tagesordnung und über den Knastzellen, die von je einem Mann bewohnt werden, hängt eine Videoleinwand auf der Bilder aus den Zellen oder dem hinteren Bühnenbereich gezeigt werden. Als Gefängniswärter überblickt Leicester von seinem Büro aus die Geschehnisse in den Zellen und führt schließlich auf Anweisung Hinrichtungen durch.

Gaveston stört die Männer in ihrer Ordnung und ihrem Standesdünkel und muss beseitig werden. Nicht an der Homosexualität des Königs stören sie sich – diese wird von allen Insassen praktiziert (zusätzlich hat Ivo van Hove die einzige weibliche Rolle ebenfalls mit einem Mann besetzt). Eifersucht und die Angst, jemand von unangemessenem Stand könne von der Gunst des Königs profitieren, treibt sie an.

Um an dieser Stelle zwei schauspielerische Leistungen zu hervorzuheben: Stefan Stern überzeugt als Edward in seiner Hingabe an seinen Geliebten Gaveston (Christoph Gawenda) sowie seiner Verzweiflung über dessen Tod und dem folgenden Verfall. Aus dem Ensemble sticht außerdem Kay Bartholomäus Schulze als verstoßene Königin Isabella heraus. Der schwierige Text scheint wie für ihn geschrieben zu sein – einen anderen Schauspieler kann man sich in dieser Rolle in dieser Inszenierung nur schwer vorstellen.

Kaum eine Minute bleibt dem Zuschauer, um sich zu erholen. Die an die Nieren gehenden Gewaltszenen werden verstärkt durch die Verdopplung auf der großen Videoleinwand. Das intensive sehr körperliche Spiel der Schauspieler – oft finden zudem Handlungen parallel auf der Bühne statt – gewährt einen tiefen Einblick in die Seelen der Figuren. Noch nicht mal zwischen den Szenen, wenn die Bühne dunkel wird, bleibt Zeit, um das Gesehen sacken zu lassen, denn auf dem Bildschirm werden zwischen den Szenen die Themen (Politik, Verrat, Homosexualität…) des Stückes mit einem Donnerschlag eingeblendet. Die Schlussszene, in der Leicester nach getaner Arbeit und der Durchführung aller Morde, den Weg nach Hause antritt, wo er von seiner Frau mit dem Abendessen empfangen wird, führt einem noch einmal die Kaltblütigkeit im Stück vor Augen. Soeben wurden sechs Menschen niedergemetzelt und schon sind sie Geschichte, man geht zur Tagesordnung über.

Wenn ich die Nachtkritik und die Kritikerrundschau lese, frage ich mich, ob ich das selbe gesehen habe, wie die meisten Kritiker. Natürlich gibt es unterschiedliche Geschmäcker. Aber kann man eine Inszenierung so unterschiedlich auffassen?

Infos zum Stück auf der Seite der Schaubühne.

Foto: Jan Versweyveld

7. Dezember 2011

Raum für Schauspieler: "Kinder der Sonne" von Maxim Gorki (Deutsches Theater)

"Kinder der Sonne" wurde kürzlich von der Berliner Theatergemeide zur Aufführung des Jahres gewählt. Und im Oktober erhielt Stephan Kimmig den Faust-Preis für seine Inszenierung. Dabei lebt das Stück vor allem von den guten Schauspielern, von den Dialogen, vom Text. Das Identifikationspotential mit den Figuren ist groß. Leicht lässt es sich in die Situationen, in denen sich die Figuren befinden, hineinfühlen. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum das Stück ein solch großer Erfolg am Deutschen Theater ist. Warum es insbesondere für seine Regieleistung ausgezeichnet wurde, bleibt vor diesem Hintergrund etwas unklar. Aber vielleicht ist genau das der Regie-Trick: Den Schauspielern (u.a. Nina Hoss, Ulrich Matthes, Olivia Gräser/Katharina Schüttler) Raum geben sich entfalten zu können, ihnen die Möglichkeit geben, ihr Können voll auspielen zu können. Es ist eine Wohltat ihnen dabei zuzusehen, allen voran Alexander Khuon. Auf jeden Fall hat Stephan Kimmig da etwas Tolles für das Publikum geschaffen.

In Gorkis Stück lässt tritt die sogenannte "Intelligenzija" auf - ein Wissenschaftler (Ulrich Matthes), ein Künstler (Sven Lehmann) und ein Tierarzt (Alexander Khuon). Diese Menschen sind in ihre Welt so stark eingebunden, dass sie, obwohl sie sich moralisch verantwortlich fühlen, nicht im Stande sind zu handeln. Ich empfehle in diesem Zusammenhang das Programmheft zur Inszenierung. Hierin finden sich sieben Interviews mit Personen, die die Themen, Figuren und Empfindungen in Gorkis Stück wiederspiegeln. Ein Tierarzt, der das Theater liebt, eine Dozentin, ein Genetiker, eine Architektin, die von der unerwiedertern Liebe zu ihrem Chef spricht (sehr berührend!) u.a.

Weitere Infos auf der Seite des Deutschen Theaters

25. November 2011

Eine Reise ins Innere: "Winterreise" von Elfriede Jelinek (Deutsches Theater)

Drei Stunden Jelinek könnten anstrengend werden. Und die Themen im Stück sind keine leichte Kost: Die Demenzerkrankung der Vaters, die übermächtige Mutter, der Fall Natascha Kampusch, an dem die Autorin ihren eigenen seelischen Zustand festmacht, und die zunehmende Fokussierung auf Sexualität im Internet. Es braucht jedoch nur wenige Minuten, um sich auf den Text einzulassen, der in wechselnden Monologen von den fünf Schauspielerinnen (Annette Paulmann, Maria Schrader, Susanne Wolff, Judith Hofmann, Anita Vulesica) gesprochen wird. Es gibt so gut wie keine Dialoge, aber gerade das macht es so erträglich – die Worte und Sätze klingen wie ein Musikstück und unterliegen einem Rhythmus, auf den man sich einlassen kann. Dabei befreit man sich davon, jeden Gedankengang, der hier vorgetragen wird verstehen zu müssen. Oft nimmt man eine bestimme Atmosphäre, ein Gefühl mit. Das alles ist nicht zuletzt den starken Schauspielerinnen - da hat Andreas Kriegenburg (Regie) die perfekte Wahl getroffen - zu verdanken, die die unglaubliche Textmenge für das Publikum zu einem ganz besonderen Erlebnis machen.

Weitere Infos zur Inszenierung auf der Seite des Deutschen Theaters.

14. November 2011

Du wirkst etwas verhaltensauffällig: "Perplex" von Marius von Mayenburg (Schaubühne)

Wenn vier Schauspieler über ihre Rolle auf der Bühne erzählen und dabei von einer in die nächste Wechseln, ohne dass sich genau festlegen lässt, wann die Szene und die Rolle wechselt, dann ist das Perplex.

In dem Stück von Marius von Meyenburg spielen sich Eva Meckbach, Judith Engel, Robert Beyer und Sebastian Schwarz selbst. Oder vielleicht doch nicht? Sie spielen Eva, Judith, Robert und Sebastian, die verschiedene Rollen spielen in wechselnden Paarungen. Der Übergang von einer Szene in die nächste, der Wechsel von einer Rolle in eine andere ist dabei fließend. Beim Zuschauer entwickelt sich freudige Erwartung auf die die nächste Figur, die nächste Konstellation („Das ist in jedem Vier-Personen-Stück so: Beischlaf mit Partnertausch und anschließender Depression.“) Immer kann mindestens eine Person, die Szene nicht steuern, weil die anderen längst bestimmt haben, wohin es gehen soll.

Das Stück steckt voller Anspielungen auf die Arbeit am Theater, auf Klischees, auf Situationen, die Schauspieler seit Jahren kennen. So erklärt Judith, wie es ist, wenn sich die Schauspieler in ihren Rollen im Stück eben noch gegenseitig umbringen wollten und in der nächsten Minute, wenn das Licht aus und wieder angeht, rücksichtsvoll den umgefallenen Stuhl aufheben, der in der vorigen Szene umgestoßen wurde: „Immer hebt einer den Stuhl auf.“ Und als ob sie das unterstreichen wollten, schiebt einer der Schauspieler am Ende des Stückes vor der Verbeugung die soeben auf der Bühne verteilten Polster beiseite, damit die Kollegen nicht darüber stolpern. Unbewusst oder absichtlich?

Und auch der geübte Theaterzuschauer wird angeschubst. Wenn Eva Sebastian unterbricht, der in einer typischen Szene (alle sind von der Bühne verschwunden und jetzt mache ich mir ein Bild von der Situation) zu einem Monolog ansetzt: „Wir hatten doch gesagt, wir machen keine Monologe mehr“ führt das dazu, dass man sich, von der antrainierten Erwartung frei macht, dass jetzt einer die Bühne für sich hat. „All by myself“ singt Sebastian stattdessen.

„Perplex“ ist ein ständiger Identitätswandel – genau wie Schauspieler es täglich erleben, wenn sie jeden Abend in eine andere Rolle schlüpfen - und am Ende bleibt nicht nur die Erkenntnis, dass bei diesem Stück irgendwie kein Regisseur anwesend war, sondern auch die Frage „Aber wer hat mich den eigentlich besetzt?“ .

Weitere Infos und Trailer auf der Seite der Schaubühne.


Foto: Tania Kelley

9. November 2011

Freunde der Schaubühne: Einführung in "Eugen Onegin"

Das erste Treffen der Freunde nach Venedig. Kaum zu glauben, dass es erst einen Monat her ist, seit wir im T-Shirt über den Lido gelaufen sind, denn heute hat definitiv die kalte Jahreszeit begonnen. Draußen ist es nebelig, wir versammeln uns im Café der Schaubühne für ein weiteres kleines aber feines gemeinsames Theatererlebnis. Carola Dürr (Dramaturgin) und Elena Zykova (Bühne) geben uns eine Einführung in „Eugen Onegin“.

Bei „Eugen Onegin“, den meisten von uns besser als Oper bekannt, handelt es sich eigentlich um ein Versepos von Alexander Puschkin. Der russische Nationaldichter schrieb den „Roman in Versen“, wie er seinen Text selbst nannte, zwischen 1823 und 1830.

Der lettische Regisseur Alvis Hermanis, von dem schon einige Gastspiele an der Schaubühne zu sehen waren, setzt den Text mit nur fünf Schauspielern (Robert Beyer, Eva Meckbach, Sebastian Schwarz, Tilman Strauß, Luise Wolfram) für das deutsche Publikum um. Ursprünglich kommen insgesamt ca. 100 Personen vor.

Auf der Bühne (bzw. dem Model des Bühnenbilds) wimmelt es nur so von Requisiten und es liegen zig Bücher herum. Optisch erfordert diese Inszenierung also schon mal erhöhte Aufmerksamkeit.

Modern wird diese Inszenierung bewusst nicht. Carola Dürr erklärt, dass die Kostüme im Stück, der Originalkleidung der Zeit stark nachempfunden wurden und dabei sogar darauf geachtet wurde, dass möglichst Originalstoffe verwendet werden. Die Frauen tragen Korsette. Die Männer auch. Überhaupt wird bei der Inszenierung großen Wert darauf gelegt, alles möglichst nah am Alltag der Menschen des 19. Jahrhunderts in Russland zu gestalten.

Die Premiere findet am 25. November statt. Weitere Infos zum Stück auf der Seite der Schaubühne.

27. Oktober 2011

Mit Capri-Sonne im Scout Ranzen auf Terroristenjagd: "Zack 'n' Dave" (Schaubühne)

"Das wird ein linger Ratt!" prophezeit Zack mit ernster Miene, bevor er sich mit seinem Partner Dave auf die bereitstehenden Holzpferde schwingt. Spätestens jetzt ist es um die Contenance der meisten Zuschauer geschehen. Die Krimisoap "Zack 'n' Dave" im Studio der Schaubühne lebt zu einem großen Teil von derlei Quatsch-Wortspielereien und davon, die bekannten Krimiserien der 80er Jahre gehörig auf die Schippe zu nehmen. Wem möchte man den halbseidenen US-Bullen, der keine Karte lesen kann, lieber abkaufen als Sebastian Schwarz (Zack Black). Gemeinsam mit David Ruland (Dave Quietland -total irre mit Scout Ranzen, in dem die Capri-Sonne ausläuft, so dass die beiden Helden schrecklichen Durst erleiden müssen) hat er die Serie "Zack 'n' Dave"konzipiert hat. Hinzu kommen Kurzauftritte von Schaubühnenkollegen auf der Leinwand (Thomas Thieme, Jörg Hartmann), eine überdrehte deutsche Familie auf Urlaub in der Wüste Afghanistans und ein durchgeknallter Taliban. Und wie in jeder ordentlichen Serie gibts spätestens nach 25 Minuten eine Werbepause, nach der die Handlung wie immer viel zu weit vorne wieder einsetzt. Das nervt sogar die Schauspieler, die darum bitten, dass der Film doch bitte im Schnelldurchlauf wieder in an die Stelle gespult wird, an der er abgebrochen wurde.

Spaß haben nicht nur die Zuschauer, sondern offensichtlich auch die Schauspieler. Und für nur 5 Euro ist "Zack 'n' Dave" die perfekte Alternative zum Serienschmarn und CSI-Einerlei im Fernsehen.


Zack’n’Daves schwerster Fall: Seit 2001 jagte die Welt Osama bin Laden, der mit der von ihm gebauten Talibahn aus Tora Bora geflohen war. Boss Thieme wurde entführt und ist nun offenbar in der Hand der Terroristen. Der Präsident der USA setzt auf seine besten Einsatzkräfte, um den Boss nach Hause zu holen...

20. Oktober 2011

Freunde der Schaubühne: Venedig (2)


In Venedig ist alles Kunst. Oder Theater. Sagt Martina, unsere Führerin in der Basilica S. Maria Gloriosa Dei Frari. Und es stimmt. So viel Kunst so geballt habe ich selten erlebt und selten habe ich mir so sehr gewünscht, noch viel mehr Zeit zu haben. Das alles noch mehr zu genießen und vor allem zu verarbeiten.
Sollte ich in meinem Leben noch mal zur Biennale kommen, wünsche ich mir (mindestens) einen ganzen Tag in den Giardini, damit man sich zwischen den Besichtigungen der Pavillons und der großen Ausstellung immer mal wieder in den Garten ans Wasser setzen kann. Ruhe, um das Gesehene zu verarbeiten. Ein weiterer Tag ginge für die Arsenale drauf.


Und wie soll man es bei dieser Üebrdosis zeitgenössischer Kunst noch schaffen, die klassische Kunst zu verarbeiten: Allein der Dogenpalast auf der Piazza San Marco bietet so viele Kunstschätze, dass einem schwindelig werden kann (könnte aber auch das "Phantomschaukeln" sein, das sich nach zwei Tagen Vaporetto-Fahren einstellt).


Und wo haben wir sie, die Verbindung von Kunst und Theater? Im Deutschen Pavillon von Christoph Schlingensief. Egomania. Drinnen: "Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" kennen wir natürlich (aus dem Theater). Und dann passiert es wieder: Ich habe mal wieder das Gefühl, Schlingesief ist da. Das ging mir zuletzt bei Via Intolleranza so. Und hier liegt es eindeutig wieder an den Videodokumenten, seinen Interviews zu seinen Filmen und anderen Projekten. Und Schlingensief kann man (kann ich) stundenlang beim Reden zuhören.


PS. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an Christian für die Organisation der Venedig-Reise und dafür, dass er immer alles irgendwie noch hinbekommen hat - mit einer großen Portion Humor, Frohsinn und Geduld -, obwohl die Venezianer uns den ein oder anderen Strich durch die Rechnung gemacht haben.

13. Oktober 2011

Freunde der Schaubühne: Venedig (1)

Ich erlaube mir, von unserer Reise nicht chronologisch zu berichten und beginne mit dem eigentlichen Grund und damit gleichzeitig mit dem Höhepunkt unseres Aufenthalts in Venedig: Die Verleihung des Goldenen Löwen an Thomas Ostermeier am Montag, 10.10.2011 im Ca’ Giustinian im Rahmen der Biennale Teatro 2011. Während der gleichen Zeremonie erhielt Stefan Kaegi (bzw. das Rimini Protokoll) den Silbernen Löwen als Auszeichnung für ein vielversprechendes Theaterprojekt. Wäre es nach Ostermeier gegangen, hätte das Rimini-Protokoll ebenso den Goldenen Löwen bekommen, wie er in seiner Dankesrede betont.

Wie kann man eine solche Preisverleihung noch toppen? Klar – mit Theater! Weil ich den Hamlet der Schaubühne (ja, mein Lieblingsstück und von der Schaubühne sowieso!) das letzte mal vor drei Jahren gesehen habe, habe ich mich den ganzen Tag auf die Vorstellung – die Italien-Premiere – gefreut. Die Betreiber des Teatro Goldoni haben es dann auch noch extra spannend gemacht, indem sie statt wie geplant um 20 Uhr einfach ein halbe Stunde später angefangen haben. Sicherlich auch für die Schauspieler, die ja schon vor Beginn des Stückes auf der Bühne sind, keine tolle Situation. Schuld waren Ungereimtheiten bei der Sitzplatzverteilung. Aber so richtig hat uns das zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr gewundert – hatten wir doch die letzten Tage gelernt, dass die Italiener Absprachen manchmal nicht so verbindlich nehmen bzw. Missverständnisse ganz normal sind. Schließlich hatten alle irgendeinen Platz, sogar die, die ohne Karte am Theater ankamen (wie schön!), allerdings nicht immer den allerbesten (nicht so schön!). Wenn man gefühlte 500 Meter entfernt von der Bühne sitzt, die man nur komplett sieht, wenn man aufsteht, ist man froh, wenn man das Stück schon mal gesehen hat. Es ist halt immer besser, wenn man die Gesichter der Schauspieler sehen kann. Aber: Im Rückblick ist das alles nur noch halb so schlimm und das Stück entschädigt für alle Unannehmlichkeiten. Lars Eidinger hat extra für das Venezianische Publikum ein paar Italien spezifische Besonderheiten eingebaut („Mamma Mia!“) und ansonsten freut man sich einfach über die für den Schaubühnen-Hamlet typischen Elemente: Deichkind, New Balls, usw. Und natürlich die tollen, tollen Schauspieler! Wir habens genossen und das italienische Publikum auch.


Der Rest ist ein spätes Abendessen gemeinsam mit dem Schaubühnen-Team im Paradiso Perduto. Für den Weg zurück zum Hotel lassen wir uns viel Zeit, fahren drei Stationen Vaporetto mit einigen Schauspielern. An der letzten Brücke wollen wir eigentlich noch nicht, dass der Tag und damit unsere Venedig-Reise zu Ende ist. Daher bleiben wir hier einfach noch eine halbe Stunde stehen und werfen Münzen in den Kanal, damit wir wieder kommen können.

12. August 2011

UFA Filmnächte im Schlosspark Sanssouci vom 1.-3. September 2011


Auf großer Leinwand und vor der spektakulären Kulisse der Orangerie im Park Sanssouci zeigt die UFA vom 1.- 3. September open air Filme, die Kinogeschichte geschrieben haben, darunter zwei der wichtigsten Filme der Weimarer Republik: „Der letzte Mann“ und „Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“.

Das Deutsche Filmorchester Babelsberg unter der Leitung von Helmut Imig wird diese beiden Stummfilme mit Originalpartituren live begleiten.

„Nosferatu - eine Symphonie des Grauens“ von Friedrich Wilhelm Murnau, uraufgeführt 1922 mit Max Schreck in der Rolle des Grafen Orlok läuft am Donnerstag, den 1. September.

„Das Flötenkonzert von Sanssouci“ einer der ersten Tonfilme überhaupt, uraufgeführt am 19.
Dezember 1930, von Gustav Ucicky mit Otto Gebühr in der Rolle des Preußenkönigs Friedrich des Großen ist am Freitag, den 2. September.

„Der letzte Mann“ ebenfalls von Friedrich Wilhelm Murnau, mit dem unvergessenen Emil Jannings in der Hauptrolle und uraufgeführt am 23. Dezember 1924, läuft am Samstag, den 3. September.

Einlass ist an allen Tagen um 19.30 Uhr.
Die Kartenpreise liegen zwischen 12,- und 18,- Euro.

Die Filme stammen aus dem Bestand der Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung.
Die drei Filme repräsentieren jeder für sich einen Meilenstein in der Geschichte des Kinos und der Geschichte der UFA. Damals wie heute prägt das Potsdamer Unternehmen die Filmlandschaft maßgeblich.

Vor Beginn der Filmvorführungen werden die Zuschauer von prominenten Paten mit einem kurzen Vortrag in die filmhistorischen Hintergründe der drei UFA-Filmklassiker eingeführt. Und auch für das leibliche Wohl wird dem glanzvollen Rahmen entsprechend gesorgt sein.

Die UFA Filmnächte werden durch das Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg sowie von der Landeshauptstadt Potsdam, vom Filmmuseum Potsdam, der Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung und Transit Film unterstützt. RBB Fernsehen und Radio Eins sind Medienpartner.

Weitere Infos unter www.ufa-filmnaechte.de und www.ufa.de.

Foto: UFA

29. Juni 2011

Wenn Schlagworte zur Worthülsen verkommen: "Freedom & Democracy I hate you" von Mark Ravenhill (BE)


„Wir sind die Guten!“ rufen die Frauen zu Beginn von „Freedom an Democracy I hate you“ als sie sich gegen einen nicht näher benannten Feind zur Wehr setzen wollen. Sie sind die Guten, denn sie tun alles im Sinne der Freiheit und Demokratie. In allen elf Mini-Stücken aus dem Zyklus von Mark Ravenhill, der ursprünglich 17 kurze Stücke umfasst, werden diese Begriffe so inflationär gebraucht, dass sie zur hohlen Phrase verkommen. Ravenhill zeigt, dass die Schlagworte „Freiheit und Demokratie“ überall da eingesetzt werden, wo Grausamkeiten relativiert werden sollen. Sie sind die perfekte Rechtfertigung für Tod und Folter, Krieg und Psychoterror gegen den Feind, den es gilt für die eigene Sache gefügig zu machen. Und wer nicht mitspielt wird gebrandmarkt, wird zum Feind.

Immer wieder wird zudem die Frage gestellt, wie man am besten damit umgeht, wenn man sich im Kriegzustand befindet: Ignorieren - wie die Frau (Corinna Kirchhoff) in „Intoleranz“, die sich auf groteske Art mit ihren Frühstücksgewohnheiten und ihren Magenproblemen auseinandersetzt, während Kampfjets über ihr Haus fliegen. Verharmlosen - wenn die Mutter ihrem Kind in „Furcht und Elend“ erzählt, der Krieg sei „so weit, weit, weit weg“. Als Chance betrachten - wenn die Künstler in „Birth of a Nation“ Leute suchen, die schreiben, malen oder tanzen sollen, um von den Schrecken geheilt zu werden, denn „jeder will Kunst, jeder mag Kunst, also macht mal scheiß Kunst“. Verdrängen – wie in „Die Mutter“, in dem zwei Soldaten versuchen, einer Frau (Sevtlana Schönfeld) die Nachricht über den Tod ihres Sohnes zu überbringen. Diese lässt, die grausame Nachricht bereits erahnend, die Soldaten nicht zu Wort kommen und versucht durch schlüpfriges Geplauder die Situation herauszuzögern, in der die Ahnung zur Tatsache wird. Auch hier soll der Tod des jungen Soldaten am Ende damit relativiert werden, dass er schließlich für Freiheit und Demokratie gestorben sei.

Auch wenn jedes der kurzen Stücke eine für sich abgeschlossene Geschichte darstellt und von der Reihenfolge her austauschbar wäre, finden sich zwischen allen Mini-Dramen Handlungsparallelen und Schnittstellen.

„Freedom and Democracy“ hatte im Juni seine letzte Vorstellung auf der großen Bühne des BE. Eine Wiederaufnahme auf der Probebühne ist jedoch geplant.

Foto: Monika Rittershaus

26. Juni 2011

Das BE-Sommerfest 2011 / "Einfach kompliziert"

Die silbernen Schuhe von Corinna Kirchhoff hätte ich gerne gehabt (aber darin kann ich bestimmt nicht gehen). Das Kostüm von Stefan Kurth aus "Wintermärchen" geht für 10 Euro weg (nicht aufgepasst, als der Preis plötzlich so stark gesenkt wird - dafür hätte man zuschlagen sollen, selbst, wenn man das Kostüm gar nicht tragen kann). Und beim handbestickten Regenschirm bieten natürlich alle mit (der Preis schnellt in eine Höhe, die mein Budget übersteigt). Claus Peymann räumt wieder auf und versteigert auf dem Sommerfest des BE im Garten Requisiten, Kostüme uvm. aus dem Theaterfundus.

Eigentlich hätte er bis zum Beginn der Vorstellung des Bernhard-Stückes „Einfach kompliziert“ fertig werden sollen, aber da Peymann dazu neigt, ausführlich über sein Theaterleben und die Geschichte des BE zu philosophieren, dauert es eben länger. Peymann überzieht und das Publikum, das seit 19 Uhr im Theater sitzt, und Gert Voss hinter dem Vorhang müssen warten, bis draußen alles unter den Hammer gekommen ist. Als Peymann in den Zuschauerraum eilt, um die Verzögerung zu erklären, ruft eine Zuschauerin, dass er ja nicht auf die Bühne müsse. Diesen Zwischenruf ignoriert er. Es bleibt also unklar, warum die Vorstellung wegen der Versteigerung so spät beginnt.

Aber dann darf Voss ran und überzeugt als verschrobener alternder Schauspieler, der seinen Erinnerungen an die früheren Erfolge als Richard III. nachhängt. Mal lustig mal traurig gibt er Einblicke in sein Inneres. Voss spielt nicht nur mit Worten und Körper sondern vor allem auch mit seinem Gesicht. Er grimassiert sich durch das Stück und erzeugt so gleichermaßen Lachen und Mitleid beim Zuschauer. Voss, der diese Rolle in der Nachfolge von Bernhard Minetti spielt (für den Thomas Bernhard das Stück geschrieben hat), macht aus dem Stück sein eigenes Ding.

Als Ausgleich für die verlängerte Versteigerung fängt Peymann mit der Auslosung der Tombola einfach eine halbe Stunde früher als angekündigt an. Pech für die Zuschauer, die pünktlich kommen und verwirrt in Kauf nehmen müssen, dass sie ihren Preis vielleicht längst verpasst haben. Bei den Gewinnen lässt sich das BE allerdings nicht lumpen: Wahlabos, Meet & Greet mit Schauspielern, exklusive Theaterführungen und sogar ein original Brecht-Anzug. Gerne hätte ich das „Curryessen mit dem Intendanten des BE“ (ein Gespräch mit Peymann bei Konnopke) gewonnen. Es wäre bestimmt eine tolle Herausforderung gewesen, dabei zu Wort zu kommen.

15. Juni 2011

Freunde der Schaubühne: Einführung in "Maß für Maß"

Thomas Ostermeier (Regie), Marius von Mayenburg (Übersetzung) und Jan Pappelbaum (Bühne) gaben uns einen Einblick in die Arbeit an der Inszenierung „Maß für Maß“, die im September Premiere an der Schaubühne haben wird. Nachdem Ostermeier uns eine Einführung in die Handlung des Stückes gegeben hatte, erläuterte er die Wahl der Schauspieler/innen, u.a. Gert Voss, Lars Eidinger und Stefan Stern. Für die Wahl der weiblichen Hauptdarstellerin hat Ostermeier sich über 50 junge Schauspielerinnen angesehen und vorsprechen lassen. Er entschied sich für Jenny König, die Ensemblemitglied am Nationaltheater Mannheim ist. Die Problematik bei sehr jungen Schauspielerinnen, die gerade von der Schauspielschule kommen, sei, dass sie in klassischen Stücken, in denen es die Frauenfiguren in einer Männerwelt oft schwer haben, sich zu behaupten, versuchen, massiv gegen dieses Rollenbild anzuspielen. Dies führe häufig dazu, dass das Stück dann nicht mehr funktioniere, erklären Ostermeier und von Mayenburg. Ich kann die jungen Schauspielerinnen gut verstehen. Ich kann aber auch Ostermeier verstehen, der nach einer weiblichen Darstellerin gesucht hat, die die Ansprüche an die Rolle erfüllt und wie er sagt, dabei trotzdem ihre Würde behält. Ich bin gespannt, ob es funktioniert.

Genauso wie schon bei „Hamlet“ und „Othello“ hat Marius von Mayenburg auch dieses Shakespearestück neu übersetzt – und dabei natürlich eine bestimmte Lesart des Stückes wählen müssen. Wer sich die Mühe macht Shakespeares Stücke im Original zu lesen, weiß, dass von Mayenburg sicherlich keine leichte Aufgabe hatte, als er sich Satz für Satz durch Shakespeares Doppel- bzw. Mehrdeutigkeiten arbeiten musste. Bei den Schaubühnen-Inszenierungen von „Hamlet“ und „Othello“ hatte ich mehrere Aha-Erlebnisse, die mir im Studium oder bei anderen Inszenierungen leider oft verwehrt blieben, und ich habe beide Male das Theater mit dem Gefühl verlassen, neue Facetten des Stückes gesehen zu haben. Das stimmt mich zuversichtlich, dass mir der Zugang zu „Maß für Maß“, das ich bisher noch nicht von der Bühne kenne, leicht fallen wird.

Das Modell des Bühnenraums, der von Jan Pappelbaum komplett in Gold ausgestattet wurde, hat eine museale Anmutung, besonders im Modell für Salzburg (hier hat das Stück bereits im August Premiere). Ich versuche, mir vorzustellen, wie das später „in echt“ wirken wird und bin mir sicher, dass es ganz anders wird als wir es uns jetzt vorstellen können. Ich mag Inszenierungen, die mit wenig Requisiten und wenig Ausstattung auskommen, weil dann alles über die Schauspieler bzw. den Text funktionieren muss. Daher bin ich froh, dass Ostermeier und Pappelbaum ankündigen, dass sie diese für die „Maß für Maß“ Inszenierung bewusst reduzieren. Das sei bei Shakespeare übrigens auch so gewesen, erklärt Ostermeier.

Ich freue mich auf September, wenn das Stück an der Schaubühne läuft – und lasse mich gerne überraschen, ob dann alles so sein wird, wie ich es mir jetzt ausmale.

24. Mai 2011

tt11: Das wars... leider!


Kaum ist man so richtig in Theatertreffen-Stimmung, ist es auch schon wieder vorbei. Und jetzt heißt es leider wieder 50 Wochen warten bis zum nächsten. Das tt12 wird unter einer neuen Intendanz und neuer Direktion stattfinden. Wir dürfen gespannt sein, welche Neuerungen das bringt, welche Inszenierungen eingeladen werden und wie das Publikum und die Presse darauf reagieren.

Am vorletzten Tag, Sonntag, wurde - wie immer zum Abschluss - der Alfred Kerr Darstellerpreis verliehen. Jurorin Eva Mattes lobt die Leistung von Lina Beckmann in Das Werk/Im Bus/Ein Sturz und im Kirschgarten.

Direkt danach gabs die Abschlussdiskussion, in der sich die Jury den kritischen Fragen des Publikums stellen musste. Die Frage, die viele bewegete: Warum zwei Inszenierungen von Herbert Fritsch (Der Biberpelz und Nora) eingeladen wurden. Eine befriedigende Antwort gab es von der Jury leider nicht. Dafür Begründungen, warum bestimmte Produktionen nicht eingeladen wurden. Aber das kann ja auch interessant sein. Etwas ärgerlich waren einige Wortmeldungen aus dem Publikum, bei denen es schlicht darum ging, jetzt auch noch mal zu sagen, welches Stück man langweilig fand und welches einen nicht berührt habe. Nach der xten Wortmeldung dieser Art, war das dann doch etwas einseitig. Vor allem, weil die Kritisierenden kaum deutlich machten, was sie denn nun anders oder besser machen würden und welches denn die Kriterien für die Auswahl sein sollen. Wie so oft lief das dann mal wieder auf die Frage hinaus, welchen Sinn das Theatertreffen erfüllen soll. Dies zu beantworten ist m.E. unmöglich, denn da gibt es unzählige Ansichten und einen Konsens wird man hier schwer finden können.

Das Theatertreffen hat mir in diesem Jahr viel Spaß und mich um einige Theatererkenntnisse reicher gemacht. Aber ein Wermutstropfen bleibt wie immer: Als normal arbeitender und durchschnittlich verdienender Mensch, kann man es sich zeitlich und finanziell kaum leisten, alle eingeladenen Inszenierungen zu sehen. Schade! Man hat doch immer das Gefühl, etwas wichtiges verpasst zu haben und nicht überall mitreden zu können. Zwei Wochen Urlaub im Mai nächsten Jahres wären vielleicht eine Lösung. Und ich nehme mir mal wieder vor, jetzt schon mit dem Sparen für die Tickets anzufangen.

Um das Theatertreffen bis zur letzten Minute auskosten zu können, bin ich am späten Abend noch zum Konzert von Lisa Bassenge im Foyer der Berliner Festspiele gegangen. Was für eine herrliche Stimmung: Die Euphorie des (fast) letzten Abends. Überall wuseln die Schauspieler von Via Intolleranza II und andere bekannte Gesichter herum und im Garten tummeln sich die Theaterfans trotz Regens rund um das obligatorische Lagerfeuer.

Aber irgendwann muss dann auch mal Schluss sein. Also schnell raus aus dem Festspielhaus, nicht mehr rumdrehen, sonst wird man wehmütig, und sich aufs nächste Jahr freuen!

PS. Das Blogger/innen-Team hat dieses Jahr eine tolle Arbeit gemacht. Der tt11-Blog war in den letzten drei Wochen meine Haupt- und Lieblingslektüre. Weiter so und vielen Dank!

PPS. Das Logo des tt1 war genial! Besonders der Überraschungsefekt, wenn man es umdreht. Super Idee!

Bild: © Berliner Festspiele

22. Mai 2011

tt11: Gedanken zu "Via Intolleranza II" von Christoph Schlingensief


Christoph Schlingensief fehlt. Und dann ist er irgendwie doch da. In der Schlusszene von Via Intolleranza II sitzt er auf der Bühne - eine Filmprojektion. Und man glaubt - möchte glauben -, dass er da jetzt wirklich spricht. Afrika helfen, ohne zu manipulieren - geht das überhaupt? Helfen, ohne dabei den Gutmenschen in sich zu befriedigen. Um dieses Dilemma geht es im Stück. Ein Dilemma, dem sich Schlingensief selbst während seines Operndorf Projekts immer wieder bewusst wurde. Seine Zweifel werden im Stück gezeigt, in den Text gearbeitet. Und manchmal weiß man nicht, ist das jetzt Ironie oder war das so ("Es wurden schon 319 Euro für das Projekt an Spendengeldern gesammelt.") Als Zuschauer/in ertappt man sich dabei, wie man seine Reaktion überprüft: Darf man jetzt lachen oder nicht? Und an vielen Stellen im Stück: Wird da jetzt ein Afrika-Klischee gezeigt und überspitzt dargestellt, das man als gebildete/r Zuschauer/in natürlich durchschaut oder merkt man gar nicht, wie sehr man selbst, in die Klischee-Falle tappt? Veralbern die auf der Bühnen einen gar oder ist vieles ganz schön Ernst gemeint? Als einer der Schauspieler aus Burkina Faso nach dem Schlussapplaus versucht, das Publikum zum Mitsingen zu animieren, kommen nur ein paar verhaltene Töne zurück. Und einige peinlich berührte Lacher. Das ist nichts für das Theatertreffenpublikum - da ist es wieder das Dilemma.

"Das Operndorf Afrika soll Produktions- und Lebensbedingungen schaffen, durch die in einem der finanziell ärmsten Länder der Welt Ausbildung, Austausch und Kunstproduktion möglich werden. [...] Das Operndorf soll ein eigenständiger Organismus sein, der dann wächst, wann er es will, der aus sich selbst heraus seine Eigenarten entwickelt und unwahrscheinliche Konstellationen erzeugt." ( aus: Programmheft "Via Intolleranza II")

Weitere Infos und Spendenmöglichkeiten hier!

Foto: Aino Laberenz

20. Mai 2011

tt11: Stückemarkt Preisverleihung

Die Gewinner/innen des Stückemarkts stehen fest. Den Förderpreis der neuen Dramatik erhält Juri Sternburg ("der penner ist jetzt schon wieder woanders"). Den Werkauftrag erhält Anne Lepper ("Hund wohin gehn wir") und mit dem Hörspielpreis wurde Mario Salzar ("Alles Gold was glänzt") ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch!

Hier ist das Interview, das die tt11-Blogger/innen mit den drei Autor/innen führten, nachzulesen - sehr amüsant!

Das besondere am Stückemarkt bzw. den szenischen Lesungen der neuen Texte ist aus meiner Sicht das Rohe und noch nicht Eingeordnete. Bei der Lesung von "Brachland" (Dimitrij Gawrisch), die ich zu Beginn des Stückemarkts sah, ging mit der Technik einiges schief und die Schauspieler verpassten hier und da ihre Einsätze. Das verzeiht man ihnen aber gern, weil es zeigt, dass der Text noch nicht in eine fertige Inszenierung gepackt ist und noch ganz viel Spielraum für Interpretation und Umsetzungsmöglichkeiten lässt.

14. Mai 2011

tt11: "Verrücktes Blut" von Nurkan Erpulat


Schiller in Kreuzberg mit sieben Schüler/innen arabischer und türkischer Herkunft. Die Lehrerin kämpft zunächst einen aussichtslosen Kampf: An die Umsetzung des Sturm-und-Drang Stücks "Die Räuber" mit den Jugendlichen ist nicht zu denken, denn sie schafft es zunächst kaum, sie zu einem respektvollen Umgang miteinander und ihr gegenbüber zu bewegen. Dabei ist "Respekt" ein Begriff, der den Protagonisten zwar leicht und häufig über die Lippen geht, deswegen aber keinesfalls praktiziert wird.

Als ihr eine geladene Pistole aus dem Rucksack eines Schüler in die Hände fällt, übernimmt sie die Regie. Zunächst noch unsicher und zitternd entwickelt sie sich im Laufe des Stücks zu einer kompromislosen Bestimmerin über die Handlungen der Jugendlichen. Mit Drohungen und Gewalt erzwingt sie Dialoge aus "Die Räuber" und "Kabale und Liebe", die sich im Laufe des Spiels verselbständigen. Plötzlich verschwimmen die Realität der jungen Schauspieler mit der Handlung bzw. den Texten der Dramen. Die Lehrerin will die Schülerin mit Kopftuch dazu bringen, sich aus ihrer Rolle der unterdrückten Muslima zu befreien, fordert von dem Jungen kurdischer Herkunft endlich selbstbewusst zu sein und sich gegen seine Peiniger zu wehren und bringt den Macho, der die anderen unterdrückt dazu, sich mit heruntergelassener Hose zu unterwerfen.

Während die Lehrerin zunehmend aggressiver versucht, die Schüler/innen dazu zu bewegen, über ihre Handlungen und ihre Attitüden zu reflektieren, kippen die Reaktionen dieser: Plötzlich fordern sie Toleranz und eine zweite Chance für den Schurken - sie schreien nach den Werten der Aufklärung, die ursprünglich auf dem Lerhplan standen.

Irgendwann gelangt das Mädchen mit Kopftuch in den Besitz der Waffe und hat zum ersten mal die Chance, den jungen Männern zu sagen, wo es lang geht. Sie nimmt ihr Kopftuch ab, kann aber mit der neuen Situation nicht umgehen. Sie verliert die Kontrolle über ihr Tun. Ist die Forderung der Lehrerin nach mehr Emanzipation muslimischer Mädchen zu naiv, zu schnell? Sind ihr die Konsequenzen bewusst? Und so wird jeder Befreiungsschlag der Schüler/innen sofort wieder in Frage gestellt...

Am Schluss wird klar: Es ist alles bloß Theater. Doch einer - der schüchterne kurdische Junge, der während der ungewöhnlichen Probe, den Franz Moor spielen musste - nimmt seine Rolle allzu ernst und kann das Spiel nicht beenden. Auch dann nicht als alle alle ihn beschwören, jetzt aufzuhören.

Trotz des ernsten Themas und der Brutalität und Rücksichtslosigkeit, die hier inszeniert wird, erlaubt das Stück den Zuschauer/innen immer wieder aberwitzige Momente und Lacher, die einem freilich in der nächsten Sekunde wieder im Halse stecken bleiben.

Verrücktes Blut
Ballhaus Naunynstraße, Berlin / Ruhrtriennale
von Nurkan Erpulat und Jens Hillje

Mit Sesede Terziyan und Nora Rim Abdel-Maksoud, Erol Afşin, Emre Aksızoğlu, Tamer Arslan, Sohel Altan G., Rahel Johanna Jankowski, Gregor Löbel

Uraufführung 02. September 2010, Gebläsehalle, Duisburg
Premiere 09. September 2010, Ballhaus Naunynstraße, Berlin

Termine beim Theatertreffen 2011:
11./12./13./14. Mai 2011, 20 Uhr

Weitere Infos zum Stück.

Foto: Ute Lankafel












8. Mai 2011

tt11: Theaterpreis Berlin 2011 für die Gotscheff-Familie


Wo Thilo ist, will Dimiter Gotscheff wissen, nachdem er den Theaterpreis gemeinsam mit seinen Schauspieler/innen Almut Zilcher, Wolfram Koch und Samuel Finzi entgegen genommen hat. Er habe Sarrazin persönlich eingeladen, er sei wohl nicht da. Er habe ihm zeigen wollen, wie es ist, wenn "vier Gaukler mit Migrationshintergrund" in Deutschland einen Preis erhalten. Die "Gaukler" kommen aus Bulgarien (Gotscheff und Finzi), Koch wuchs in Frankreich auf und Zilcher ist ein "armes Flüchtlingskind" aus Österreich.

Auch in Samuel Finzis Dankesrede geht es um Herkunft: Er könne noch immer nicht Deutsch sprechen, aber da er ja Schauspieler sei, würde er einfach so tun, als könne er es. Er hoffe, als Schauspieler mit Migrationshintergrund nach dem Erhalt des Theaterpreises den ersten Teil dieses Wortes streichen zu können - vielleicht irgendwann mal nur noch den letzten Teil zu benötigen: Schauspieler mit Grund.

Wolfram Koch, der es wie Luther halten möchte ("Tritt fest auf, machs Maul auf, hör bald auf."), erzählt eine bezaubernde Anekdote über einen Kindertheaterbesuch mit seinem 5jährigen Sohn.

Almut Zilcher erklärt in Anlehnung an ihre Rolle aus Ritter, Dene, Voss, wie es ist, in der Gotscheff-Familie zu leben und zu spielen. Und als Zuschauer/in wird einem nach der fast 2,5stündigen Preisverleihung wieder einmal klar, auf der Bühne sehen wir doch die am liebsten, die da auch hingehören: Schauspieler.

Das beweist nicht zuletzt auch der moderierende Peter Jordan, indem er die Patzer in der Technik durch spontane Improvisationen rettet. Überhaupt können die Zuschauer/innen dank seiner Auftritte immer wieder zwischen den zahlreichen Redebeiträgen kurz durchatmen und entspannt lachen.

Noch nie ging der Theaterpreis an ein vierköpfiges Team. Die Schauspieler beflügeln den Regisseur und umgekehrt heißt es in der Jurybegründung. Und das ist der Grund, warum Gotscheff sich den Preis mit drei Mitgliedern seiner "Familie" teilen darf. Dazu passt das Foto auf dem Programm zur Preisverleihung: Koch und Finzi sitzen auf Zilchers und Gotscheffs Schoß - ein ungewöhnliches, aber wunderschönes Motiv.

Herzlichen Glückwunsch an die Preisträger/innen und danke dafür, immer noch mehr Lust aufs Theater zu bekommen!

3. Mai 2011

tt11 Pressekonferenz (3. Mai 2011)

Wer wissen möchte, welche Themen die Teilnehmer/innen der heutigen tt11 Pressekonferenz bewegten, kann dies im Live-Blogging des tt-Blog nachlesen.

Iris Laufenberg, Leiterin des Theatertreffens, sagt während der PK übrigens: "Das Theatertreffen ist ein Festival für das Publikum, nicht für die Elite." ---- Ehrlicherweise müsste man allerdings dazu sagen, dass es sich beim tt-Publikum um ein sehr spezielles handelt. Es wäre wünschenswert, dass sich beide Seiten einander stärker öffnen.

26. April 2011

Kein Blick hinter die Maske: "Im Dickicht der Städte" (BE) - Gastblog


Mit TheaterBlick Gastbloggerin Anna habe ich "Im Dickicht der Städte" (Inszenierung: Katharina Thalbach) im BE besucht. Ihre Eindrücke zum Stück beschreibt sie wie folgt:

Ein mir völlig unbekanntes Brechtstück, das ich gefühlsmässig zwischen NYC, Bukarest und Kolumbien ansiedeln würde - ohne auch nur eins davon zu kennen. Es vereint alle Abgründe dieser Welt und schmilzt alles zusammen in einen dicken Klumpen Ziel- und Sinnlosigkeit, die täglich vor der Tür lauert. Dabei haben die Schauspieler aber so entrückend und - eben maskiert - gespielt, dass kaum eine Identifikationsmöglichkeit bestand, auch wenn eigentlich alle menschlichen Eigenschaften und Abgründe gleichzeitig bedrohlich nahe waren. Eine Mischung aus bekannten, vielleicht auch verdrängten Gefühlen, dem Geschmack von mittelmäßigem Magazinjounalismus, den man sich voyeuristisch reinzieht und der irgendwie kleben bleibt und alltäglichem realistischem Wahnsinn. Und weil niemand da so wirklich durchblickt, klopft man einfach mal bei jemandem an, der meint noch Ideale zu haben, um ihn über einer vermeintlichen Ziellinie zu brechen. So schnell kann das gehen....

Ich möchte dem noch folgendes hinzufügen:
Möglicherweise werde ich zukünftig bei dem Wort "Absinth" sofort an ein flirrendes grün-gelbes Licht denken müssen. Dieser Effekt wurde in der Inszenierung eingesetzt, um den "Genuss" ebenjenes Getränks zu visualisieren.

Foto: Barbara Braun

17. April 2011

3. Lange Nacht der Opern und Theater: Es wird immer besser!

Alle guten Dinge sind drei: Sie wird immer besser - die Lange Nacht der Opern und Theater. Und ich kann an dieser Stelle den Verantstaltern ein großes Lob dafür aussprechen, dass sie kräftig daran arbeiten, es den Theater- und Opernfans immer angenehmer zu machen. Der dritte Anlauf dieser tollen Veranstaltung war aus meiner Sicht gelungener als in den beiden Jahren zuvor.

Dieses Jahr haben wir uns in keiner Minute gehetzt oder unter Zeitdruck gefühlt und konnten uns stets gut gelaunt an den von uns ausgewählten Orten sogar noch etwas entspannen (v.a. auf den Polstermöbel in der Box & Bar des DT). Entspannt verlief es für uns zwar auch dank unseres durchdachten Ablaufplans - auch wir haben ja schon zwei Jahre Übung - aber auch wegen der besseren Abwicklung durch die Veranstalter.

Als wir nach der ersten Station (Maxim-Gorki-Theater, Penthesilea) in den Lange-Nacht-Bus stiegen wurden, wir von der Freundlichkeit des Busfahrers überrascht, der, ohne seine gute Laune zu verlieren, darum bat, doch die Lichtschranke an den Türen frei zu halten. Der freundliche Herr war dann gar nicht der Fahrer (wäre auch befremdlich in Berlin), sondern einer der Lange-Nacht-Guides, die auch spät um 23.30 Uhr, als wir unsere letzte Fahrt antraten, noch immer serviceorientiert und munter waren. So macht das Spaß!

Vor der Volksbühen und dem DT waren dankenswerter Weise Würstchenbuden und Getränkestände aufgebaut, was zum Verweilen einlud. Deswegen und weil Stefan Kaminski (wie zu erwarten) unser Highlight des Abends war, sind wir am DT einfach etwas länger geblieben als geplant - und haben uns zwei Teile seines Live-Hörspiels Es kam von oben angeschaut/-hört. Davon kann man einfach nicht genug bekommen! Die 12 letzten Lieder von und mit Nicolas Stemann sowie Maria Schrader, Margit Bendokat u.a., von denen wir immerhin vier im Ausschnitt des Stückes dargeboten bekamen, luden sogar zum Mitsingen ein und dazu, die Liste der Dinge, die man unbedingt auf Berlins Bühnen noch sehen muss, um eines zu erweitern.

Sogar die Abschlussparty in der Volksbühne war besser als 2010. Die Musikauswahl lockte die Menschen schneller auf die Tanzfläche als im Vorjahr und sorgte dafür, dass sie da auch blieben. Auch der Einlass, der einen im letzten Jahr noch Nerven und viel Geduld gekostet hatte, ging vollkommen unkompliziert vonstatten. Die Securitys, die 2010 noch unangenehm überengagiert waren, hatten in diesem Jahr einen leichten Job.

Über eine persönliche Errungenschaft, die allerdings nicht nur während der langen Nacht zu erwerben ist, habe ich mich besonders gefreut: Ich liebe "Theater-Devotionalien" wie Bleistifte (DT), Streichholzschachteln (Volksbühne), Pfefferminzdöschen (Berliner Festspiele) usw. Das Deutsche Theater verkauft z.Zt. Taschen, die aus der Plane gefertigt werden, die während der Umbauarbeiten vor dem Haus angebracht war. Darauf zu sehen, waren Szenenfotos des laufenden Spielplans. Die Taschen, die aus dieser Plane genäht wurden, sind dementsprechend alles Einzelstücke. Wer Interesse an einer solchen hat, sollte schnell zuschlagen, denn die Auflage ist auf 100 Stück begrenzt. Auf meiner Tasche ist übrigens ein kleiner "Ausschnitt" aus Herz der Finsternis zu sehen, das ich 2010 am DT gesehen habe.

14. April 2011

tt11: Es gibt noch Tickets!

Wer schon mal versucht hat, Tickets für das Theatertreffen zu bekommen, ist sicherlich auch schon mal enttäuscht worden. Die Stücke, die man gerne sehen will, sind oft ganz schnell ausverkauft. Manchmal bleiben dann nur noch die teuren Karten für über 50 Euro.

Im Moment gibt es tatsächlich noch einige wenige Restkarten, z.B. für:
Nora, Die Beteiligten, Der Kirschgarten, Via Intolleranza II und ein paar Sachen vom Stückemarkt.
Am besten über den Webshop der Berliner Festspiele bestellen.

12. April 2011

3. Lange Nacht der Opern und Theater (16. April 2011)


Vorschlag für den zeitlichen Ablauf:

19 bis 19.30 Uhr: Maxim-Gorki-Theater: Penthesilea

20 bis 20.30 Uhr: Deutsches Theater: Aufhören! Schluss jetzt! 12 letzte Lieder

20.30 bis 21.15 Uhr: ...ein Drink und/oder Snack in der Bar des DT...

21.30 bis 22 Uhr: Deutsches Theater: Kaminski on air

23 bis 23.30 Uhr: Volksbühne: hamletX

ab 24 Uhr: Abschlussparty in der Volksbühne (alternativ: Theaterhaus Mitte)


Infos im Detail:

Maxim-Gorki-Theater (Am Festungsgraben)
19.00 + 20.00 Uhr Penthesilea
Ausschnitt aus dem Drama von Heinrich von Kleist
Regie: Felicitas Brucker
Nach dem Gesetz ihres Frauenstaates müssen die Amazonen sich ihre Männer im Kampf erobern und als Gefangene in die Hauptstadt führen.
Mein Kommentar: Penthesilea gilt als schwer inszenierbar – insofern eine Herausforderung! Außerdem: Frauenstaat, Hauptstadt, Amazonen: Mädels, unser Stück, oder?! (Kleist ist eh toll!)

Deutsches Theater (Schuhmannstraße)
19.00-22.00 Uhr (immer zur vollen Stunde)
Aufhören! Schluss jetzt! Lauter! 12 letzte Lieder
Ein musikalischer Abend über Rücktritte, ewige Abschiedstourneen, Protestkultur und »Wutbürger«, moderiert von Regisseur Nicolas Stemann
mit Margit Bendokat, Andreas Döhler, Felix Goeser, Barbara Heynen, Maria Schrader u.a.
Mein Kommentar: Wenn das nicht passt für dieses Jahr! Außerdem: Margit Bendokat ist Preisträgerin des Theaterpreises 2010.

19.30-22.30 Uhr (immer zur halben Stunde)
Kaminski on air: Es kam von oben
Ein ScienceFiction-Live-Hörspiel
mit Sebastian Hilken, Stefan Brandenburg, und Stefan Kaminski in sämtlichen Rollen, vom Sheriff über die Außerirdischen bis zur zuschlagenden Autotür.
Mein Kommentar: Wer Kaminski noch nicht kennt, hat was verpasst!. Außerdem: Taschentücher mitnehmen – wegen der Lach-Tränen!

Volksbühne (Rosa-Luxemburg-Platz)
unveröffentlichte Szenen aus dem Filmprojekt hamletX
Mein Kommentar: Mit "the one and only" Martin Wuttke! Außerdem: Sophie Rois, Volker Spengler, Milan Peschel u.a.

31. März 2011

Theatertreffen 2011 (tt11): Die Auswahl


Im Mai werden beim tt11 in Berlin die zehn bemerkenswertesten deutschsprachigen Inszenierungen der vergangenen Saison präsentiert:

Die Beteiligten von Kathrin Röggla
Regie: Stefan Bachmann (Burgtheater, Wien)

Der Biberpelz von Gerhart Hauptmann
Regie: Herbert Fritsch (Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin)

Don Carlos von Friedrich Schiller
Regie: Roger Vontobel (Staatsschauspiel Dresden)

Der Kirschgarten von Anton Tschechow
Regie: Karin Henkel (Schauspiel Köln)

Nora oder Ein Puppenhaus von Henrik Ibsen
Regie: Herbert Fritsch (Theater Oberhausen)

Testament von She She Pop
Hebbel am Ufer, Berlin / Kampnagel, Hamburg / FFT, Düsseldorf

Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller
Regie: Stefan Pucher (Schauspielhaus Zürich)

Verrücktes Blut von Nurkan Erpulat und Jens Hillje
Regie: Nurkan Erpulat (Ballhaus Naunynstraße, Berlin / Ruhrtriennale)

Via Intolleranza II von Christoph Schlingensief
Eine Produktion der Festspielhaus Afrika gGmbH in Koproduktion mit Kampnagel Hamburg, dem Kunstenfestivaldesarts Brüssel und der Bayerischen Staatsoper München. In Kooperation mit dem Burgtheater Wien, Impulstanz und den Wiener Festwochen.

Das Werk / Im Bus / Ein Sturz von Elfriede Jelinek
Regie: Karin Beier (Schauspiel Köln)

Weitere Infos auf der Seite der Berliner Festspiele.

Bild: © Berliner Festspiele

23. März 2011

Vor und hinter der vierten Wand: "Schmeiß dein Ego weg" (Volksbühne)

Ein Chor, keine stringente Handlung, hinter der Bühne wird gefilmt und Martin Wuttke in der Hauptrolle. Welcome to Pollesch! In "Schmeiss dein Ego weg!" an der Volksbühne mit Margit Carstensen und Christine Groß (die man ebenfalls aus René Polleschs Stücken kennt) geht es um die Frage, was die Seele ist. Kann sie getrennt vom Körper gesehen werden? Oder ist sie Teil des Äußerlichen? ("Reden Sie doch nicht immer von inneren Werte! Sehen Sie sich einen Geldschein an! Da sieht jeder nur den inneren Wert und nicht, was an ihm äußerlich ist, das Material, das Papier, auf das es gedruckt ist.") Und es geht um die vierte Wand auf der Theaterbühne, hinter der ein weiterer Raum offen gelegt, in dem gespielt und gefilmt wird. Eigentlich könnte das Spiel hinter und das auf der Bühne auch umgedreht werden, da es sich bei dem Raum um ein vollständig eingerichtetes Wohnzimmer handelt. Wuttke hebt sich gegen die beiden um Contenace bemühten weiblichen Figuren durch sein energisches Spiel ab. Er veraussgabt sich - so kennen wir ihn -, verzweifelt und bäumt sich auf, um zu erklären, was für ihn von Bedeutung ist und was für ihn Liebe ist. "Schmeiß dein Ego weg!" ist ein einstündiges Suchen und Nicht-Finden voller Humor und mit tollen Schauspieler/innen.

5. März 2011

"Noli me tangere" mit einer Prise Shakespeare (F.I.N.D. / Schaubühne)

"Noli me tangere" (Rühr mich nicht an) sagt Jesus Christus zu Maria Magdalena nach seiner Auferstehung im Evangelium des Johannes. Im gleichnamigen Stück von Jean-François Sivadier wird die Geschichte vom Tod Johannes des Täufers neu erzählt. Die Inszenierung des Théâtre National de Bretagne, Rennes/Frankreich ist zur Zeit im Rahmen des F.I.N.D. (Festival of International New Drama) an der Schaubühne zu Gast.

Ein knapp dreistündiges Stück (ohne Pause) in französischer Sprache mit deutschen Obertiteln ist keine leichte Kost - vor allem bei der Fülle der Motive und Anleihen aus Geschichte und Literatur. An vielen Stellen lässt Shakespeare grüßen. Etwa als eine Laiendarstellertruppe ein Stück einstudiert und Schauspieler Jean sich als "Nachfahre" von Nick Bottom entpuppt. Außerdem findet sich eine gute Prise Hamlet in dem Stück. Dies entgeht auch dem Engel nicht ("Ist das nicht die Geschichte über den Prinzen von Dänemark?"), der bei seinen Auftritten auf eine gute Performance setzt, Glitzer vertreut und als eine Art Moderator das Publikum mit viel Witz immer wieder ab und auf den Boden bzw. zurück in die Realität des Theatersaals holt ("In welchem Land bin ich hier?" - "Deutschland." - "Hab ich noch nie von gehört.") Überhaupt wird die Handlung immer wieder vom Spiel im Spiel und Zwischenspiel durchbrochen. Zudem spielen fast alle Schauspieler mehrere Rollen, so dass die verschiedenen Ebenen des Stückes sich immer wieder aufeinander beziehen.

Im Laufe des Abends durchlebt der Zuschauer gemeinsam mit den Figuren des Stückes die gesamte Riege der Emotionen: Das Stück wechselt temporeich zwischen Spaß, Wut, Entsetzen, Spannung...

11. Februar 2011

Ritter, Dene, Voss = Becker, Zilcher, Matthes (Deutsches Theater)

Mit dem Titel seines Stückes über die Hassliebe dreier Geschwister setzte Thomas Bernhard den Schauspieler/innen Ilse Ritter, Kirsten Dene und Gert Voss ein literarisches Denkmal und gab gleichzeitig die Besetzung der Uraufführung (1986) vor. Claus Peymann inszenierte das Stück bei den Salzburger Festspielen und brachte es 2004 am BE in der Originalbesetzung erneut auf die Bühne. Ritter, Dene und Voss gehören zu den größten Darstellern im deutschsprachigen Raum und Bernhard hat ihnen mit seinem Stück einen Platz im Repertoire von Theatermachern und -besuchern gegeben, der unauslöschlich ist.

Was passiert, wenn ein anderes großes deutschprachiges Theater Bernhards legendäres Stück in den Spielplan nimmt - ohne die Urbesetzung? Es wählt drei seiner besten Schauspieler/innen aus. Ritter, Dene, Voss hatte im Oktober 2008 am Deutschen Theater Premiere. Für seine Inszenierung entschied sich der damalige Intendant des DT Oliver Reese für Constanze Becker (=Ritter, die jüngere Schwester), Almut Zilcher (=Dene, die ältere Schwester) und Ulrich Matthes (=Voss/Ludwig). Becker und Matthes waren im Premierenjahr Schauspieler/in des Jahres, Zilcher erhielt diese Auszeichnung bereits 1992.

Die Rechnung geht auf, denn Ritter, Dene, Voss am DT ist ein Fest für die großartigen Schauspieler/innen Becker, Zilcher, Matthes, die in dieser Inszenierung ihr Können voll und ganz entfalten können. Und einmal mehr ist man als Zuschauer froh, solche tollen Darsteller hier in Berlin zu haben. Gestern war die letzte Vorstellung des Stücks am Deutschen Theater, aber zum Glück dürfen wir uns über die Schauspieler/innen noch in vielen anderen Inszenierungen an dieser (und anderen) Bühne(n) freuen.

31. Januar 2011

Buchtipp: Ende der Vorstellung (Margarita Broich)


Die Schauspielerin und Fotokünstlerin Margarita Broich zeigt in ihrem Bildband Ende der Vorstellung Portraits von 45 Schauspielern und Schauspielerinnen. Das Besondere an ihren Bildern: Sie fotografierte ihre Kollegen nicht während des Spiels auf der Bühne oder in privaten Situationen, sondern unmittelbar nach dem Auftritt in der Garderobe, auf dem Gang oder in der Kantine. Die Gesichter der Schauspieler spiegeln dabei Erschöpfung, Gelöstheit oder Zufriedenheit wieder. Am Ende der Vorstellung werden die Masken entfernt, das Make-up ist verwischt und die Kostüme werden abgelegt.

Dieses Buch ist ein wunderbarer Blick hinter die Kulissen und in die Gesichter derer, deren Leistung man nicht hoch genug bewerten kann: Schauspieler.

Ende der Vorstellung ist im Müry Salzmann Verlag erschienen.

7. Januar 2011

Lieblingsstücke 2010

Ich werde oft von Freunden gefragt, was man sich in Berlin denn mal im Theater "so anschauen" könnte und was ich empfehle. Darauf kann ich nur schwer die richtige Antwort geben, weil Geschmäcker ja bekanntlich verschieden sind.
Ich versuche es hier aber mal mit einer Top-5-Liste der Stücke, die ich in 2010 gesehen habe:

Shakespeares Sonette (Berliner Ensemble)
Othello (Schaubühne)
Woyzeck (Deutsches Theater)
Das Prinzip Meese (Maxim Gorki Theater)
Die Dreigroschenoper (Berliner Ensemble)