12. Juni 2015

Rückblick Mai 2015: Geld, Macht, Körper...Beziehungen

Nun hatte ich im April durch das F.I.N.D. schon einen sehr intensiven Theatermonat,  aber der Mai übertrifft das tatsächlich noch mal. Insgesamt zehn mal war ich im Publikum der Schaubühne, Volksbühne, Sophiensäle, Berliner Feststpiele und des Deutschen Theaters. Dazu gabs eine Veranstaltung der Freunde der Schaubühne.

01.05.15 - Richard III (William Shakespeare // Regie: Thomas Ostermeier // Schaubühne)
Revisited! Im "Globe" habe ich Lars Eidinger als Richard III zum zweiten mal nach der Premiere gesehen. Wie erwartet, entwickelt er die Rolle weiter und improvisiert mehr. Was ich besonders am Globe mag, ist die familiäre Atmosphäre. Dadurch, dass man im Halbrund fast alle Zuschauer der unteren Ränge sehen kann, wird das Gefühl des gemeinsamen Erlebens eines Theaterabends verstärkt.

02.05.15 - I can be your hero baby (Performancegruppe Henrike Iglesias // Sophiensäle)
Textpassagen aus Germany's Next Topmodel werden Interviews mit Prostituierten gegenübergegestellt. Was damit ausgesagt werden soll, ist klar und keine neue Erkenntnis. Dazu kommen Zitate von bekannnten Feministinnen (Judith Butler, Laurie Penny u.a.). Auch das ist logisch und absehbar. Trotzdem macht der Abend in den Sophiensälen Freude und ich finde es erneut bedauerlich, dass hier die Stücke immer nur wenige Male gezeigt werden. Mit vielen Ideen und viel Mut der Darstellerinnen ist ein Stück entstanden, das hoffentlich noch viele (dann eben in anderen Städten) ansehen werden.

04.05.15 - Freunde treffen Künstler: Felix Römer (Freunde der Schaubühne)
Siehe Blogbeitrag vom 9.6.2015 zu dieser Veranstaltung!

05.05.15 - Von einem der auszog, weil er sich die Miete nicht mehr leisten konnte (Oper von Dirk von Lowtzow und René Pollesch // Volksbühne)
Mit dem Stück hat der Titel nichts zu tun. Das Wortspiel ist aber trotzdem lustig. Dass Pollesch und von Lowtzow, die schon lange befreundet sind, nun endlich in einem gemeinsamen Stück zusammengefunden haben, ist eine Freude. Bei der Oper, die der Kopf von Tocotronic komponiert hat, handelt es sich um Pop, eingespielt vom Filmochester Babelsberg. Im Text ist viel vom typischen Pollesch-Diskurs zu finden. Auch bei den Schauspielern bekannte Gesichter: Martin Wuttke und Lilith Stangenberg (deren Singstimme übrigens viel angenehmer als die Sprechstimme ist). Dazu kommt ein Kinderchor, mit dem die Schauspielerin singen darf. Wer Tocotronic mag und Pollesch liebt, ist hier im richtigen Stück!

10.05.15 - Theaterpreisverleihung an Corinna Harfouch (tt15 // Berliner Festspiele)
Kolleg/innen erweisen Corinna Harfouch ihre Ehre: Mit Texten, Lieder und Reden. Besonders bewegend ist Meike Drostes Totenlied mit Akordeonbegleitung aus "Idomeneus", das sich C.H. gewünscht hat. Sie will damit an Jürgen Gosch erinnern. Corinna Harfouch beschließt nach dem üblichen Reden-Marathon der Theaterpreisverleihung, ihre Rede nicht zu halten. 

14.05.15    Vorpremiere Bella Figura (Yasmina Reza // Regie: Thomas Ostermeier // Schaubühne)
16.05.15    PREMIERE Bella Figura (Uraufführung)
Yasmina Reza hat das Stück den Schaubühnen Schauspieler/innen auf den Leib geschrieben. Schon lange bestand seitens der erfolgreichsten Dramatikerin der Gegenwart der Wunsch, eines ihrer Stücke von Thomas Ostermeier inszenieren zu lassen. Verwendet hat sie bekannte "Zutaten": Zwei Paare (Nina Hoss und Mark Waschke, Stephanie Eidt und Renato Schuch), die aufeinander treffen und die sich mit ihren Problemen immer weiter in Diskussionen verwickeln, so dass die Probleme zum Vorschein kommen. Die Fassaden aus schicken Designerklamotten im Yuppi-Restaurant bröckeln schnell. Dazu kommt die verschrobene Mutter des einen Mannes (großartig Lore Stefanek!). Erwähnenswert, weil perfekt ausgewählt: Die Kostüme von Florence von Gerkan.

22.05.15 - Wengenroths Autorenklub - Ausgabe Neun: Maxim Gorki (Schaubühne)
Mit Robert Beyer, Laurenz Laufenberg, Sebastian Schwarz. Musik: Matze Kloppe
Für mich der bisher beste Autorenklub. Diesmal findet er wieder im "Globe" statt und es gibt Wodka, der auch mal umgetreten und verschüttet wird. Es wird zwischendurch kräftig nachgeschenkt - allerdings teilweise auch Wasser (man weiß es erst beim Probieren) - da die Gläser schnell vom Publikum geleert werden. Ob Sebastian Schwarz (als Anton Tschechow) auch Wodka und wenn ja, wie viel getrunken hat, ist unklar. Bei einem Schauspieler weiß man halt nie so genau, ob's vielleicht gespielt ist. Laurenz Laufenberg tritt als Wolfgang Joop auf und hat, sich wie ich finde den Habitus des Designers ziemlich gut abgeschaut. Die große schlanke Erscheinung passt dazu. Alle drei Schauspieler spielen die erste Szene aus "Nachtasyl" mit dreimaliger Wiederholung und bauen dabei noch eine Spitze gegen Lars Eidinger ein (Was bleibt, wenn alle anderen Hamlet spielen? Schau, die Wolken von Sülz Maria!").
In der Spielzeitzeitung wird ein Resümee gezogen. Es ist u.a. zu lesen, dass neben 14 Ensemblemitgliedern und 13 Gästen, 54 Kostüme zu sehen waren, Texte aus 140 Büchern vorgetragen wurden, 5 Flaschen Whiskey, 4 Flaschen Korn, 2 Flaschen Mezcal, 1 Flasche Tequila, 250 Flaschen Bier und 10 Liter Rotwein von Darstellern und Publikum konsumiert wurden. Außerdem fielen 3 Menschen in Ohnmaht, davon 2 Zuschauer und 1 Gast... ("Das alles kann Theater, wenn es live und lebendig ist. Und die gute Nachricht zum Schluss - der Wahnsinn geht weiter!"). Ob das Format in der nächsten Spielzeit fortgesetzt wird, ist noch ungewiss. Wir hoffen!

23.05.15 - Fabian oder Der Gang vor die Hunde (Erich Kästner // Regie: Peter Kleinert // Schaubühne)
Studierende der Ernst Busch Hochsschule für Schauspielkunst im 3. Jahr treten in jeder Spielzeit im Studio der Schaubühne mit einem Stück auf. In der Dramatisierung von Erich Kästners Roman "Fabian" wird das gezeigt, was viele Jugendliche in Berlin auch heute erleben: Das hecktische Suchen nach Spaß um jeden Preis - ohne Orientierung, rasend schnell und unaufhaltsam. Vor allem Hauptdarsteller Timocin Ziegler spielt überzeugend und mitreißend. Erneut ein eindrucksvoller Abend der Ernst-Busch-Schauspielschüler.

26.05.15 - Complexity of Belonging (Falk Richter & Anouk van Dijk // Gastspiel aus Melbourne// Schaubühne)
Zum fünften mal haben Richter und van Dijk (mittlerweile Intendantin der Chunky Move Company Melbourne) gemeinsam ein Stück erarbeitet. "Complexity of Belonging" hatte in diesem Jahr beim Melbourne Festival Premiere. Wieder treffen persönliche Geschichten auf politische und soziale Themen: Die titelgebende Zughörigkeit und die Frage nach der Identität bzw. Herkunft spielt bei den austratralischen Schauspielern und Tänzern eine große Rolle. Wie immer bei Falk Richter geht es aber auch um Beziehungen, Gender und Sexualität sowie Partnerschaft und deren Scheitern. Belonging wird zu longing. Vernetzung und soziale Medien fehlen ebensowenig. Das Theater von Falk Richter ist einmalig - bezeichnend u.a. die Nutzung des gesamten Bühnenraums und die langen, schnellen Monolge, die er seine Schauspieler sprechen lässt (besonders bemerkenswert der Schlussmonolog einer Schauspielerin, die 176 Eingenschaften aufzählt, die ein Mann haben muss). Mal wieder ein beeindruckender, bewegender Abend!

30.05.15 - Das Himbeerreich (Andres Veiel // Deutsches Theater)
Die Welt der Banker. Für sein Stück hat Andres Veiel mehr als 20 führende Banker interviewt und ist in seiner Recherche den Verbindungslinien zwischen den persönlichen Motiven und den gesellschaftlichen Strukturen im Finanzwesen gefolgt. Jeder der Protagonisten erzählt seine persönliche Geschichte, in der Erfolg und Scheitern oft dicht beieinander liegen. Die einzige Frau unter den Erzählenden bringt noch einen zusätzlichen Faktor mit ein: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die für Frauen ohnehin schwieriger ist. Nach 60 Vorstellungen wurde "Das Himbeerreich" am 30. Mai 2015 abgespielt.
Andres Veiel ist für seine Dokumentationen (u.a. "Die Spielwütigen" über vier Schauspielschüler/innen der Ernst Busch Hochschule für Schauspielkunst) und Dokumentarstücke bekannt. Für sein Stück "Der Kick", das die Ermordung eines 16jährigen Jungen durch Neonazis thematisiert, nutzte Veiel 1.500 Seiten Gesprächsprotokoll, die er mit Jugendlichen im brandenburgischen Dorf Potzlow führte. 

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