23. April 2015

F.I.N.D. 2015 (Teil 1): Amazon Beaming, The Civil Wars, Saddam Hussein – A Mystery Play, Spam.

Halbzeit beim F.I.N.D. an der Schaubühne. Bisher war es eine tolle Woche. Die Stücke aus UK, der Schweiz,  Israel und Argentinien, die ich gesehen habe, geben neue Impulse und heben sich durch die Art der Inszenierung und die Art des Spielens von dem ab, was man sonst in der Schaubühne (und den Berliner Bühnen überhaupt) sieht.

Amazon Beaming: Work in Progress
(Complicite // UK // Performance und Regie: Simon McBurney)
Es geht los! Simon Mc Burney verpackt den Roman "Amazon Beaming" von Petru Popescu in eine Klangwelt. Wer sich darauf einlässt, erlebt wie das Gehör mittels neuartiger Audio-Technologie getäuscht werden kann. Eine Show wie eine Achterbahnfahrt.

The Civil Wars (Koproduktion mit dem International Institute of Political Murder // Schweiz/Deutschland // Konzept, Text und Regie: Milo Rau)
Schwere Kost am zweiten Tag! Zwei belgische und zwei französische Schauspieler/innen erinnern sich an ihre Jugend und erzählen von ihren Vätern. Ausgangsüberlegung ist die Frage, was junge Menschen dazu treibt, nach Syrien zu reisen, um dort einen Gottesstaat zu errichten. Die Berichte berühren sehr. Um die Nähe zu entschärfen, sprechen die Schauspieler/innen nicht direkt zum Publikum, sondern in eine Kamera.

Aus "Saddam Hussein - A Mystery Play" von Yonathan Levy

Saddam Hussein - A Mystery Play (HaZira Performance Art Arena // Israel // Text und Regie: Yonatan Levy)
Sonntag geht es im Studio weiter: Es geht um Öl. Eine Performance, Tanz, ritualisierte Gesten, Gesänge und Texte. Saddam Hussein - bzw. vier Doppelgänger - verteidigt das Öl gegen die Welt. Im Stück des israelischen Autors und Performers Yonathan Levy wird niemand verschont: westliche wie östliche Politiker (vor allem Busch junior und senior).

Spam (Rafael Spregelburd & Zypce // Argentinien)
Ursprünglich wollte ich heute gar nicht in die Schaubühne. Aber V. lädt mich kurzfristig zu "Spam" ein. Und es war einer der besten Abende des F.I.N.D. 2015 bisher:
Ein Mann, der sein Gedächstnis verloren hat, rekonstruiert das, was zuvor geschah. Nach und nach baut er sich - nicht chronologisch - die letzten Tage vor der Amnesie zusammen. Als Anleitung dient eine Wand, auf der 31 Tafeln ungeordnet für jeden Tag des Monats stehen. Zuschauer wir Darsteller müssen nun die Teile der Geschichte zusammenzufügen: Ein Smoking von James Bond, sprechende Puppen, die fälschlicherweise fluchen, da jemand den Sprachchip manipuliert hat, und virtuelle PayPal Millionen. Ist er Mario Monti, der ehemalige italienische Ministerpräsident? Und was hat es mit der ausgestorbenen Sprache auf sich? Diese wird anhand von Filmeinspielern erläutert. Ein Stück, bei dem wir mit Mengen an ("unnützem") Wisssen versorgt werden und dabei ganz schön unser Köpfchen anstrengen müssen. Begleitet wird Spregelburd von Zypce, der die Szenen mit den passenden Klangelementen anreichert.

Mehr lesen? Auf dem Festivalblog "Pearsons Preview" schreibt Joseph Pearson wie schon im letzten Jahr über alle Produktionen des F.I.N.D. und gibt Hintergrundinfos.

22. Februar 2015

Spielen. Warten. Blenden. (Rückblick Januar 2015)

02.01.15 - Die Ehe der Maria Braun (nach einer Vorlage von Rainer Werner Fassbinder // Regie: Thomas Ostermeier // Schaubühne)
Die Produktion ist eine Übernahme aus den Münchner Kammerspielen und wurde mit Schauspieler/innen der Schaubühne neu besetzt. Ursina Lardi ist (nicht nur) als Maria Braun toll. 

18.01.15 - Tartuffe (Molière // Regie: Michael Thalheimer // Schaubühne)
Tartuffe zum Dritten: Wieder gut. Noch besser sogar! Die Vorfreude auf die Schlussszene mit Urs Jucker als Monsieur Loyal, die Anleihen an Louis de Funès hat, wird belohnt. Faszination des sich drehenden goldenen Bühnenbild-Kastens. Eva Meckbach als Elmire statt Regine Zimmermann ganz anders, gut -  sie ist viel sinnlicher und nicht so kantig. Obwohl Lars Eidingers Tartuffe die Figur mit der großen Anziehungskraft im Stück ist, bleibt der Blick immer wieder an Ingo Hülsmann (Orgon) hängen, der fanatisch sein Idol anbetet und dabei sogar seine Kinder verstoßen will.

31.01.15 - Warten auf Godot (Samuel Becket // Regie: Ivan Pantelev // Deutsches Theater)
Die Inszenierung wurde zum Theatertreffen 2015 eingeladen. Zu recht. Geplant war die Inszenierung mit Dimiter Gottscheff - dazu kam es nicht mehr, da der Regisseur 2013 starb. Sei Freund Ivan Pantelev übernahm mit Schauspielern der Gottscheff-Familie: Samuel Finzi und Wolfram Koch. Warten. Auf was? Und warum? Wie vertreibt man sich die Zeit, wenn man nichts anzufangen weiß. Tanzen. Spielen. Gedichte aufsagen ("Ein Hund kam in die Küche und stahl dem Koch ein Ei." Nette Anspielung auf den Spielpartner.) Das bewährte Duo Finzi und Koch - können nicht ohneeinander. Im Stück auch nicht miteinander, kommen nicht voneinanderlos, wie eingesperrt in einem Raum. Der Trichter in der Mitte des Bühnenbildes nimmt alles auf, spukt alles aus, was im Stück eingesetzt wird.

4. Januar 2015

Familienangelegenheiten (Rückblick Dezember 2014)

14.12.14 - We are golden Weihnachtsausgabe (Eva Meckbach // Schaubühne)

20.12.14 - Showing der Theaterpädagogik der Schaubühne (Leitung: Wiebke Nonne) Schauspieler/innen der Theaterpädagogik spielen Szenen zu Themen, die sie Laufe des Jahres beschäftigten. / "Heute streng ich mich so richtig an!"

26.12.14 - Die kleinen Füchse (Lillian Helman // Regie: Thomas Ostermeier // Schaubühne)
Nina Hoss als Regina und die Inszenierung des künstlerischen Leiters sind einer der Riesenerfolge der Schaubühne...

27.12.14 - La Cousine Bette (nach Honoré de Balzac // Regie: Frank Castorf // Volksbühne)
...wer die fünf Stunden Castorf durchhält, erlebt großartige Schauspieler (allen voran Alexander Scheer) in artistischer Hochform...

2. Dezember 2014

Von allem etwas: Tanz, Film, Bücher, Show und Theater (Rückblick November 2014)

01.11.2014 - ERÖFFNUNG Theaterbuchhandlung Einar & Bert

12.11.2014 - The Wyld (Friedrichstadtpalast)
...Schaubühnendirektor Friedrich (!) Barner lud anlässlich seines 25-jährigen Schaubühnenjubiläums in den Friedrichstadtpalast (!) ein. In der Show von Manfred Thierry Mugler darf man keine tieferen Sinn erwarten - pures Entertainment....

21.11.2014 - Kasimir und Karoline (Ödön von Horváth, Regie: Jan Philipp Gloger Schaubühne)
..."Und die Liebe höret nimmer auf" untertitelt Ödön von Horváth sein 1932 veröffentlichtes Volksstück – und lässt Kasimir hinzufügen: "Ja, solange du nicht arbeitslos bist." Wer das Gefühl hat nutzlos zu sein, isoliert sich, so dass soziale Beziehungen fast unmöglich werden. Das im Hintergrund tobende Volksfest mit Biergelagen und Achterbahnfahrten bildet den Gegensatz zu Kasimirs Innerem. In der Schaubühne wird das Volksfest nur angedeutet - die Schauspieler agieren auf einer schwarzen Bühne.

23.11.2014 - KONZERT Helgi Johnsson (Theaterbuchhandlung Einar & Bert)

28.11.2014 - FILMPREMIERE Wiedersehen mit Brundibar (Regie: Douglas Wolfsperger, Schaubühne)

30.11.2014 - The Past (Constanza Macras, Schaubühne)
...Gedächstniskunst in Tanz umgesetzt...

30. November 2014

Filmpremiere: Wiedersehen mit Brundibar (Schaubühne / DIE ZWIEFACHEN)

Douglas Wolfspergers Dokumentarfilm über die Entstehung von „Nach Brundibar“ der Jugendtheatergruppe DIE ZWIEFACHEN (Leitung: Uta Plate) an der Berliner Schaubühne hatte am 28.11.2014 Premiere in der Schaubühne. Neben den Schauspieler/innen der ZWIEFACHEN war Greta Klingsberg anwesend – eine Protagonistin des Films, die 1944 die Hauptrolle in der Kinderoper im Ghetto Theresienstadt spielte.

„Brundibár“ wurde 1938 von Hans Krása komponiert. Nach seiner Deportation 1942 in das KZ Theresienstadt schrieb er die Partitur erneut auf. Dort wurde die Oper 55-mal gespielt und gab den teilnehmenden Kindern ein Stück Normalität und Freude zurück. Die Rollen mussten immer wieder neu besetzt werden, da viele der Darsteller in Vernichtungslager deportiert wurden. Der Nazi-Propagandafilm „Theresienstadt“ verwendete einen Ausschnitt aus der Oper, um Zweifelnden vorzutäuschen, wie normal und glücklich die Deportierten lebten. Hans Krása und fast alle Ausführenden wurden kurz darauf in Auschwitz ermordet.

In Wolfspergers Film reisen die Schauspieler/innen der Jugendtheatergruppe DIE ZWIEFACHEN nach Theresienstadt, um deutsche Vergangenheit aufzuarbeiten. Ihre Mitreisende: Greta Klingsberg, eine charismatische alte Dame aus Israel, die eine der wenigen Überlebenden der Originalbesetzung von »Brundibár« ist und den Jugendlichen die Scheu vor den Schrecken der Vergangenheit nimmt. Schnell wird klar, dass sie mehr verbindet, als ihnen bewusst war, und zur »Brundibár«-Premiere in der Schaubühne sitzt Greta im Publikum, tief berührt von der Darstellung ihrer Freunde in »ihrem« Stück.

Besonders beeindruckend im Film: Wie die Jugendlichen über ihre eigene Vergangenheit sprechen und aus welchen familiären Verhältnissen sie kommen bzw. entflohen sind. Auch wie differenziert sie ihre Gedanken zur deutschen Vergangenheit im Worte fassen können berührt. In dem Film folgenden Gespräch mit dem Publikum zeigt sich dies erneut. Wohlüberlegt antworten sie auf die Fragen.

Ich hatte das Glück, während der Films neben Greta Klingsberg zu sitzen. Während sie von links, rechts, vorne und hinten von Menschen aus dem Publikum angesprochen und befragt wurde, hielt ich mich mit Fragen zu ihrem Leben zurück. Dennoch habe ich mich sehr nett mit ihr unterhalten und habe den Eindruck gewonnen (der auch im Film bestätigt wird), dass eine beeindruckende Persönlichkeit mit jeder Menge Energie, Lebensfreude und einem ganz eigenwilligen Kopf neben mir sitzt. Sie hat übrigens bei jedem Original-Ausschnitt aus „Brundibar“ laut mitgesungen sowie diverse Stellen im Film kommentiert.

DIE ZWIEFACHEN
1999 wurde auf Initiative der Theaterpädagogin Uta Plate (bis 2014 an der Schaubühne) die Jugendtheatergruppe DIE ZWIEFACHEN ins Leben gerufen – eine Gruppe von Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren, die aus schwierigen psychischen und sozialen Situationen kommen und meist in betreuten Wohnprojekten leben. DIE ZWIEFACHEN zeigten ihre Arbeiten an der Schaubühne, in der JVA Plötzensee sowie auf nationalen und internationalen Festivals. Vier Produktionen waren Ergebnisse binationaler Kooperationen.

WIEDERSEHEN MIT BRUNDIBAR
Eine Douglas Wolfsperger Filmproduktion, Berlin in Co-Produktion mit Negativ Film Productions Prag / Cine Impuls, Stuttgart / WDR in Zusammenarbeit mit arte gefördert von MEDIA / Medienboard Berlin-Brandenburg / Medien- und Filmgesellschaft, Stuttgart / Tschechischer Filmfonds / Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds / Ursula Lachnit-Fixson Stiftung / bkm / Anne Frank Fonds

18. November 2014

Einar & Bert - Deutschlands erste Theaterbuchhandlung

Die erste Theaterbuchhandlung Deutschlands eröffnete am 1. November am Prenzlauer Berg. „Einar & Bert“ – eine Referenz an Einar Schleef und Bertolt Brecht – bietet auf 80 Quadratmetern Theaterliteratur, Zeitschriften und Plakate der Berliner Theater. Außerdem ist in den Buchladen ein Café integriert.

Noch bis zum 30. November finden Veranstaltungen in der Buchhandlungen statt: Lesungen, Konzerte und Diskussionsrunden (u.a. mit Almut Zilcher, Roland Schimmelpfennig, Gob Squad und Falk Richter). Der Eintritt kostet 8 Euro/ermäßigt 5 Euro. Für Kartenreservierungen schicken Sie eine E-Mail an info@einar-und-bert.de.

Eröffnungsfeier: Einar & Bert, Winsstr. 72, Berlin-Prenzlauer Berg
In der Berliner Schaubühne, im Haus der Berliner Festspiele und im Thalia Theater Hamburg befinden sich ebenfalls Verkauafsstände von „Einar & Bert“. Darüber hinaus sind bundesweit Büchertisch-Kooperationen mit Theatern und Festivals geplant.

Winsstr. 72
10405 Berlin
www.einar-und-bert.de

14. November 2014

Schöne Stimme & Schauspielschüler (Rückblick Oktober 2014)

10.10.2014    Backstage Ostermeier - Thomas Ostermeier stellt sein Buch in der Schaubühne vor, Eva Meckbach liest ausgewählte Passagen und Florian Borchmeyer moderiert...Erinnerungen an Gert Voss, Einblicke in die vielen Gastpiele im Ausland und die Reaktionen des Publikums, Tränen bei Ostermeier als ein Filmausschnitt eines Workshop zum Hamlet in Palästina gezeigt wird ("Ich weiß gar nicht, ob die Schauspieler dort noch leben. Was die dort erleben, kann man sich hier nicht vorstellen.")

12.10.2014    We are golden  - Eva Meckbach präsentiert einen Liederabend im Studio der Schaubühne... Die Schauspielerin schrieb 13 Briefe an Freunde und Fremde und bat sie je einen Song zurückzuschicken, den sie mit persönlichen Sehnsüchten verbinden. Daraus entstand "Thirteen notes about yearning". Sie interpretiert die Song neu und wird begleitet von den Musikern Claus Erbskorn und Thomas Witte. Ein Abend mit Joni Mitchell, Patti Smith, The Organ, Fink, Nina, Simone, Simon & Garfunkel uvm.

25.10.2014    Small Town Boy - Maxim-Gorki-Theater
...diese Inszenierung wurde kontroverse diskutiert und sehr verschieden angenommen. Was man wissen sollte: Die Figur im Stück, die das Plädoyer gegen Putin, Steinbach und andere hält, spiegelt nicht die Meinung des Autors und Regissuers (Falk Richter) wieder, sondern ist bewusst überzogen.

26.10.2014    Die heilige Johanna der Schlachthöfe - Schaubühne
....Erfolgsstück des Absolventejahrgangs 2013 der Ernst-Busch-Hochschule. Jede Spielzeit inszeniert Peter Kleinert (Dozent an der Hochschule) an der Schaubühne mit Schauspielschülern ein Stück. Auf diese Weise können sich die jungen Schauspieler an, die Bühne eines großen Stadttheaters gewöhnen. Normalerweise laufen diese Stücke etwa acht mal. Die "Johanna" ist allerdings so erfolgreich, dass sie mittlerweile über 50 mal lief.