20. Mai 2011

tt11: Stückemarkt Preisverleihung

Die Gewinner/innen des Stückemarkts stehen fest. Den Förderpreis der neuen Dramatik erhält Juri Sternburg ("der penner ist jetzt schon wieder woanders"). Den Werkauftrag erhält Anne Lepper ("Hund wohin gehn wir") und mit dem Hörspielpreis wurde Mario Salzar ("Alles Gold was glänzt") ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch!

Hier ist das Interview, das die tt11-Blogger/innen mit den drei Autor/innen führten, nachzulesen - sehr amüsant!

Das besondere am Stückemarkt bzw. den szenischen Lesungen der neuen Texte ist aus meiner Sicht das Rohe und noch nicht Eingeordnete. Bei der Lesung von "Brachland" (Dimitrij Gawrisch), die ich zu Beginn des Stückemarkts sah, ging mit der Technik einiges schief und die Schauspieler verpassten hier und da ihre Einsätze. Das verzeiht man ihnen aber gern, weil es zeigt, dass der Text noch nicht in eine fertige Inszenierung gepackt ist und noch ganz viel Spielraum für Interpretation und Umsetzungsmöglichkeiten lässt.

14. Mai 2011

tt11: "Verrücktes Blut" von Nurkan Erpulat


Schiller in Kreuzberg mit sieben Schüler/innen arabischer und türkischer Herkunft. Die Lehrerin kämpft zunächst einen aussichtslosen Kampf: An die Umsetzung des Sturm-und-Drang Stücks "Die Räuber" mit den Jugendlichen ist nicht zu denken, denn sie schafft es zunächst kaum, sie zu einem respektvollen Umgang miteinander und ihr gegenbüber zu bewegen. Dabei ist "Respekt" ein Begriff, der den Protagonisten zwar leicht und häufig über die Lippen geht, deswegen aber keinesfalls praktiziert wird.

Als ihr eine geladene Pistole aus dem Rucksack eines Schüler in die Hände fällt, übernimmt sie die Regie. Zunächst noch unsicher und zitternd entwickelt sie sich im Laufe des Stücks zu einer kompromislosen Bestimmerin über die Handlungen der Jugendlichen. Mit Drohungen und Gewalt erzwingt sie Dialoge aus "Die Räuber" und "Kabale und Liebe", die sich im Laufe des Spiels verselbständigen. Plötzlich verschwimmen die Realität der jungen Schauspieler mit der Handlung bzw. den Texten der Dramen. Die Lehrerin will die Schülerin mit Kopftuch dazu bringen, sich aus ihrer Rolle der unterdrückten Muslima zu befreien, fordert von dem Jungen kurdischer Herkunft endlich selbstbewusst zu sein und sich gegen seine Peiniger zu wehren und bringt den Macho, der die anderen unterdrückt dazu, sich mit heruntergelassener Hose zu unterwerfen.

Während die Lehrerin zunehmend aggressiver versucht, die Schüler/innen dazu zu bewegen, über ihre Handlungen und ihre Attitüden zu reflektieren, kippen die Reaktionen dieser: Plötzlich fordern sie Toleranz und eine zweite Chance für den Schurken - sie schreien nach den Werten der Aufklärung, die ursprünglich auf dem Lerhplan standen.

Irgendwann gelangt das Mädchen mit Kopftuch in den Besitz der Waffe und hat zum ersten mal die Chance, den jungen Männern zu sagen, wo es lang geht. Sie nimmt ihr Kopftuch ab, kann aber mit der neuen Situation nicht umgehen. Sie verliert die Kontrolle über ihr Tun. Ist die Forderung der Lehrerin nach mehr Emanzipation muslimischer Mädchen zu naiv, zu schnell? Sind ihr die Konsequenzen bewusst? Und so wird jeder Befreiungsschlag der Schüler/innen sofort wieder in Frage gestellt...

Am Schluss wird klar: Es ist alles bloß Theater. Doch einer - der schüchterne kurdische Junge, der während der ungewöhnlichen Probe, den Franz Moor spielen musste - nimmt seine Rolle allzu ernst und kann das Spiel nicht beenden. Auch dann nicht als alle alle ihn beschwören, jetzt aufzuhören.

Trotz des ernsten Themas und der Brutalität und Rücksichtslosigkeit, die hier inszeniert wird, erlaubt das Stück den Zuschauer/innen immer wieder aberwitzige Momente und Lacher, die einem freilich in der nächsten Sekunde wieder im Halse stecken bleiben.

Verrücktes Blut
Ballhaus Naunynstraße, Berlin / Ruhrtriennale
von Nurkan Erpulat und Jens Hillje

Mit Sesede Terziyan und Nora Rim Abdel-Maksoud, Erol Afşin, Emre Aksızoğlu, Tamer Arslan, Sohel Altan G., Rahel Johanna Jankowski, Gregor Löbel

Uraufführung 02. September 2010, Gebläsehalle, Duisburg
Premiere 09. September 2010, Ballhaus Naunynstraße, Berlin

Termine beim Theatertreffen 2011:
11./12./13./14. Mai 2011, 20 Uhr

Weitere Infos zum Stück.

Foto: Ute Lankafel












8. Mai 2011

tt11: Theaterpreis Berlin 2011 für die Gotscheff-Familie


Wo Thilo ist, will Dimiter Gotscheff wissen, nachdem er den Theaterpreis gemeinsam mit seinen Schauspieler/innen Almut Zilcher, Wolfram Koch und Samuel Finzi entgegen genommen hat. Er habe Sarrazin persönlich eingeladen, er sei wohl nicht da. Er habe ihm zeigen wollen, wie es ist, wenn "vier Gaukler mit Migrationshintergrund" in Deutschland einen Preis erhalten. Die "Gaukler" kommen aus Bulgarien (Gotscheff und Finzi), Koch wuchs in Frankreich auf und Zilcher ist ein "armes Flüchtlingskind" aus Österreich.

Auch in Samuel Finzis Dankesrede geht es um Herkunft: Er könne noch immer nicht Deutsch sprechen, aber da er ja Schauspieler sei, würde er einfach so tun, als könne er es. Er hoffe, als Schauspieler mit Migrationshintergrund nach dem Erhalt des Theaterpreises den ersten Teil dieses Wortes streichen zu können - vielleicht irgendwann mal nur noch den letzten Teil zu benötigen: Schauspieler mit Grund.

Wolfram Koch, der es wie Luther halten möchte ("Tritt fest auf, machs Maul auf, hör bald auf."), erzählt eine bezaubernde Anekdote über einen Kindertheaterbesuch mit seinem 5jährigen Sohn.

Almut Zilcher erklärt in Anlehnung an ihre Rolle aus Ritter, Dene, Voss, wie es ist, in der Gotscheff-Familie zu leben und zu spielen. Und als Zuschauer/in wird einem nach der fast 2,5stündigen Preisverleihung wieder einmal klar, auf der Bühne sehen wir doch die am liebsten, die da auch hingehören: Schauspieler.

Das beweist nicht zuletzt auch der moderierende Peter Jordan, indem er die Patzer in der Technik durch spontane Improvisationen rettet. Überhaupt können die Zuschauer/innen dank seiner Auftritte immer wieder zwischen den zahlreichen Redebeiträgen kurz durchatmen und entspannt lachen.

Noch nie ging der Theaterpreis an ein vierköpfiges Team. Die Schauspieler beflügeln den Regisseur und umgekehrt heißt es in der Jurybegründung. Und das ist der Grund, warum Gotscheff sich den Preis mit drei Mitgliedern seiner "Familie" teilen darf. Dazu passt das Foto auf dem Programm zur Preisverleihung: Koch und Finzi sitzen auf Zilchers und Gotscheffs Schoß - ein ungewöhnliches, aber wunderschönes Motiv.

Herzlichen Glückwunsch an die Preisträger/innen und danke dafür, immer noch mehr Lust aufs Theater zu bekommen!

3. Mai 2011

tt11 Pressekonferenz (3. Mai 2011)

Wer wissen möchte, welche Themen die Teilnehmer/innen der heutigen tt11 Pressekonferenz bewegten, kann dies im Live-Blogging des tt-Blog nachlesen.

Iris Laufenberg, Leiterin des Theatertreffens, sagt während der PK übrigens: "Das Theatertreffen ist ein Festival für das Publikum, nicht für die Elite." ---- Ehrlicherweise müsste man allerdings dazu sagen, dass es sich beim tt-Publikum um ein sehr spezielles handelt. Es wäre wünschenswert, dass sich beide Seiten einander stärker öffnen.

26. April 2011

Kein Blick hinter die Maske: "Im Dickicht der Städte" (BE) - Gastblog


Mit TheaterBlick Gastbloggerin Anna habe ich "Im Dickicht der Städte" (Inszenierung: Katharina Thalbach) im BE besucht. Ihre Eindrücke zum Stück beschreibt sie wie folgt:

Ein mir völlig unbekanntes Brechtstück, das ich gefühlsmässig zwischen NYC, Bukarest und Kolumbien ansiedeln würde - ohne auch nur eins davon zu kennen. Es vereint alle Abgründe dieser Welt und schmilzt alles zusammen in einen dicken Klumpen Ziel- und Sinnlosigkeit, die täglich vor der Tür lauert. Dabei haben die Schauspieler aber so entrückend und - eben maskiert - gespielt, dass kaum eine Identifikationsmöglichkeit bestand, auch wenn eigentlich alle menschlichen Eigenschaften und Abgründe gleichzeitig bedrohlich nahe waren. Eine Mischung aus bekannten, vielleicht auch verdrängten Gefühlen, dem Geschmack von mittelmäßigem Magazinjounalismus, den man sich voyeuristisch reinzieht und der irgendwie kleben bleibt und alltäglichem realistischem Wahnsinn. Und weil niemand da so wirklich durchblickt, klopft man einfach mal bei jemandem an, der meint noch Ideale zu haben, um ihn über einer vermeintlichen Ziellinie zu brechen. So schnell kann das gehen....

Ich möchte dem noch folgendes hinzufügen:
Möglicherweise werde ich zukünftig bei dem Wort "Absinth" sofort an ein flirrendes grün-gelbes Licht denken müssen. Dieser Effekt wurde in der Inszenierung eingesetzt, um den "Genuss" ebenjenes Getränks zu visualisieren.

Foto: Barbara Braun

17. April 2011

3. Lange Nacht der Opern und Theater: Es wird immer besser!

Alle guten Dinge sind drei: Sie wird immer besser - die Lange Nacht der Opern und Theater. Und ich kann an dieser Stelle den Verantstaltern ein großes Lob dafür aussprechen, dass sie kräftig daran arbeiten, es den Theater- und Opernfans immer angenehmer zu machen. Der dritte Anlauf dieser tollen Veranstaltung war aus meiner Sicht gelungener als in den beiden Jahren zuvor.

Dieses Jahr haben wir uns in keiner Minute gehetzt oder unter Zeitdruck gefühlt und konnten uns stets gut gelaunt an den von uns ausgewählten Orten sogar noch etwas entspannen (v.a. auf den Polstermöbel in der Box & Bar des DT). Entspannt verlief es für uns zwar auch dank unseres durchdachten Ablaufplans - auch wir haben ja schon zwei Jahre Übung - aber auch wegen der besseren Abwicklung durch die Veranstalter.

Als wir nach der ersten Station (Maxim-Gorki-Theater, Penthesilea) in den Lange-Nacht-Bus stiegen wurden, wir von der Freundlichkeit des Busfahrers überrascht, der, ohne seine gute Laune zu verlieren, darum bat, doch die Lichtschranke an den Türen frei zu halten. Der freundliche Herr war dann gar nicht der Fahrer (wäre auch befremdlich in Berlin), sondern einer der Lange-Nacht-Guides, die auch spät um 23.30 Uhr, als wir unsere letzte Fahrt antraten, noch immer serviceorientiert und munter waren. So macht das Spaß!

Vor der Volksbühen und dem DT waren dankenswerter Weise Würstchenbuden und Getränkestände aufgebaut, was zum Verweilen einlud. Deswegen und weil Stefan Kaminski (wie zu erwarten) unser Highlight des Abends war, sind wir am DT einfach etwas länger geblieben als geplant - und haben uns zwei Teile seines Live-Hörspiels Es kam von oben angeschaut/-hört. Davon kann man einfach nicht genug bekommen! Die 12 letzten Lieder von und mit Nicolas Stemann sowie Maria Schrader, Margit Bendokat u.a., von denen wir immerhin vier im Ausschnitt des Stückes dargeboten bekamen, luden sogar zum Mitsingen ein und dazu, die Liste der Dinge, die man unbedingt auf Berlins Bühnen noch sehen muss, um eines zu erweitern.

Sogar die Abschlussparty in der Volksbühne war besser als 2010. Die Musikauswahl lockte die Menschen schneller auf die Tanzfläche als im Vorjahr und sorgte dafür, dass sie da auch blieben. Auch der Einlass, der einen im letzten Jahr noch Nerven und viel Geduld gekostet hatte, ging vollkommen unkompliziert vonstatten. Die Securitys, die 2010 noch unangenehm überengagiert waren, hatten in diesem Jahr einen leichten Job.

Über eine persönliche Errungenschaft, die allerdings nicht nur während der langen Nacht zu erwerben ist, habe ich mich besonders gefreut: Ich liebe "Theater-Devotionalien" wie Bleistifte (DT), Streichholzschachteln (Volksbühne), Pfefferminzdöschen (Berliner Festspiele) usw. Das Deutsche Theater verkauft z.Zt. Taschen, die aus der Plane gefertigt werden, die während der Umbauarbeiten vor dem Haus angebracht war. Darauf zu sehen, waren Szenenfotos des laufenden Spielplans. Die Taschen, die aus dieser Plane genäht wurden, sind dementsprechend alles Einzelstücke. Wer Interesse an einer solchen hat, sollte schnell zuschlagen, denn die Auflage ist auf 100 Stück begrenzt. Auf meiner Tasche ist übrigens ein kleiner "Ausschnitt" aus Herz der Finsternis zu sehen, das ich 2010 am DT gesehen habe.

14. April 2011

tt11: Es gibt noch Tickets!

Wer schon mal versucht hat, Tickets für das Theatertreffen zu bekommen, ist sicherlich auch schon mal enttäuscht worden. Die Stücke, die man gerne sehen will, sind oft ganz schnell ausverkauft. Manchmal bleiben dann nur noch die teuren Karten für über 50 Euro.

Im Moment gibt es tatsächlich noch einige wenige Restkarten, z.B. für:
Nora, Die Beteiligten, Der Kirschgarten, Via Intolleranza II und ein paar Sachen vom Stückemarkt.
Am besten über den Webshop der Berliner Festspiele bestellen.