26. März 2010

Shakespeares Sonette revisited


Diese Woche war ich noch mal in Shakespeares Sonetten im BE (Wilson/Wainwright). Und ich fand es wieder toll - fast noch besser als beim ersten mal. Denn dieses mal konnte ich mich auf und über die Szenen freuen, die ich schon kannte. Am liebsten hätte ich mitgesungen. Was besonders schön war: Von den 10 Personen, die mit mir da waren, waren 9 ebenso begeistert. Geteilte Freude ist ja bekanntlich doppelte Freude!

Ich hoffe, dass es eine CD vom Stück geben wird und überlege noch mal reinzugehen. Vielleicht mit Freunden, die mich in Berlin besuchen. Dieses Stück muss einfach jeder gesehen haben!

11. März 2010

Pressekonferenz zur 2. Langen Nacht der Opern und Theater

Theater, Musik und Tanz vom Keller bis unters Dach

Im Rahmen der Pressekonferenz zur 2. Langen Nacht der Opern und Theater (10. April 2010) wurde heute das Programm vorgestellt. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf Tanz. Neu ist ein spezielles Programm für Kinder und Jugendliche. Als besonderes Highlight wurde eine öffentliche Probe von "Wie es euch gefällt" (Theater am Kurfürstendamm, Regie: Katharina Thalbach) angekündigt.

Jede Bühne und jedes Haus setzt sein Programm anders in Szene: Sie lassen sich in den Bauch gucken (Schaubühne), präsentieren den Umbau auf offener Bühne (Staatsoper), erlauben den Blick hinter die Kulissen (Friedrichstadtpalast, Renaissance-Theater) und den Probenbesuch (s.o.).

Ab Mitternacht findet in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz die Lange-Nacht-Party statt.

Die Lange Nacht ist zum einen als Inspiration für diejenigen gedacht, die nicht so häufig ins Theater gehen. Für geübte Theatergänger kann sie ein neues und vollkommen anderes Theatererlebnis sein. Es geht nicht darum, ein oder zwei Stücke komplett zu sehen. Vielmehr sollen sich die Zuschauer treiben und inspirieren lassen.

Darüber hinaus ist die Lange Nacht vor allem eine Möglichkeit, insbesondere die kleinen Bühnen kennen zu lernen, deren Programm von Lokalkolorit geprägt ist.

Eröffnet wird die Lange Nacht am 10. April 2010 um 18.00 Uhr am Platz des 18. März.

Während der Langen Nacht können die Zuschauer acht Shuttle-Bus-Linien nutzen, die zwischen den Veranstaltungsorten eingesetzt werden. Die Tickets gelten während der gesamten Nacht auch für alle öffentlichen Verkehrsmittel.

http://berlinertheaterblick.blogspot.com/

http://berlin-buehnen.de/langenacht/de_DE/program

15. Februar 2010

Diktatorengattin-Doppelgängerin-Doppelgängerin

Schon bevor das Stück beginnt, finden sich die Zuschauer in einer für das Theater eher ungewöhnlichen Situation. Sie müssen auf Sitzsäcken Platz nehmen. Das führt dazu, dass sich alle so benehmen, als ob sie sich zu Hause im Wohnzimmer vor den Fernseher flätzen. Man macht es sich mit der Jacke unter dem Kopf gemütlich, kann genüsslich die Beine ausstrecken und jederzeit ganz entspannt die Sitz- bzw. Liegeposition verändern.

Was dann folgt ist ein 1,5 stündiger Spaß auf unter hinter der Bühne. Die Protagonistinnen verschwinden immer wieder hinter die Kulissen. Dort werden sie (zunächst) unbemerkt von einer Kamera gefilmt und philosophieren über das Theater:

„Kann ich denn nicht in meinem Kleid rumstehen und tun, was ich kann als Ersatz für eine Inszenierung. Ich muss doch nicht in Kostümentwürfen rumstehen, die aussehen wir aus Abu Ghraib und die Carmen singen. […] Die kriechen auf dem Boden rum und wälzen sich in ihrer Spucke […] Dann stehe ich eben mit einem Fächer vor einem Don José in einem Astronautenanzug, na und?“

Diese Kritik der Doppelgängerin der Diktatorengattin (Elena Ceaucescu) mutet wie pure Ironie an. Denn: Wie oft hören wir derlei Anmerkungen über das zeitgenössische Theater. Wie oft müssen sich die Theaterleute der Volksbühne wohl solche Vorwürfe über die eigenen Inszenierungen anhören? Pollesch hat sich bestimmt ins Fäustchen gelacht, als er diese Zeilen schrieb und damit so vielen Theatergängern den Spiegel vorhält.

Gewürzt wird das ganze von slapstickartigen Einlagen – Sophie Rois und eine ihrer Doppelgängerinnen stehen sich gegenüber und spielen Original und Spiegelbild –, rustikalem Witz – mit den Worten „wir müssen sie verschwinden lassen“ werfen sie eine Decke über den Leichnam des getöteten Diktators alias Olive – und einem grandiosen Verwirrspiel der Identitäten. Pollesch verwischt die Grenzen von Darstellung und Dargestelltem, die Schauspielerinnen wechseln ständig zwischen verschiedenen Figuren hin und her, tauschen ihre Rollen.

Über allem steht – wie so oft – die schauspielerische Leistung von Sophie Rois, die Elena Ceaucescu im schmalen Rock mit Puffärmeln brillant hysterisch gibt.

3. Februar 2010

Schauspieler in der Kneipe

So geht das nicht! Andere Menschen quatschen bei jeder unpassenden Gelegenheit irgendwelche Soap-Sternchen, Fernsehmoderatoren und Musiker an, um ihre Autogrammsammlung zu erweitern. Ich hingegen bringe es nicht übers Herz, einen Theaterschauspieler anzusprechen, wenn er neben mir in der Kneipe sitzt oder an der Kasse steht. Ein Autogramm will ich gar nicht. Ich würde ihm oder ihr nur gerne sagen, dass ich ihn/sie in dem und dem Stück gesehen habe und ihn/sie da ganz toll fand.

Gestern saß ich mit einer Freundin in einer Kneipe und zwei Tische weiter ein Schauspieler, der mir schon in diversen Inszenierungen aufgefallen war. „Geh doch mal hin!“ hat meine Freundin gesagt. Habe ich aber nicht. Nicht weil ich mich nicht getraut habe, sondern weil ich ihn nicht nerven wollte. Dabei hätte er sich bestimmt über ein Kompliment gefreut. Ich finde sowieso, dass man die Leistung von Theaterschauspielern nicht genug honorieren kann.

Ich werde das ab jetzt besser machen: Wenn ich irgendwo einen Schauspieler sehe, den ich mag, und er sich nicht gerade mit seiner Freundin im innigen Zwiegespräch befindet, werde ich einfach hingehen und ihm meine Hochachtung ausdrücken.

24. Januar 2010

Prolls vor der Glotze: Tod eines Handlungsreisenden in der Schaubühne

Ich halte das deutsche Fernsehen derzeit für eine absolute Zumutung und bin erschüttert darüber, was uns sowohl die Privaten als auf die Öffentlich-Rechtlichen derzeit anbieten. Da kommt mir diese Inszenierung wie gerufen.

Nicht im Amerika der 40er sondern im gegenwärtigen Deutschland spielt Luk Precevals „Tod eines Handlungsreisenden“ (A. Miller) an der Schaubühne. Familie Loman sitzt im Unterhemd vor dem Fernseher und starrt stur auf die Mattscheibe. Hier wird nicht mehr mit-, sondern nur noch aneinander vorbei geredet. Man schaut sich beim Reden nicht an, sondern nur in die Glotze. Aber auch da ist kein Heil zu finden, denn die Talk- und Quizshows, Reality-TV und Halbwissenssendungen plätschern so vor sich hin. Die Inhalte sind genauso belanglos und dumm, wie das was die Familienmitglieder von sich geben. Das Fernsehprogramm ist das Spiegelbild dieser sozial degenerierte Familie, die sich vom Schwachsinn einlullen lässt – oder umgekehrt? Der Vater, Willy Loman (Thomas Thieme), hört seiner Frau und den Söhnen nicht zu und faselt fortwährend davon, wie toll seiner Karriere verlaufen ist. Dabei hat er die Bedürfnisse der Familienmitglieder vollkommen aus dem Blick verloren und verkennt, dass er beruflich am Ende ist. Auch mit Beleidigungen spart er nicht und brüllt unkontrolliert jeden an, der versucht, an sein Verständnis zu appellieren. Es wird mit Bierdosen geworfen und sich geprügelt. Die Wut des Sohnes, Biff (Bruno Cathomas) schaukelt sich bis zur Aggressivität. Die angestauten Emotionen entladen sich.

Und über den Köpfen der Zuschauer schwirrt ein Gedanke: So möchte man nicht sein. Diese Gefühl kennt man: Wer einmal eine Sendung des sogenannte Unterschichtenfernsehen, das in seinen zahllosen Reality-Formaten die „Schicksale“ von Menschen entblößt, gesehen hat, kennt die Fremdscham, die einem beinahe körperliche Schmerzen bereitet, zu gut. Nein, so bin ich zum Glück nicht, denkt hier sicher jeder. Und wieder stellt sich die Frage: Spiegelt das Fernsehen die Gesellschaft wieder oder schauen sich die Zuschauer ein Verhalten und menschliches Miteinander ab, das das Fernsehen vormacht. Gesteigert wird das Ganze noch durch die Auftritte der jungen Frau, der Affäre Willy Lomans, die wie ein Porno-Queen mit hochgepitschter Stimme und entblößten Brüsten auf der Bühne und in den Köpfen der Zuschauer für Peinlichkeiten sorgt. Das Ende, der Tod von Willy Loman, erscheint einem da nach fast zwei Stunden Familienzoff fast wie eine Erlösung. Die Familie versammelt sich nebst Geliebter zur Totenwache und Lomans Chef macht ein Foto von der Leiche – zur Erinnerung.

Fazit: Probleme sollten ausgesprochen werden. Deren Lösung findet sich nicht im Fernsehen. Denn das kann derzeit kaum mehr als billige Unterhaltung leisten. Lieber öfter mal ins Theater gehen.

8. Januar 2010

Theaterstücke lesen

Wenn mich ein Theaterstück besonders beeindruckt hat, habe ich immer das Bedürfnis, das Drama danach auch zu lesen. Leider stelle ich dann immer wieder fest, dass Dramen eben für die Bühne gemacht sind. Ein Stück zu lesen, macht mir nicht mal halb so viel Spaß wie es zu sehen. Selbst dann nicht, wenn ich es unter dem unmittelbaren Eindruck der Inszenierung - also direkt danach - lese. Ich empfinde es als furchtbar anstrengend, mich in die Handlung hineinzuversetzen und besonders dann, wenn viele Figuren in einer Szene auftreten, verliere ich den Faden.

Schillers sämtliche Dramen habe ich während des Studiums gelesen und mich mit vielen Textstellen ausgiebig beschäftigt. Ich liebe Schiller und kann die Texte teilweise mitsprechen, wenn ich ein Stück sehe. Aber: Egal, wie intensiv ich mich damit auseinandergesetzt habe, so richtig verstanden habe ich die Stücke immer erst, wenn ich sie gesehen habe. Der eigene Interpretationsrahmen ist zwar dadurch eingeschränkt, dass in der Inszenierung schon eine Deutung vorgegeben ist, aber erst das gesprochene Wort und die Darstellung ist wirklich greifbar.

Da BE veröffentlicht übrigens in seinen Programmbüchern immer die Strichfassung seiner Inszenierungen. Hier kann man sehr gut sehen, wie Regisseure und Dramaturgen mit dem Text arbeiten und welche Aspekte ihnen wichtig erscheinen. Daher empfehle ich allen Theaterstückelesern die Investition von 5 Euro in diese schicken Druckerzeugnisse.

7. Januar 2010

Kriemhilds Blutbad in der Schaubühne

Auf den leeren Stufen einer ansteigenden Tribüne sitzen Kriemhild, Siegfried, Hagen und alle anderen Figuren der Nibelungen-Sage. Sie tragen Alltagskleidung und wirken auch sonst ziemlich nichtssagend. Von schillernden Sagenfiguren und Helden ist nichts zu spüren. Sie wirken antriebslos. „Erzähl uns was, der Tag wird sonst zu lang“ beginnt König Gunther das 31/2 stündige Stück von Hebbel. Und so treten die Figuren des Dramas auf: Siegfried, der glänzende Held der Nibelungen-Sage, wirkt bisweilen wie ein Riesenbaby, ist übergewichtig, schlecht gekleidet und ungeschickt. König Gunther ist ein Durchschnittsbürger im Rollkragenpulli und Hagen sieht aus wie ein Student, den man erst nach und nach als eine der zentralen Figuren wahrnimmt. Er entpuppt sich freilich im Laufe des Stückes als mörderischer Psychopath. Kriemhild und Brunhild sind Mädchen in Röckchen und Lederjacke. Alles in allem scheinen die Sagenhelden entzaubert. Aber das ist auch gut so, denn in der Inszenierung von Marius von Mayenburg, dem Hausdramaturgen der Schaubühne, tritt somit stärker das zutage, um was es in den Nibelungen geht: Eifersucht, Rache, Wut, Betrug, Verrat, Großmut…

Erzählt wird viel, zumindest am Anfang halten sich die Schauspieler noch mit Aktionen zurück. Umso präsenter wirkt die von Hagen auf die Bühne getragene Riesen-Axt – das Schwert Balmung. Nach den bekannten Lügen, Intrigen und Misstrauen entspinnt sich das Unaufhaltsame. Brunhild wird betrogen, fordert Rache, die von Hagen durchgeführt wird. Siegfried stirbt, was in Kriemhild wiederum noch größere Rachegelüste wachruft. Nicht zuletzt auch dadurch, dass der eigene Bruder nicht zu ihr steht, sondern sich oportunistisch auf die Seite Hagens stellt.

Das Stück endet schließlich in einem furiosen Blutbad, und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Hagen, Gunther und Giselher schütten mehrere hundert Liter Blut vom oberen Absatz des Gerüsts. Ein rauschender roter Wasserfall ergießt sich minutenlang über die Treppe in der deren Mitte Kriemhild sitzt. Wer jetzt „typisch Schaubühne“ denken mag, dem sei gesagt, dass diese Szene aber genau das verdeutlicht, was im Stück gerade stattfindet: Kriemhilds nicht zu bremsender Blutrausch, der erst enden darf, wenn Hagens Kopf abgeschlagen wird. Die Königin, zu Beginn des Stückes noch ein braves, fast unschuldiges Mädchen, hat sich in eine rasende Mörderin verwandelt, der kein Opfer und kein Verlust zu groß ist, um ihr Ziel zu erreichen: die Rache an ihrem Gatten. Ideologie und Fanatismus haben sie blind gemacht gegenüber jeglicher Moral.

"Die Nibelungen" in der Schaubühne bleibt mit seinen Bildern und der Botschaft im Gedächtnis. Auch wenn bei dem sehr textlastigen Stück etwas Kondition gefragt ist, so lohnt es sich schon wegen des schauerlich beeindruckenden Endes bis zum Schluss zu bleiben.