24. Januar 2010

Prolls vor der Glotze: Tod eines Handlungsreisenden in der Schaubühne

Ich halte das deutsche Fernsehen derzeit für eine absolute Zumutung und bin erschüttert darüber, was uns sowohl die Privaten als auf die Öffentlich-Rechtlichen derzeit anbieten. Da kommt mir diese Inszenierung wie gerufen.

Nicht im Amerika der 40er sondern im gegenwärtigen Deutschland spielt Luk Precevals „Tod eines Handlungsreisenden“ (A. Miller) an der Schaubühne. Familie Loman sitzt im Unterhemd vor dem Fernseher und starrt stur auf die Mattscheibe. Hier wird nicht mehr mit-, sondern nur noch aneinander vorbei geredet. Man schaut sich beim Reden nicht an, sondern nur in die Glotze. Aber auch da ist kein Heil zu finden, denn die Talk- und Quizshows, Reality-TV und Halbwissenssendungen plätschern so vor sich hin. Die Inhalte sind genauso belanglos und dumm, wie das was die Familienmitglieder von sich geben. Das Fernsehprogramm ist das Spiegelbild dieser sozial degenerierte Familie, die sich vom Schwachsinn einlullen lässt – oder umgekehrt? Der Vater, Willy Loman (Thomas Thieme), hört seiner Frau und den Söhnen nicht zu und faselt fortwährend davon, wie toll seiner Karriere verlaufen ist. Dabei hat er die Bedürfnisse der Familienmitglieder vollkommen aus dem Blick verloren und verkennt, dass er beruflich am Ende ist. Auch mit Beleidigungen spart er nicht und brüllt unkontrolliert jeden an, der versucht, an sein Verständnis zu appellieren. Es wird mit Bierdosen geworfen und sich geprügelt. Die Wut des Sohnes, Biff (Bruno Cathomas) schaukelt sich bis zur Aggressivität. Die angestauten Emotionen entladen sich.

Und über den Köpfen der Zuschauer schwirrt ein Gedanke: So möchte man nicht sein. Diese Gefühl kennt man: Wer einmal eine Sendung des sogenannte Unterschichtenfernsehen, das in seinen zahllosen Reality-Formaten die „Schicksale“ von Menschen entblößt, gesehen hat, kennt die Fremdscham, die einem beinahe körperliche Schmerzen bereitet, zu gut. Nein, so bin ich zum Glück nicht, denkt hier sicher jeder. Und wieder stellt sich die Frage: Spiegelt das Fernsehen die Gesellschaft wieder oder schauen sich die Zuschauer ein Verhalten und menschliches Miteinander ab, das das Fernsehen vormacht. Gesteigert wird das Ganze noch durch die Auftritte der jungen Frau, der Affäre Willy Lomans, die wie ein Porno-Queen mit hochgepitschter Stimme und entblößten Brüsten auf der Bühne und in den Köpfen der Zuschauer für Peinlichkeiten sorgt. Das Ende, der Tod von Willy Loman, erscheint einem da nach fast zwei Stunden Familienzoff fast wie eine Erlösung. Die Familie versammelt sich nebst Geliebter zur Totenwache und Lomans Chef macht ein Foto von der Leiche – zur Erinnerung.

Fazit: Probleme sollten ausgesprochen werden. Deren Lösung findet sich nicht im Fernsehen. Denn das kann derzeit kaum mehr als billige Unterhaltung leisten. Lieber öfter mal ins Theater gehen.

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