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11. Mai 2016

Rückblick Januar bis April 2016: Autorenklub, Streitraum, Poetry Slam, Karneval, Hommage und ((re-)re-)re-visited Stücke

Schon sind wieder vier Monate seit dem letzten Rückblick vergangen. Viel hat sich angesammelt an Erfahrungen und Erlebnissen. Ich habe 21 Stücke gesehen, 2 Autorenklubs von Wengenroth besucht und an 8 weiteren Theater-Veranstaltungen teilgenommen. Der April war natürlich vom FIND geprägt - dazu hatte ich bereits ausführlich berichtet. Auch Max Penthollow hat mir wieder geschrieben, seine Berichte habe ich im Text verlinkt.


JANUAR

08.01. Probedurchlauf Die Mutter von Bertolt Brecht (Schaubühne)
Studierende der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" zeigen zusammen mit Urusla Werner als Mutter einen Theaterklassiker "aus einer Zeit, in der die Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft noch möglich schien" und blicken "auf eine Gegenwart, die Revolution und Veränderung immer nötiger hat". Wie immer führt Peter Kleinert Regie. Die Musik kommt von Hanns Eisler, die musikalische Leitung hat Mark Scheibe. Wir vom Freundeskreis dürfen diesen Probedurchlauf sehen, bevor die Student/innen vor dem "richtigen" Publikum spielen können.

Ursula Werner als "Die Mutter" mit Celina Rongen, Felix Witzlau (Foto: Gianmarco Bresadola)


16.01. PREMIERE Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs von Milo Rau (Schaubühne)
Eine großartige Ursina Lardi in einem bedrückenden wie beeindruckenden Stück über den Völkermord in Ruanda, die Grenzen des Humanismus und Mitleids. Der Text entstand als eine Art Zusammenschnitt von Interviews mit NGO-Mitarbeiter/innen und Kriegsopfern sowie eigenen Erfahrungen der Schauspielerin und des Regisseurs.

Ursina Lardi als Entwicklungshelferin in "Mitleid" (Foto: Daniel Seiffert)

18.01. Freunde der Schaubühne // Freunde feiern: Neujahrsempfang bei Friedrich Barner 
Bericht im Archiv des Freundeskreises

22.01. re-visited Stück Plastik (Schaubühne)
Hatte ich beim letzten mal erwähnt, wie gut das Stück im "Globe" funktioniert? Ohne diesen Bühnen- und Zuschauerraum wäre das Stück nicht das, was es ist. Und dass, obwohl es sich um ein zeitgenössisches Stück handelt.

Perfekt im Globe: "Stück Plastik" mit Robert Beyer, Jenny König, Sebastian Schwarz, Marie Burchard (Foto: Arno Declair)


28.01. Wengenroths Autorenklub: Stefan Zweig (Schaubühne)
Viele Flaschen Blauer Zweigelt. Eine Flasche Veronal. Gesang. Eine Bowie-Hommage von Eva Meckbach. Laurenz Laufenberg eingehüllt in einen Teppich. Ulrich Hoppe sterbend auf dem Sofa. Wengenroth as always: great. Texte über Europa. Stefan Zweig!


FEBRUAR
 
01.02. Brasch/Eidinger/Kranz (Schaubühne)
Bericht von Max Penthollow und mir "Eine Verbeugung vor Thomas Brasch"

02.02. re-re-visited thisisitgirl (Schaubühne)
Dieses Stück muss bitte noch lange gespielt und von vielen gesehen werden. Hier noch mal der Link zu meinem Bericht von der Premiere.

Männer und Feminismus: Ulrich Hoppe und Laurenz Laufenberg in "thisisitgirl" (Foto: Gianmarco Bresadola)


12.02. Freunde der Schaubühne // Freunde treffen Künstler: "Nehmense 'n andern" - Ein Abend mit Ulrich Hoppe
...aber zum Glück haben wir ihn doch eingeladen! Bericht im Archiv des Freundeskreises

14.02. PREMIERE Borgen (Schaubühne)
Bericht von Max Penthollow "Brillanter Trash"

Fernsehen im Theater: Sebastian Rudolph in "Borgen" (Foto: Arno Declair)
 
19.02. Filmreihe Luc Bondy: Wintermärchen (Schaubühne)
Zum Andenken an Luc Bondy wurden in der Schaubühne Aufzeichungen verschiedener Bondy-Inszenierungen gezeigt. Eine Hommage an einen großen (Schaubühnen-)Regisseur.

28.02. Jewgeni Onegin (Komische Oper)
Eine seltene Ausnahme: Ich bin mal in der Oper. Und ich genieße es. Tolles Bühnenbild. Tolle Sänger sowieso. Eine Inszenierung von Barrie Kosky.


MÄRZ   

01.03. re-visited Die kleinen Füchse (Schaubühne)
Beim zweiten mal hat mir das Stück besser gefallen und ich habe die Qualität der Inszenierung erkannt. Max Penthollow schrieb darüber. Urisana Lardi als Birdie Hubbard - fantastisch!


Frauen gegen das Boys-Network: Ursina Lardi als Birdie in "Die kleinen Füchse" (Foto: Arno Declair)

11.03. re-re-re-visited Tartuffe (Schaubühne)
Ja, es ist immer noch gut. Nein, es ist auch beim vierten mal nicht langweilig.
Max schrieb darüber. Und: Ich auch.

Cathlen Gawlich als Dorine und Franz Hartwig als Damis in "Tartuffe" (Foto: Katrin Ribbe)


20.03. Carnival Al Ladjin - Karneval der Geflüchteten
My Right Is Your Right! und die Berliner Bühnen veranstalteten anlässlich des Globalen Aktionstags gegen Rassismus eine Demo und hatten folgende Forderungen:
Für ein Recht auf Bewegungsfreiheit
Für ein Recht auf Bildung
Für ein Recht auf Arbeit
Für ein Leben in Würde
Für ein Recht auf Mitgestaltung, Teilhabe und Teilnahme
Für die Abschaffung der Residenzpflicht
Gegen antimuslimischen Rassismus
Gegen Abschiebungen

Für ein Recht auf Mitgestaltung: Carnival Al Ladjin (Foto: Stefanie Eisenschenk)


24.03. Poetry Slam – Dead or Alive (Schaubühne)
Die Lebenden, vier Poetry Slamer (Lisa Eckhart, Frank Klötgen, Julian Heun, Toby Hoffmann) treten mit ihren selbst geschriebenen Texten gegen die Toten, vier bereits verstorbene Dichter, an. Die Dichter werden dargestellt von Iris Becher (Mascha Kaléko), Ulrich Hoppe (Konrad Bayer), Bernardo Arias Porras (Pumuckl) und Jenny König (Pablo Neruda). Besonders viel Spaß (sic!) hatte das Publikum mit Pumuckl, der von Bernardo Arias Porras als das interpretiert wurde, was er eigentlich ist: Ein Punk und Anarchist. Im Finale versuchen die Dichter mit Goethes "Prometheus" zu punkten und treten im Boxer-Outfit an - trotz Pumuckls beeindruckender Rezitation des Gedichts gewinnen (natürlich!) die Slamer.


APRIL
        
03.04. Streitraum: Antisemitismus in Europa (Schaubühne)
Carolin Emcke im Gespräch mit Daniel Cohn-Bendit, Agnes Heller und Stefanie Schüler-Springorum: Wie lässt sich Antisemitismus in Europa begegnen? Was sind die Ursprünge - welche Milieus und Motive bedingen Antisemitismus? Welche Rolle spielt der Nahost-Konflikt?

Über das FIND 2016 habe ich ausführlich berichtet.
Hier meine Reviews Teil 1, Teil 2 und Teil 3

21.04. Nora (Deutsches Theater)
Armin Petras hat das Stück von Ibsen für das DT überarbeitet: Nora und ihr Mann leben in einer bunten poppigen Welt. Sie sprechen eine - in dieser Inszenierung künstlich überzeichnete - Hippster-Sprache. In welchem gesellschaftlichen Konstrukt sollen sie leben?

25.04. Wengenroths Autorenklub: Friedrich Schiller (Schaubühne)
In der elften Ausgabe wird Schiller von Goethe (Performer Johannes Dullin) Konkurrenz gemacht. Außerdem gibt's Apfelkorn und verfaulte Äpfel auf der Bühne (jaja, Schiller - Tell - der Apfel). Und Ulrich Hoppe darf einen Text aus den Räubern als Ente sprechen (im Andenken an seine Ausbildungszeit bei einem "sehr berühmten Pantomime-Lehrer"). Iris Becher, Jule Böwe, Tilman Strauß und Mark Waschke konzentrieren sich auf Johanna, die Räuber und Goetz von Berlechingen. Tilman Strauß singt außerdem ein Abschiedslied, denn er wird das Ensemble (leider!) verlassen. Rührend!

26.04. Hamletmaschine (Deutsches Theater)
Vor neun Jahren hat Dimiter Gotscheff Heiner Müllers Hamletmaschine inszeniert und selbst darin gespielt. Zu einem Gastspiel in Havanna konnte er im Herbst 2013 nicht mehr mitreisen, trug aber dafür Sorge, dass eine Version gezeigt werden konnte, die seine Passagen per Video einspielte. Aus Anlass von Gotscheffs 73. Geburtstag ist diese Variante seiner legendären Inszenierung nun noch einmal am Deutschen Theater zu sehen. Im Zuschauerraum sind viele traurige und weinende Menschen - es ist eine Veranstaltung im Gedenken an eine großen Regisseur. Meinen Bezug zu diesem Theaterbesuch hatte ich im Zusammenhang mit dem FIND und der Milo Rau Inszenierung "The Dark Ages" bereits erwähnt - Valery Tscheplanowa erzählte.

19. Februar 2016

Eine Verbeugung vor Thomas Brasch: Max und Maren in der Schaubühne bei Brasch/Eidinger/Kranz

„Das Unvereinbare in ein Gedicht“


Max und ich waren wieder zusammen im Theater...

„Das Unvereinbare in ein Gedicht“ – Gedichte von Thomas Brasch, mit Lars Eidinger und George Kranz


Schaubühne Berlin – Montag, 1. Februar 2016 20:00 Uhr bis 21:30 Uhr


Lars Eidinger (Foto: Heiko Schäfer)


MAX: Saal A der Schaubühne ist voll besetzt, der Abend schon seit langem ausverkauft. Der Bühnenhintergrund ist eine senkrecht frei im Raum angebrachte weiße rechteckige Plane, die sich am Boden der Bühne nach vorn als Bühnenboden fortsetzt. Das Licht ist karg, fahlweiß.

MAREN: Ich habe einen Freund mitgebracht, der Schlagzeuger ist. Er geht nicht so oft ins Theater wie Max und ich. Ich bin sehr gespannt, wie seine Sicht auf den Abend ist.


Links sitzt George Kranz am Schlagzeug. Rechts steht Lars Eidinger am Mikrofon mit hellblauem Hemd über der schwarzen Hose und mit schwarzer Strickmütze, er liest aus zwei Büchlein mit neongrünen und pinkfarbenen kleinen Reitern als Lesezeichen. Lars Eidinger liest Gedichte von Thomas Brasch, zwischen den Gedichten macht George Kranz jeweils kurze Schlagzeugsoli, symmetrisch und abgestimmt auf den Gedichtvortrag.

Mir fällt auf: Lars Eidinger legt keines der beiden Bücher aus der Hand, sondern hält beide die ganze Zeit über.

Eidinger und Kranz lassen Thomas Brasch und sein Werk auf der Bühne erstehen. Sie machen das Andenken an Thomas Brasch im Saal lebendig, als einen, der sucht und der mehr Fragen hat als er Antworten weiß.

Zunächst wirken die Schlagzeugsoli von George Kranz wie eine Zäsur, bevor Text und Schlagzeug ein Ganzes ergeben.

Irgendwann kommt Braschs Gedicht  „Ich liebe Dich“: „„Ich liebe Dich“ kann man / auf dreierlei Weise betonen. / Wie spricht man den Satz ohne Betonung?“ Lars Eidinger liest kurz das Gedicht, dann spielt George Kranz auf dem Schlagzeug und spricht dazu den Satz „Ich liebe Dich“ ohne Betonung und immer wieder. Dazu erscheint der Text als einzige Projektion an diesem Abend, die Wörter jeweils einzeln und in großen schwarzen Lettern auf dem weißen Grund der Plane: ICH / LIEBE / DICH. Der dramatische Höhepunkt.

Der dramatische Höhepunkt ist wie ein Verschmelzen aller Sinne – alles läuft zusammen: Das Gehörte, das Gesehene, das Gefühlte.

Am Schluss kommt eine Zugabe von seitlich, außerhalb der Bühne. Die eigentliche Bühne bleibt dabei leer und dort ist dann nur noch einer: Thomas Brasch.

Die Zuschauer/innen wenden die Köpfe von rechts nach links, von links nach rechts und müssen beides über den Raum der Bühne einfangen und vereinbaren.

George Kranz spielt souverän, mit allem was es gibt, mit Schlagzeug, Hocker, Händen und Stimme. Lars Eidinger ist in seiner Art der Performance zurückgenommen, bescheiden, distanziert, schlicht und schnörkellos. Lars Eidinger und George Kranz machen den Abend zu einer großen Verbeugung vor Thomas Brasch.

Lars Eidinger sagt später im Gespräch im Café, dass er vermutete, einige Zuschauer/innen würden George Kranz' Rhythmus-Einlagen, die mit der Stimme produziert werden, als befremdlich und vielleicht unangenehm empfinden und würden daher lachen müssen – so wie eine Übersprunghandlung. Ich empfinde es als eine Besonderheit dieses wunderbaren Abends.

Thomas Brasch ist die Hauptperson auf der Bühne, der Star des Abends.

Ich fand es groß!

Es hat mich beeindruckt!

Mein Schlagzeuger-Freund ist auch beeindruckt und hat viele Assoziationen, die er Lars Eidinger mitteilt. Ich freue mich, dass Menschen, die mir wichtig sind, etwas mitnehmen können. Ein wirklich toller Abend!

Max und Maren