3. November 2015

Max Penthollow schreibt mir // Kapitel 7: Liegestütz und Golf - Executive’s Choice ("Don Giovanni" an der Deutschen Oper)

Max Penthollow schreibt mir...

Liebe Maren,

am 1. November 2015, war ich bei „Don Giovanni“ von Mozart in der Deutschen Oper. Die Inszenierung gibt es seit Oktober 2010. Ich fand es wunderbar und magisch.

Don Giovanni – Mozart – Deutsche Oper – Inszenierung: Roland Schwab - Musikalische Leitung: Daniel Cohen – Italienische Sprache  - Premiere am 16. Oktober 2010

Der Inhalt:
Don Giovanni ist der große Frauen-Vernascher und wird zum Schluss für sein ausschweifendes Lotterleben bestraft, indem er in die Hölle muss. Vorher dürfen wir aber noch reichlich teilhaben an seinem libertinären Leben.

Die Bestrafung war wohl für Publikum und Moralwächter der versöhnende Ausgleich, damit man  den frivolen Stoff auf die Bühne bringen konnte, für Männer und Frauen, die vielleicht selbst gern ihre Bessere Hälfte gegen zwei jüngere Viertel eingetauscht hätten.

Die Leute auf der Bühne sind gekleidet wie Menschen unserer Zeit, deren Anblick uns vertraut ist. Die Bühne ist schlicht in Anthrazit bis Schwarz, Investoren-Architektur. Don Giovanni wird flankiert von weiteren 20 Don Giovannis, Männern in dunkelgrauen Anzügen, mit gestählten Alabasterkörpern, Sixpack, Repräsentanten des Erfolgs. Männer aus einem Unternehmen mit Dress-Code, mit kompromisslosem  Anforderungsprofil und mit unerbittlichem Leistungsdruck.  Sie halten sich ständig fit, machen Liegestütze und anderes und trainieren ständig mit ihren Golfschlägern als den Insignien von Manneskraft und Mannesmacht. Sie haben gelbe Kärtchen, die sie dem Publikum zeigen, auf denen steht eine Zahl: die 6. Sie müssen immer bereit sein und sie sind immer bereit.

DON GIOVANNI von Wolfgang Amadeus Mozart , Deutsche Oper Berlin, copyright Bettina Stöss

Frauen in schlichten, sachlichen, wohl akzentuierten und nur leicht verspielten Kleidern in hellen Farbtönen, ganz feminin, starke Führungs-Frauen in mächtigen Führungs-Etagen.

Leporello ist Don Giovannis Persönlicher Referent, muskulös, drahtig, mit schwarzem Haar im Undercut-Style. Er führt eine Liste (das oder auch den „Leporello“) über Don Giovannis Fraueneroberungen, hier in Form von hellen Fetzen in einem schwarzen Müllsack.

Zwischendurch ein Auftritt anmutiger junger Frauen und fürsorglicher junger Männer, alle ganz in Weiß, unter herabhängenden Zweigen mit geschickt ausgeleuchtetem weißem Laub, für mich eine zauberhafte Impression.

Champagnerfest als Maskenball, karussellartige Bühnen-Aufbauten, Männerfitness, ein Fahrrad-Trainingsgerät und ein sportlicher Supertyp, der die Pedale jagt und ausdauernd alles gibt, bis der Indoor-Cycling-Trainer auch auseinanderfliegen könnte.

Don Giovanni lässt nichts anbrennen und nimmt, was er kriegen kann.

Nach der Pause hat sich die Bühne verändert, die Partygäste sind vom Fest angeschlagen, es ist dunkler geworden, die Stimmung ist gekippt. Es gibt umgestürzte Tische und viele schwarze Müllsäcke.

Im 3. Akt Exzess der Völlerei, mit Querverweis zur Silvester-TV-Show über den 90.Geburtstag und Hommage an Butler James und Miss Sophie: der immer betrunkener werdende Leporello schenkt Wein ein und trinkt ihn aus oder verschüttet ihn und navigiert geschickt über das Tigerfell! Déjà vu! Das Andere in der Wiederkehr des Gleichen! Sehr fein!

Grandiose und luxuriöse Bühnentechnik, wunderbare Mozart-Musik, grandioser Gesang, zum Schluss tobt der Saal im Bühnenglück der Deutschen Oper.

DON GIOVANNI von Wolfgang Amadeus Mozart , Deutsche Oper Berlin, copyright Bettina Stöss

Das Stück wird in dieser Spielzeit noch einmal gespielt, und zwar bald, am Donnerstag, 12. November, 19:00Uhr.

Das Bestechende an der Inszenierung ist für mich: die Einfachheit, Präzision und Klarheit in den Motiven und Symbolen, dazu die tolle Mozart-Musik mit dem wunderbaren Gesang.

Ich fand‘s einfach hinreißend und zauberhaft!

Ich liebe zur Musik ja auch immer die Bühnenshow und das visuelle Erlebnis und Abenteuer, und aus dieser Sicht empfehle ich:

„Fahr schnell los – zu deinem Opernhaus!“

Deutsche Oper
Donnerstag, 12. November, 19:00 Uhr bis 22:30Uhr
Kartentelefon: 030 / 343 84 343

Nichts wie hin!

Allerliebst

Max
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Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte
Uraufführung am 29. Oktober 1787 in Prag
Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 16. Oktober 2010

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Musikalische Leitung: Daniel Cohen
Inszenierung: Roland Schwab
Bühne: Piero Vinciguerra
Kostüme: Renée Listerdal
Chöre: Thomas Richter
Choreografische Mitarbeit: Silke Sense

Don Giovanni: Davide Luciano
Donna Anna: Aurelia Florian
Don Ottavio: Matthew Newlin
Der Komtur: Tobias Kehrer
Donna Elvira: Jana Kurucová
Leporello: Seth Carico
Masetto: Andrew Harris
Zerlina: Alexandra Hutton

Chöre: Chor der Deutschen Oper Berlin
Orchester: Orchester der Deutschen Oper Berlin

Weitere Informationen auf der Seite der Deutschen Oper.

31. Oktober 2015

Max Penthollow schreibt mir // Kapitel 6: Kleine Projekte – Großes Theater (Theaterpraktische Werkstatt an der Schaubühne )

Max Penthollow schreibt mir...

Liebe Maren,

hier habe ich für Dich – wie neulich schon besprochen - meinen Text zur „Theaterpraktischen Werkstatt“ an der Schaubühne. Sie wird regelmäßig durchgeführt von den Vertreter/Innen der Theaterpädagogik, Leitung Wiebke Nonne seit 2014, davor Uta Plate.

Ich war schon oft da! 

Ich habe es immer genossen, dabei zu sein, jeder einzelne Workshop war für mich ein besonderes Erlebnis und eine neue Erfahrung!

Was passiert da?

Wir arbeiten mit einem oder mit mehreren Menschen für eine kurze Zeit gemeinsam an einem sehr persönlichen kleinen Projekt, nämlich am Erfinden, Entwickeln und Aufführen einer kurzen Szene zu einem bestimmten Thema.

Wie funktioniert dieses Zusammenwirken von Menschen, die sich zum Teil  nicht kennen, wie geht jeder einzelne an so eine  Aufgabe heran, welche Dynamik entsteht und wie finden wir in der kurzen Zeit ein Ergebnis, eine Szene, die wir dann gemeinsam den anderen vorspielen?

Darauf gibt es keine Antwort, alles ist jedes Mal anders!

Das ist für mich immer wieder wunderbar an diesen kleinen Projekten, immer vollkommen spannend! 

Einige Teilnehmer/Innen kommen regelmäßig hin und kennen sich untereinander schon aus früheren Workshops.

Die Szenen werden: klassisch, verrückt, absurd - verstörend, befreiend, entzückend - zum Lachen und zum Weinen. Cäsar spielt mit Cleopatra, Tigerstreifenbaby mit Tarzan. Es gibt immer Applaus!

Bei der Aufführung der Szenen haben wir immer wunderbare Momente erlebt: unterhaltsam, bezaubernd, inspirierend - überraschend: Großes Theater!  

Das ist für mich das Besondere und Faszinierende an diesem Workshop: interaktive gemeinsame kleine Projekte und Großes Theater!

Allerfeinst!

Liebe Grüße

Max



Theaterpraktische Werkstatt, Theaterpädagogik Schaubühne, Probebühne im Studio, Leitung Wiebke Nonne.

Workshop jeweils zu einem bestimmten meist neueren Stück des Schaubühnen-Repertoires. Näheres im aktuellen Schaubühnen-Spielplan.

Ca. einmal monatlich, oft dienstags oder mittwochs, 18-22Uhr, vier Stunden, meistens ca. 20-25 Teilnehmer/Innen, alle Altersgruppen.

In der ersten Hälfte Warming Up, Kennenlernen, Lockerung, Entwicklung von Szenen zum Thema des Stücks in kleinen Gruppen. Kurze Pause, in der zweiten Hälfte Aufführung des Stücks in verkürzter Fassung. Alle sind einbezogen.

Neu seit Frühjahr 2015: auch Workshops in englischer Sprache, siehe aktueller Schaubühnen-Spielplan.

Karten kosten 2,50€, am besten frühzeitig reservieren und besorgen!

Infos zur Theaterpädagogik an der Schaubühne.

29. Oktober 2015

Viel Angst, viel Wut: Premiere "FEAR" von Falk Richter (Schaubühne)

Da ist ziemlich viel Wut im ersten Teil von Falk Richters neuem Stück FEAR. Wie kann es sein, dass in Deutschland seit Wochen Fremdenhass, Feindlichkeit gegen Homosexuelle und alternative Familienmodelle, Ablehnung der "Lügenpresse" und Politik massenhaft auf die Straße getragen und öffentlich im Netz und auf Pegida-Demos ausgedrückt werden? Woher kommt diese Angst?

Die Zombies sind wieder da (Foto: Arno Declair)
 Wie Zombies, unberechenbar, tauchen sie auf - Menschen mit Gedankengut, das man für längst überkommen hielt. Sehr aktuell, da nicht mal eine Woche vor der Premiere geschehen: Akif Pirinccis KZ-Rede und der Auftritt von Björn Höcke mit Deutschlandfahne bei Günther Jauch.

Auch andere Ängste spielen eine Rolle: Angst vor dem Verlust des Partners in einer Beziehung, Angst vor der Gestaltung der Zukunft...und natürlich unsere Angst vor Pegida, Neonazis, Fanatikern.

Warum diese Angst? (Foto: Arno Declair)
Mit Tänzeren und Schauspieler/innen versucht Falk Richter der Angst auf die Spur zu kommen. Verstärkt durch die Videos von Bjørn Melhus und O-Töne von Demonstranten. Natürlich ist das alles sehr performativ, aber man kann und darf sich gar nicht genug wehren gegen die Zombies.

"We are the others" - Frank Willens Worte am Ende des Stückes klingen fast wie eine Aufforderung.

Und wenn Tilman Strauß uns in seinem Monolog vorschlägt: Lasst uns doch versuchen, es anders zu machen und Alternativen auszuprobieren - dann ist das wie ein Appell uns nicht entmutigen zu lassen.
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Text, Regie und Choreographie: Falk Richter
(Die Choreographie entstand in Zusammenarbeit mit Denis Kuhnert, Frank Willens und Jakob Yaw.)
Bühne: Katrin Hoffmann   
Kostüme: Daniela Selig   
Musik: Malte Beckenbach   
Video: Bjørn Melhus   
Dramaturgie: Nils Haarmann   
Licht: Carsten Sander   

Mit: Bernardo Arias Porras, Denis Kuhnert, Lise Risom Olsen, Kay Bartholomäus Schulze, Alina Stiegler, Tilman Strauß, Frank Willens, Jakob Yaw   

Dauer: ca. 120 Minuten

Weitere Infos und Trailer auf der Seite der Schaubühne.

9. Oktober 2015

Max Penthollow schreibt mir // Kapitel 5 : Özzen Fözzen Tuzzi Muzzi – Walle Walle Bumm Bumm (Gedanken zu "Tartuffe" an der Schaubühne)

Max Penthollow schreibt mir...

Liebe Maren,

hier ist mein Text zu Tartuffe:


Tartuffe – Molière - Schaubühne – Regie: Michael Thalheimer - Premiere am 20. Dezember 2013


Der Inhalt

Der Hausherr Orgon ist so begeistert von dem besonders fromm und heilig erscheinenden Tartuffe, dass er ihm seine Tochter zur Frau geben und ihm sein Haus überschreiben will, damit Tartuffe für immer bei ihm und seiner Familie bleibt, „der gute Mann“!


Tartuffe macht sich an Orgons Ehefrau Elmire heran und vertreibt nach erfolgter Überschreibung des Hauses Orgon und seine ganze Familie aus dem Haus, fort, denn das Haus gehört ja jetzt ihm, Tartuffe.

Ein schlimmes Ende einer Komödie!


Fromm und heilig? Lars Eidinger als Tartuffe, Ingo Hülsmann als Orgon und Felix Römer als Madame Pernelle (Foto: Katrin Ribbe)

Die Historie: Molière, Tartuffe und Ludwig XIV

Molière musste sein Stück zweimal umschreiben (1664 bis 1669), die ersten beiden Fassungen wurden nach Premiere und Skandal verboten, erst die dritte Fassung kam auf die Bühne, protegiert vom König, Ludwig XIV, nur diese dritte Fassung soll noch erhalten sein.

Diese letzte Fassung hat ein Happy-End: Tartuffe ruft die Polizei, die erkennt in Tartuffe den lang gesuchten Betrüger und nimmt ihn fest, der König (!) in seiner großen Weisheit, Huld und Güte schafft Gerechtigkeit und löst den Vertrag über das Haus zugunsten von Orgon und seiner Familie. Alles wird endlich gut, die Familie kann im Haus wohnen bleiben, Tartuffe muss ins Gefängnis.

Ein schönes ausgleichendes glückliches Ende für gerechtigkeitsbewusste Genießer eines entspannenden und stimmungsgelösten Theaterabends zur Zeit Ludwigs XIV und zu allen Zeiten danach! 

Die Schaubühnen-Fassung

Sie ist die mutmaßlich ursprüngliche verbotene Version von Molières Stück: die Schaubühnen-Fassung lässt das Happy-End weg. Das Stück endet böse: die Familie muss aus ihrem Haus raus und fertig! 

Die tragenden Leit-Motive der Inszenierung:

Tongewaltige sakrale Musik im Orgel-Sound!

Dazu lautstark und wirkungssicher von Tartuffe (Lars Eidinger) deklamierte übermächtige alttestamentarische Bibelzitate über Gottes Segen und Fluch für Gehorsam und Ungehorsam, weitere eher verhaltene Bibelzitate am Schluss von der Zofe Dorine (Judith Engel / Cathlen Gawlich)!

Die Bühne als vertikaler quadratischer Kasten in Gold mit Stuhl und Wandkreuz, mitten in einem dunkelgrauen haushohen vertikalen Rad, mit diesem Rad rotierend!

Die handelnden Personen als bleiche Untote in zeitlosen Kostümen im Zombie-Look in bizarren Auftritten und Szenen!

„Özzen Fözzen Tuzzi Muzzi – Walle Walle Bumm Bumm!“

 Am Schluss tritt Zofe Dorine – ganz in Schwarz - an die Rampe und spricht mit leiser Stimme:

"Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen, bist fern meinem Schreien, den Worten meiner Klage? (…) Herr, es ist Zeit zu handeln; man hat dein Gesetz gebrochen."

Die "Untoten": Cathlen Gawlich als Zofe Dorine und Tilman Strauß als Valère (Foto: Katrin Ribbe)


Das Wesentliche ist für mich damit gesagt!

Ich fand’s wunderbar und fantastisch!

Meine Empfehlung:  nichts wie hin!


Liebe Grüße

Max
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Von: Molière   
Regie: Michael Thalheimer   
Bühne: Olaf Altmann   
Kostüme: Nehle Balkhausen   
Musik: Bert Wrede   
Dramaturgie: Bernd Stegemann   
Licht: Erich Schneider   

Orgon: Ingo Hülsmann   
Elmire: Regine Zimmermann   
Tartuffe: Lars Eidinger   
Dorine: Cathlen Gawlich   
Mariane: Luise Wolfram   
Damis: Franz Hartwig   
Valère: Tilman Strauß   
Cléante: Kay Bartholomäus Schulze   
Madame Pernelle: Felix Römer   
Monsieur Loyal: Urs Jucker   

Dauer: ca. 105 Minuten

Weitere Infos zum Stück auf der Seite der Schaubühne.

Mein (Marens Bericht) zum Stück hier.

22. September 2015

Fundstück: Spuren eines Schaubühnen-Fans am See

Wer war in der Schaubühne?
Im Sommer am Schlachtensee. Auf dem Weg zu einer Badestelle finden wir dieses Schaubühnen-Ticket an einem Baum. Wer hat es dahin gehefetet? Und warum? Wie hat ihm/ihr das Stück gefallen? Kennen wir sie/ihn? Und dieser Gedanke: Warum finde ich ausgerechnet ein Schaubühnen-Ticket an einem Baum am Badesee, wo es doch so viele Theater in Berlin gibt? Und so viele Badeseen.


18. September 2015

Nicht brav sein: Premiere von "thisisitgirl" von Patrick Wengenroth (im Studio der Schaubühne)

Ein bekanntes Zitat von Laurie Penny lautet »Being a good girl gets you nowhere. Asking nicely for change gets you nowhere. Mutiny is necessary. Class mutiny, gender mutiny, sex mutiny, love mutiny. It’s got to be mutiny in our time.«

"Nice(ly)" war es an der Schaubühne bei der Premiere von "thisisitgirl" (Realisation Patrick Wengenroth) am 16.09.2015 nicht, sondern laut und deutlich. Ungleichbehandlung und Maskulismus existieren - warum also nicht auf der Bühne zeigen.

Eine Schauspielerin (Iris Becher), drei Schauspieler (Ulrich Hoppe, Laurenz Laufenberg, Andreas Schröders) in Frauenkleidern, in Männerkleidern, in Unterwäsche, in hohen und flachen Schuhen (siehe dazu die Texte auf dem Programmzettel zum Stück) stellen Fragen, Frauenfragen für Frauen und Männer. Perspektivenwechsel inklusive.

Laurenz Laufenberg im Kleid und Andreas Schröders in Hose (Foto: Gianmarco Bresadola)
Iris Becher: Ihr findet es OK, wenn Frauen Jeans tragen, sich die Haare kurz schneiden und männliche Merkmale nachahmen. Weil es gut ist, ein Mann zu sein. Aber wenn Männer Frauenkleider tragen, findet ihr das unwürdig. Weil ihr die Frau selbst unwürdig findet (sinngemäß aus "thisisitgirl").

Ja. Doch! Es braucht ihn noch den Feminismus - solange Männer (und Frauen) immer noch nicht verstehen, warum wir gleiche Rechte in allen Bereichen haben müssen. Und das bedeutet nicht, dass Frauen bessere Männer werden müssen.

"Dit is it, girl!" - Iris Becher (Foto: Gianmarco Bresadola)

Vier mutige Schauspieler/innen im Studio der Schaubühne. Viel Humor, Ironie, Anleihen an die Popkultur (wie immer bei Wengenroth). Die Musik wie gewohnt von Matze Kloppe (im Einhornkostüm) und jede Menge Songs von den 80ern bis heute.

Eine tolle Premiere! Dit is it, girl!

Danach führte ich noch ein kurzes Gespräch mit Andreas Schröders und ein sehr langes und gutes mit Ulrich Hoppe. Schön war's!

Um weiter ins Thema einzutauchen, gibts von Einar & Bert einen Büchertisch mit feministischer Literatur.

Meine Leseempfehlungen:
Laurie Penny: Fleischmarkt
Yasmina Banaszczuk / Nicole von Horst / Mithu M. Sanyal / Jasna Strick: "Ich bin kein Sexist, aber ..."

Im Stück verwendete Literatur/Texte (u.a.):
Sylvia Plath: Die Tagebücher
Shulamit Firestone: Frauenbefreiung und sexuelle Revolution
Klaus Theweleit: Männerphantasien

Peter Pan - Ulrich Hoppe (Foto: Gianmarco Bresadola)

Realisation: Patrick Wengenroth   
Bühne: Mascha Mazur   
Kostüme: Ulrike Gutbrod   
Musik: Matze Kloppe   
Dramaturgie: Giulia Baldelli   

Mit: Iris Becher, Ulrich Hoppe, Matze Kloppe, Laurenz Laufenberg, Andreas Schröders, Patrick Wengenroth   

Dauer: ca. 135 Minuten

Weitere Infos zum Stück auf der Seite der Schaubühne.

Pearson's Preview zum Stück hier.

15. September 2015

Max Penthollow schreibt mir // Kapitel 4: Ungestillter Hunger (Gedanken zu "Bella Figura" an der Schaubühne)

Max Penthollow schreibt mir...

Liebe Maren,

hier ist mein kleiner Text zu Bella Figura:

Bella Figura - Yasmina Reza - Schaubühne Berlin - Premiere am 16. Mai 2015

Ehemann Boris möchte seine Affären-Freundin Andrea zum Abendessen ausführen in ein Lokal, das seine Ehefrau Patricia offenbar schätzt. Die beiden treffen dabei eine beste Freundin von Ehefrau Patricia, Francoise, nebst Lebensgefährten Eric und dessen Mutter Yvonne, die heute Geburtstag hat.

Zu ihrem Abendmahl kommen die beiden den ganzen Abend über nicht, ihr Hunger bleibt ungestillt.

Die fünf spielen über Einsamkeit und Angst, über Sehnsucht und Verlangen und über die Hoffnung auf die Aussicht einer Erfüllung einer Sehnsucht nach Glück, Nähe, Lust, Respekt, Hilfe in der Seelen-Not.

Nichts passiert, sie treten auf der Stelle, und indem sich die einzelnen Szenen auf der Bühne und im  Stück entwickeln, bleiben die Figuren und ihre Beziehungen miteinander ungefähr da, wo sie sowieso schon sind. Nichts richtig Zündendes.

Einsamkeit und Angst bleiben, Sehnsucht und Verlangen bleiben ebenfalls - unerfüllt. Ungestillt der Hunger nach Sex, ungestillt der Hunger auf das Abendessen. Keine Lust.

Am Ende des Stücks ist alles ungefähr genauso wie am Anfang. 

Vieles, was Menschen so aus ihrem eigenen Leben kennen - oder eben zum Glück auch nicht. Ewig aktuell!

Toll inszeniert, wunderbar gespielt, beste Besetzung, allerschönste und sorgfältigst komponierte Kostüme!

Querverweise und Hommagen an Luis Bunuel!

Die Langeweile und die Tristesse und der Stillstand, so erlebbar sie hier auf der Schaubühne sind, sie sind genau der Inhalt und der Stoff des Stücks. Nichts passiert. So what?!

Die Darsteller/innen spielen das schwermütige Stück leicht, heiter und witzig, mit großem Spaß am Spiel! Wunderbar!

So fand ich die Show dann doch irgendwie beschwingt, lustvoll und höchst unterhaltsam. Doch feinst!

Voilà! Ich war gleich zwei Mal da!

Bella Figura!


Allerliebst

Max


Am Ende wie am Anfang: Nina Hoss als Andrea und Mark Waschke als Boris (Foto: Arno Declair)

Regie: Thomas Ostermeier   
Bühne: Jan Pappelbaum   
Kostüme: Florence von Gerkan   
Musik: Malte Beckenbach   
Video: Guillaume Cailleau, Benjamin Krieg   
Dramaturgie: Florian Borchmeyer   
Licht: Marie-Christine Soma

Originalmusik von Malte Beckenbach
Weitere Instrumente: Christian Weidner (Altsaxophon, Sopransaxophon), Max von Mosch (Tenorsaxophon), Karl-Ivar Refseth (Vibraphon), Andi Haberl (Schlagzeug)

Andrea: Nina Hoss   
Boris Amette: Mark Waschke   
Françoise Hirt: Stephanie Eidt   
Eric Blum: Renato Schuch   
Yvonne Blum: Lore Stefanek   

Dauer: ca. 105 Minuten


Weitere Infos zum Stück auf der Seite der Schaubühne.

Pearson's Preview zum Stück hier.

Mein (Marens Bericht) zum Stück hier.