29. Juni 2011

Wenn Schlagworte zur Worthülsen verkommen: "Freedom & Democracy I hate you" von Mark Ravenhill (BE)


„Wir sind die Guten!“ rufen die Frauen zu Beginn von „Freedom an Democracy I hate you“ als sie sich gegen einen nicht näher benannten Feind zur Wehr setzen wollen. Sie sind die Guten, denn sie tun alles im Sinne der Freiheit und Demokratie. In allen elf Mini-Stücken aus dem Zyklus von Mark Ravenhill, der ursprünglich 17 kurze Stücke umfasst, werden diese Begriffe so inflationär gebraucht, dass sie zur hohlen Phrase verkommen. Ravenhill zeigt, dass die Schlagworte „Freiheit und Demokratie“ überall da eingesetzt werden, wo Grausamkeiten relativiert werden sollen. Sie sind die perfekte Rechtfertigung für Tod und Folter, Krieg und Psychoterror gegen den Feind, den es gilt für die eigene Sache gefügig zu machen. Und wer nicht mitspielt wird gebrandmarkt, wird zum Feind.

Immer wieder wird zudem die Frage gestellt, wie man am besten damit umgeht, wenn man sich im Kriegzustand befindet: Ignorieren - wie die Frau (Corinna Kirchhoff) in „Intoleranz“, die sich auf groteske Art mit ihren Frühstücksgewohnheiten und ihren Magenproblemen auseinandersetzt, während Kampfjets über ihr Haus fliegen. Verharmlosen - wenn die Mutter ihrem Kind in „Furcht und Elend“ erzählt, der Krieg sei „so weit, weit, weit weg“. Als Chance betrachten - wenn die Künstler in „Birth of a Nation“ Leute suchen, die schreiben, malen oder tanzen sollen, um von den Schrecken geheilt zu werden, denn „jeder will Kunst, jeder mag Kunst, also macht mal scheiß Kunst“. Verdrängen – wie in „Die Mutter“, in dem zwei Soldaten versuchen, einer Frau (Sevtlana Schönfeld) die Nachricht über den Tod ihres Sohnes zu überbringen. Diese lässt, die grausame Nachricht bereits erahnend, die Soldaten nicht zu Wort kommen und versucht durch schlüpfriges Geplauder die Situation herauszuzögern, in der die Ahnung zur Tatsache wird. Auch hier soll der Tod des jungen Soldaten am Ende damit relativiert werden, dass er schließlich für Freiheit und Demokratie gestorben sei.

Auch wenn jedes der kurzen Stücke eine für sich abgeschlossene Geschichte darstellt und von der Reihenfolge her austauschbar wäre, finden sich zwischen allen Mini-Dramen Handlungsparallelen und Schnittstellen.

„Freedom and Democracy“ hatte im Juni seine letzte Vorstellung auf der großen Bühne des BE. Eine Wiederaufnahme auf der Probebühne ist jedoch geplant.

Foto: Monika Rittershaus

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen