Posts mit dem Label Claus Peymann werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Claus Peymann werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

23. Juni 2016

"Wir sehen die Zukunft der Volksbühne bedroht!" - Offener Brief der Volksbühnen-Mitarbeiter/innen

Aus aktuellem Anlass: Am 20.6.2016 richteten sich die Mitarbeiter/innen der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in einem offenen Brief an die Berliner Kulturpolitik. Ab 2017 wird Chris Dercon (bisher Leiter der Londoner Tate Modern) Intendant der Volksbühne, er hat umfangreiche Veränderungen für das Haus angekündigt. In dem Brief, der von 180 Schauspieler/innen, Regiseur/innen und weiteren Mitarbeiter/innen des Hauses unterzeichnet wurde, wird die Sorge um die Zukunft der Volksbühne und die Befürchtung vor einem massiven Stellenabbau ausgedrückt. Eine konzeptionelle Weiterentwicklung sei bei Dercon nicht zu erkennen.

Die Unterzeichner/innen kritisieren die Berliner Kulturpolitik:
"Im Namen einer vermeintlichen Internationalisierung und Vielfalt arbeitet sie intensiv an der Zerstörung von Originalität und Eigensinn, mit der die Volksbühne weltweit Anerkennung findet."

Der Brief endet mit der Bitte an den Senat das Konzept von Chris Dercon und der Programmdirektorin Marietta Piekenbrock zu überprüfen.

Der offene Brief der Volksbühne an  die Parteien im Abgeordneten Haus von Berlin und die Staatsministerin für Kultur und Medien, Frau Prof. Monika Grütters.

Eine Reaktion von Claus Peymann, Direktor des Berliner Ensembles, ließ natürlich nicht lange auf sich warten. Er schrieb seinerseits einen offenen Brief und schimpft darin erneut auf den Regierenden Bürgermeister von Berlin Michael Müller sowie den Kulturstaatssekretär Tim Renner, glaubt die Volksbühne wird zur "Eventbude" degradiert und fordert Müller auf "seinen Fehler einzusehen". Peymanns Brief birgt, wie zu erwarten, eine gewisse Komik - größtenteils sicherlich gewollt, teilweise bestimmt auch ungewollt, wenn er z.B. von dem "ganzen, anderen modischen Quatsch, von dem man hört und weiß" spricht.

Der offene Brief von Claus Peymann an den Regierenden Bürgermeister von Berlin Michael Müller.

Zur Debatte um die Führung der Volksbühne hat sich u.a. Herbert Fritsch, Regisseur an der Volksbühne, in einem Tagesspiegel-Interview geäußert.

Auch Jürgen Schitthelm, Gründer und bis 2012 Direktor der Berliner Schaubühne, sprach im rbb kulturradio dazu. Er kritisierte, dass Dercon bisher keine klaren Aussagen zum Programm gemacht hat, obwohl er den Kurator für seine Verdienste in der bildenden Kunst schätzt, und äußerte Verständnis für die Mitarbeiter/innen der Volksbühne.

29. Juni 2011

Wenn Schlagworte zur Worthülsen verkommen: "Freedom & Democracy I hate you" von Mark Ravenhill (BE)


„Wir sind die Guten!“ rufen die Frauen zu Beginn von „Freedom an Democracy I hate you“ als sie sich gegen einen nicht näher benannten Feind zur Wehr setzen wollen. Sie sind die Guten, denn sie tun alles im Sinne der Freiheit und Demokratie. In allen elf Mini-Stücken aus dem Zyklus von Mark Ravenhill, der ursprünglich 17 kurze Stücke umfasst, werden diese Begriffe so inflationär gebraucht, dass sie zur hohlen Phrase verkommen. Ravenhill zeigt, dass die Schlagworte „Freiheit und Demokratie“ überall da eingesetzt werden, wo Grausamkeiten relativiert werden sollen. Sie sind die perfekte Rechtfertigung für Tod und Folter, Krieg und Psychoterror gegen den Feind, den es gilt für die eigene Sache gefügig zu machen. Und wer nicht mitspielt wird gebrandmarkt, wird zum Feind.

Immer wieder wird zudem die Frage gestellt, wie man am besten damit umgeht, wenn man sich im Kriegzustand befindet: Ignorieren - wie die Frau (Corinna Kirchhoff) in „Intoleranz“, die sich auf groteske Art mit ihren Frühstücksgewohnheiten und ihren Magenproblemen auseinandersetzt, während Kampfjets über ihr Haus fliegen. Verharmlosen - wenn die Mutter ihrem Kind in „Furcht und Elend“ erzählt, der Krieg sei „so weit, weit, weit weg“. Als Chance betrachten - wenn die Künstler in „Birth of a Nation“ Leute suchen, die schreiben, malen oder tanzen sollen, um von den Schrecken geheilt zu werden, denn „jeder will Kunst, jeder mag Kunst, also macht mal scheiß Kunst“. Verdrängen – wie in „Die Mutter“, in dem zwei Soldaten versuchen, einer Frau (Sevtlana Schönfeld) die Nachricht über den Tod ihres Sohnes zu überbringen. Diese lässt, die grausame Nachricht bereits erahnend, die Soldaten nicht zu Wort kommen und versucht durch schlüpfriges Geplauder die Situation herauszuzögern, in der die Ahnung zur Tatsache wird. Auch hier soll der Tod des jungen Soldaten am Ende damit relativiert werden, dass er schließlich für Freiheit und Demokratie gestorben sei.

Auch wenn jedes der kurzen Stücke eine für sich abgeschlossene Geschichte darstellt und von der Reihenfolge her austauschbar wäre, finden sich zwischen allen Mini-Dramen Handlungsparallelen und Schnittstellen.

„Freedom and Democracy“ hatte im Juni seine letzte Vorstellung auf der großen Bühne des BE. Eine Wiederaufnahme auf der Probebühne ist jedoch geplant.

Foto: Monika Rittershaus

26. Juni 2011

Das BE-Sommerfest 2011 / "Einfach kompliziert"

Die silbernen Schuhe von Corinna Kirchhoff hätte ich gerne gehabt (aber darin kann ich bestimmt nicht gehen). Das Kostüm von Stefan Kurth aus "Wintermärchen" geht für 10 Euro weg (nicht aufgepasst, als der Preis plötzlich so stark gesenkt wird - dafür hätte man zuschlagen sollen, selbst, wenn man das Kostüm gar nicht tragen kann). Und beim handbestickten Regenschirm bieten natürlich alle mit (der Preis schnellt in eine Höhe, die mein Budget übersteigt). Claus Peymann räumt wieder auf und versteigert auf dem Sommerfest des BE im Garten Requisiten, Kostüme uvm. aus dem Theaterfundus.

Eigentlich hätte er bis zum Beginn der Vorstellung des Bernhard-Stückes „Einfach kompliziert“ fertig werden sollen, aber da Peymann dazu neigt, ausführlich über sein Theaterleben und die Geschichte des BE zu philosophieren, dauert es eben länger. Peymann überzieht und das Publikum, das seit 19 Uhr im Theater sitzt, und Gert Voss hinter dem Vorhang müssen warten, bis draußen alles unter den Hammer gekommen ist. Als Peymann in den Zuschauerraum eilt, um die Verzögerung zu erklären, ruft eine Zuschauerin, dass er ja nicht auf die Bühne müsse. Diesen Zwischenruf ignoriert er. Es bleibt also unklar, warum die Vorstellung wegen der Versteigerung so spät beginnt.

Aber dann darf Voss ran und überzeugt als verschrobener alternder Schauspieler, der seinen Erinnerungen an die früheren Erfolge als Richard III. nachhängt. Mal lustig mal traurig gibt er Einblicke in sein Inneres. Voss spielt nicht nur mit Worten und Körper sondern vor allem auch mit seinem Gesicht. Er grimassiert sich durch das Stück und erzeugt so gleichermaßen Lachen und Mitleid beim Zuschauer. Voss, der diese Rolle in der Nachfolge von Bernhard Minetti spielt (für den Thomas Bernhard das Stück geschrieben hat), macht aus dem Stück sein eigenes Ding.

Als Ausgleich für die verlängerte Versteigerung fängt Peymann mit der Auslosung der Tombola einfach eine halbe Stunde früher als angekündigt an. Pech für die Zuschauer, die pünktlich kommen und verwirrt in Kauf nehmen müssen, dass sie ihren Preis vielleicht längst verpasst haben. Bei den Gewinnen lässt sich das BE allerdings nicht lumpen: Wahlabos, Meet & Greet mit Schauspielern, exklusive Theaterführungen und sogar ein original Brecht-Anzug. Gerne hätte ich das „Curryessen mit dem Intendanten des BE“ (ein Gespräch mit Peymann bei Konnopke) gewonnen. Es wäre bestimmt eine tolle Herausforderung gewesen, dabei zu Wort zu kommen.

11. Februar 2011

Ritter, Dene, Voss = Becker, Zilcher, Matthes (Deutsches Theater)

Mit dem Titel seines Stückes über die Hassliebe dreier Geschwister setzte Thomas Bernhard den Schauspieler/innen Ilse Ritter, Kirsten Dene und Gert Voss ein literarisches Denkmal und gab gleichzeitig die Besetzung der Uraufführung (1986) vor. Claus Peymann inszenierte das Stück bei den Salzburger Festspielen und brachte es 2004 am BE in der Originalbesetzung erneut auf die Bühne. Ritter, Dene und Voss gehören zu den größten Darstellern im deutschsprachigen Raum und Bernhard hat ihnen mit seinem Stück einen Platz im Repertoire von Theatermachern und -besuchern gegeben, der unauslöschlich ist.

Was passiert, wenn ein anderes großes deutschprachiges Theater Bernhards legendäres Stück in den Spielplan nimmt - ohne die Urbesetzung? Es wählt drei seiner besten Schauspieler/innen aus. Ritter, Dene, Voss hatte im Oktober 2008 am Deutschen Theater Premiere. Für seine Inszenierung entschied sich der damalige Intendant des DT Oliver Reese für Constanze Becker (=Ritter, die jüngere Schwester), Almut Zilcher (=Dene, die ältere Schwester) und Ulrich Matthes (=Voss/Ludwig). Becker und Matthes waren im Premierenjahr Schauspieler/in des Jahres, Zilcher erhielt diese Auszeichnung bereits 1992.

Die Rechnung geht auf, denn Ritter, Dene, Voss am DT ist ein Fest für die großartigen Schauspieler/innen Becker, Zilcher, Matthes, die in dieser Inszenierung ihr Können voll und ganz entfalten können. Und einmal mehr ist man als Zuschauer froh, solche tollen Darsteller hier in Berlin zu haben. Gestern war die letzte Vorstellung des Stücks am Deutschen Theater, aber zum Glück dürfen wir uns über die Schauspieler/innen noch in vielen anderen Inszenierungen an dieser (und anderen) Bühne(n) freuen.