4. August 2017

Rückblick Juni & Juli 2017: Abschiede und Wiederkehr

Es sind wieder Theaterferien! Daher kommt hier der letzte Rückblick der Spielzeit 2016/2717. Über welche Themen ich in der Sommerpause schreiben werde, ist noch nicht ganz klar. 


JUNI
03.06.2017 PREMIERE Peng von Marius von Mayenburg (Schaubühne)

06.06.2017 re-vistied  Peng 

Als Donald Trump im November des letzten Jahres zum Präsidenten der USA gewählt wurde, hatte Marius von Mayenburg endgültig genug von den Macho-Männern. Erdogan, Putin, Orbán, Kaczynski - es ist eine lange Reihe dieser "Anführer", die ihn dazu veranlassten, die Figur Peng zu erfinden und ein Stück darüber zu schreiben. Verkörpert wird dieser Peng echt fies und unsympatisch von Sebastian Schwar - er ist einer der Stammschauspieler*innen von M.v. Mayenburg. Im Stück ist er das Kind eines Prenzlauer-Berg Paares. Moral und Anstand sind ihm vollkommen egal, wenn es darum geht an sein Ziel zu kommen. Er verdreht jedem die Worte im Mund, macht Opfer zu Tätern und ist so rücksichtslos, dass man sich einfach nur angewidert abwenden kann. Er wütet, ätzt und schießt jedoch so ungehemmt gegen jede*n der*die sich ihm in den Weg stellt, dass wegschauen, keine Lösung sein kann. Was macht macht, um so jemanden nicht groß werden zu lassen? Diese Frage stellt man sich verzweifelt beim Ansehen des Stück und überträgt sie sogleich in die Realität, in der Trump & Co. einfach immer so weiter machen (dürfen). Kopfschütteln hilft da nicht weiter. Wut, Verzweiflung, Machtlosigkeit macht sich bemerkbar. Es kann doch nicht sein, dass so einer bestimmt, wie und wo es langgeht. Peng ist auch ein Stück, das zur Auseinanderetzung mit der eigenen Haltung zum derzeitigen Weltgeschehen anregt. Der Griff zur Waffe ist keine Lösung. Im Stück dargestellt durch Eva Meckbach als Ärztin, die die Männer pauschal für die Greueltaten verantwortlich macht. Das wird hier übersitzt, aber ein Fünckchen Wahrheit ist doch dabei... Peng ist brutal, extrem unangenehm und stellenweise überzogen, aber in der Übertreibung liegt wie immer die Veranschaulichung.

Damir Avdic und Sebastian Schwarz (Foto: Arno Declair)

Es wird vornehmlich vor einem Green Screen gespielt, damit die erfundene Realität künstlich auf die Leinwand projiziert werden kann. Wir wissen ja auch nicht, was echt ist und was inszeniert - im Theater, in der Politik und im Weltgeschehen. Alles ist nur ein Spiel mit unserer Wahrnehmnung und Voruteilen, oder?

Regie: Marius von Mayenburg   
Bühne und Kostüme: Nina Wetzel  
Video: Sébastien Dupouey   
Dramaturgie: Maja Zade   

Mit: Damir Avdic, Robert Beyer, Marie Burchard, Eva Meckbach, Sebastian Schwarz, Lukas Turtur

Essay zum Stück in Pearson's Preview: Theater sollte uns nicht in Sicherheit wiegen 


09.06.17 Gift von Lot Vekemans (Deutsches Theater)

Ein Paar (Dagmar Manzel und Ulrich Matthes), schon länger getrennt, trifft sich im Warteraum eines Friedhofs. Der verstorbene Sohn soll umgebetet werden. Stochern in der Vergangenheit, alte Wunden, Vorwürfe, Trauer, Wut, Unverständnis, Härte, aber auch Zärtlichkeit und Annäherung bestimmen das Treffen während des knapp anderthalbstündigen Stückes. So "echt" gespielt und oft am Rande des Erträglichen liebt und hasst man abwechselnd die beiden Figuren auf der Bühne wie sie es selbst tun. Echte Tränen? Das Leid und das Leiden - man möchte wegsehen und weghören und muss doch immer weiter verfolgen, was die beiden sich da oben gegenseitig antun. Die Beziehung ist vergiftet und das Gift lässt sich nicht mehr entfernen. Weitergehen kann es nur ohneeinander.

Dagmar Manzel wurde 2014 für ihre Rolle "Sie" mit dem Deutschen Theaterpreis 'Der Faust' ausgezeichnet.

Regie: Christian Schwochow
Bühne: Anne Ehrlich
Kostüme: Pauline Hüners
Dramaturgie: John von Düffel

Gift von Lot Vekemans ist auch als eBook erschienen. Über die Website www.textbuehne.eu können Sie das Theaterstück in diversen Online-Shops bestellen.


10.06.17 Authentizität! Lesung und Gespräch (Schaubühne)

Von "Exzentrikern, Spielverderbern und Dealern" - so der Untertitel des neuen Buches von Wolfgang Engler, Rektor der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Im Gespräch mit Thomas Ostermeier wird hinterfragt, wie erstrebenswert es heute ist, authentisch zu sein. Authentizität - ein Begriff der auch häufig missverstanden und mit "natürlich" verwechselt wird. Verstellung im Alltag und auf der Bühne muss nicht zwangsläufig falsch und der gesellschaftliche Rahmen kann für das Streben nach Authentizität förderlich oder hinderlich sein.



Erschienen im Verlag Theater der Zeit.


14.06.17 Autorentheatertage: Point of no return von Yael Ronen (Deutsches Theater)

Zur Eröffnungn der Autorentheatertage wurde Yael Ronens "Point of no Return" gezeigt. Der Amoklauf in München im Sommer 2016, ein vermeintlicher Terroranschlag, wurde von den Schauspieler*innen, die Yael Ronen auftreten lässt, ganz unterschiedlich wahrgenommen. Wo warst du, was hast du gemacht als es passierte? Das ist wichtig und dass es nicht Berlin als erstes traf. "Je suis Munich." Eigentlich wollteYael Ronen in ihrem neuen Stück das Thema Sex in Zeiten von Dating-Apps thematisieren, doch während der Proben geschah der Amoklauf und "Point of no return" wurde ganz anders für allen Beteiligten. Die Angst vor dem Terror überlagerte plötzlich alles, der Point of no return wird zu einem anderen Bewusstsein.

Inszenierung: Yael Ronen Bühne: Wolfgang Menardi
Kostüme: Amit Epstein

Mit Niels Bormann, Dejan Bućin, Jelena Kuljić, Wiebke Puls, Damian Rebgetz.


16.06.17 PREMIERE Auszeit (Schaubühne)
Ein Projekt der Polyrealist_innen

Wer will ich sein und wie sollte mein Leben aussehen? Im neuem Projekt der Polyrealist_innen beschäftigen sich 15 Spieler`*innen mit der Frage, was sie sein und wie sei leben wollen. Die Wünsche und Sehnsüchte sind dabei sehr unterschiedlich. Die Mitglieder der Theatergruppe zwischen 21 und 73 stellen sich dabei nicht ganz einfachen Fragen: "Magst du deine Mutter oder deinen Vater lieber?" oder "Würdest du lieber ertrinken oder verbrennen wollen?" Das regt auch die Zuschauer*innen zum Nachdenken an und wirkt nach.

Die Polyrealist_innen (Foto: Gianmarco Bresadola)

Leitung: Philipp Rost
Künstlerische Mitarbeit: Sidney Kaufmann   
Bühne: Philipp Richter
Kostüme: Christin Noel
Musik: Lukas Zepf
Dramaturgie: Theresa Schlesinger   

Mit: Robert Akstinat, Susan Amsler-Parsia-Parsi, Josefine Bomba, Jan-Robert Frank, Angelika Kadke, Solveig Kranzmann, Eva Levintova, Claudia Müller-Hoff, Julia Paulisch, Ulrich Pöll, Eva Reuss-Richter, Heike Schalk, André Schneider, Veronika Schulze, Sarah Strebelow


17.06.17 Bekannte Gefühle, gemischte Gesichter von Christoph Marthaler (Volksbühne)

Mein allerletzte Vorstellung an der Volksbühne. Mal abgesehenvon der in den in den letzten Wochen immerwährenden Abschiedsschmerz-Euphorie und 30 Minuten Applaus und Standing Ovations, war dieses Stück nicht so ganz mein Ding. Auf der Bühne stehen fast alle Schauspieler*innen der legänderen Murx-Inszeneriung vor über 20 Jahren. Wahrscheinlich macht das den Zauber des Stückes aus, das sogar zum Theatertreffen eingeladen wurde. Sie zitieren sich selbst - das kann man natürlich nur dann unterhaltsam finden, wenn man "Murx" gesehen hat. Bekannte Gefühle eben!

Regie: Christoph Marthaler
Bühne & Kostüme: Anna Viebrock

Mit: Hildegard Alex, Tora Augestad, Marc Bodnar, Magne Håvard Brekke, Raphael Clamer, Bendix Dethleffsen, Altea Garrido, Olivia Grigolli, Irm Hermann, Ueli Jäggi, Jürg Kienberger, Sophie Rois, Ulrich Voß.


23.06.17 Autorentheatertage: Kartonage von Yade Yasemin Önder (Deutsches Theater)

Im Rahmen der Autorentheatertage fand die Lange Nacht der Dramatikerinnen statt. Ja, es waren drei Frauen, deren Stücke aus 125 Einsendungen ausgewählt wurden und die Jury (die Journalistin Anke Dürr, die Schauspielerin Annette Paulmann, der Regisseur Jan-Ole Gerster) hatte diese drei ausgewählt, ohne zu wissen, dass es sich um rein weibliche Autorinnen handelte.

Ich sah Kartonage von Yade Yasemin Önder. - Die Eltern sitzen fest in ihren vier Wänden und kochen Marillen ein, bittersüß, selbtgewählte Gefangenschaft im Karton. Die Tochter Rosalie kommt zu Besuch, nach 16 Jahren und erlebt diese Hölle, der sie einst entfloh erneut. Die Vorwürfe der Eltern sind alles, was sie empfängt. Wie wieder rauskommen aus dem Karton, aus dem zähen Familien-Kleinmut? Die Knie werden blutig geschlagen, die Marmelade verklebt alles, kein Verständnis für ein anderes Leben. Die andere Welt bleibt draußen.

Bernd Birkhan als Herr Werner, Petra Morzé als Frau Werner, Irina Sulaver als Rosalie (Foto: Reinhard Werner)

Regie: Franz-Xaver Mayr
Bühne: Michela Flück
Kostüme: Korbinian Schmidt
Video: Sophie Lux
Musik: Levent Pinarci

Frau Werner: Petra Morzé
Herr Werner: Bernd Birkhahn
Rosalie: Irina Sulaver
Ella: Marta Kizyma

Uraufführung am 23. Juni 2017
Koproduktion mit dem Burgtheater Wien



JULI
01.07.17 Abschiedsfeier der Castorf-Volksbühne

Die große Sause nach der letzten Vorstellung an der Volksbühne fand zwar bei strömendem Regen statt, doch haben sich hunderte von Fans auf dem Rosa-Luxemburg-Platz versammelt. Ein Riesenfest mit Musik (die Bands von Alexander Scheer und Daniel Zillmann spielen), eine Mischung aus Euphorie und Wehmut. Das Rad auf der Wiese vor der Volksbühne ist schon weg und auf dem Weg nach Avignon. Und irgendwann ist dann auch die Feier zu Ende. Als Höhepunkt singen Martin Wuttke, Milan Peschel und Frank Catorf begleitet von Shermin Langhoff, Klaus Lederer und vielen ehemaligen Schauspieler*innen der legendären Volksbühne "Für immer und dich" von Rio Reiser. Ein Trost: Viele werden an der Schaubühne und anderen Häusern zu sehen sein - auch wenn das natürlich nicht das gleiche ist.

Party im Regen - (Auf)Wiedersehen mit Volksbühnenlieblingen (Foto: Maren Vergiels)


08.07.17 PREMIERE Returning to Reims von Thomas Ostermeier nach dem Roman von Didier Eribon (MIF  / HOME / Schaubühne)

Lest hier meinen Bericht über die Premiere in Manchster!


15.07.17 re-visited Love hurts in Tinder Timesvon Patrick Wengenroth (Schaubühne)

Ein Besuch der letzten Vorstellung vor der Sommerpause in der Schaubühne ist obligatorisch. Mark Waschke küsst und flirtet wieder mit dem Publikum. Lise Risom Olsen und Andreas Schröders absolvieren ihren letzten Auftritt als Ensemblemitglieder - ein paar Tränen und Blumen für den Abschied sowie Begeisterung für diese tollen Schauspieler*innen.

Lise Risom Olsen und Mark Waschke (Foto: Gianmarco Bresadola)

 Theaterferien! Aber ich freue mich schon auf den Beginn der Spielzeit 2017/18 im September.



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