3. Mai 2009

Theatertreffen 2009: Theater ist Vergänglichkeit

Bei der heutigen Verleihung des Theaterpreises an Jürgen Gosch und Johannes Schütz im Rahmen des Theatertreffens bezeichnete der Laudator Roland Schimmelpfennig Theater als vergänglich, denn alles, was einmal auf die Bühne gebracht werde, verschwinde wieder. Gerade das sei es, was Theater so besonders mache.

Ich möchte diesen Gedankengang aufgreifen und etwas weiterführen…

Wir sind daran gewöhnt, alles, was wir im Fernsehen sehen, aufzeichnen zu können, uns Filme auf DVD auszuleihen oder Sendungen aus dem Internet downzuloaden. So können wir eine Filmszene beliebig oft sehen, wenn sie uns gefällt oder wir sie nicht verstanden haben. Wir können einen Film oder eine Aufzeichnung einer Sendung auch anhalten, wenn wir aus welchen Gründen auch immer eine Pause brauchen. Im Theater geht das nicht.

Sicher, manchmal werden Theaterstücke aufgezeichnet, so dass wir sie uns später bei ARTE oder 3sat ansehen können, aber das ist nicht das gleiche wie das Erlebnis einem Stück im Theater zu folgen und es mitzuerleben. Kameraführung und Schnitt geben bei einer Aufzeichnung in gewisser Weise vor, was der Zuschauer vor dem Bildschirm sieht. Auch fehlen die besondere Atmosphäre, die herrscht, wenn wir im Zuschauerraum sitzen und das Gefühl, das Erlebnis mit irgendwie Gleichgesinnten zu teilen.

Fernsehen und Kino ist duplizierbar, kann abgespeichert und jederzeit wieder abgerufen werden, und ist deswegen leider oft auch sehr beliebig. Sich hingegen ein Theaterstück anzusehen, ist immer ein einmaliges Erlebnis.

Selbstverständlich besteht auch die Möglichkeit, sich eine Inszenierung mehrmals anzusehen, es wird aber trotzdem jedes Mal etwas anderes sein, denn bei jeder Aufführung wird es kleine (wenn auch oft nur minimale) Abweichungen vom letzten mal geben. Auch kann es vorkommen, – z.B. bei Stücken, die sehr lange auf dem Spielplan stehen – dass Umbesetzungen vorgenommen werden, welche der Inszenierung eine neue Nuance verleihen können. Wer häufig ins Theater geht, wird bemerken, dass es Inszenierungen gibt, in denen die Schauspieler unterschiedlich auf die Zuschauer reagieren, z.B. in Szenen in denen das Publikum angesprochen bzw. miteinbezogen wird. Theater ist eben „live“, also echt und unmittelbar. Die Distanz zu dem, was vor unseren Augen abläuft, ist deswegen geringer. Auch die Tatsache, dass wir uns terminlich, nach dem Angebot und Spielplan eines Theaters richten müssen, spielt eine Rolle. Auf diese Weise entsteht keine Beliebigkeit.

Im besten Fall schärft Theater sogar unsere Sinne und wir lernen, richtig hinzusehen und -hören und damit zu verstehen. Während einer Aufführung ist die Aufmerksamkeit des Zuschauers sehr viel stärker gefragt als vor dem Bildschirm oder der Leinwand. Wenn wir etwas nicht verstanden haben, können wir das Stück nicht zurücklaufen lassen. Wenn uns eine Szene besonders gut gefallen hat, können wir sie uns nicht unmittelbar noch einmal ansehen. Wir können, das, was wir sehen, auch nicht anhalten, um eine Pause zu machen, sondern wir müssen dem Stück weiter folgen. Wir müssen zuhören und zusehen und aufpassen, dass wir nichts verpassen, damit wir begreifen, was uns gezeigt wird. Das macht das Erleben eines Theaterstücks viel intensiver als es ein Film oder eine Fernsehsendung zu leisten vermag.

Und – um die Worte von Roland Schimmelpfennig an dieser Stelle wieder aufzugreifen – irgendwann, auch wenn ein Stück über viele Jahre auf dem Spielplan eines Theaters steht, verschwindet es und wird nie wieder von einem Zuschauer gesehen werden. Es ist nicht reproduzierbar. „Theater ist Vergänglichkeit“, sagte Schimmelpfennig in seiner Laudatio. Genau das ist es, was das Erlebnis Theater so besonders und vor allem einzigartig macht.

1 Kommentar:

  1. Schoen, Maren. Das stimmt! Auch ist es mit Tanz. The ephemeral quality of live performances makes me cherish them more.

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