20. Juli 2010

Lohn des Lügners: "Der Parasit" (BE)


In Schillers Komödie „Der Parasit oder die Kunst sein Glück zu machen“ (Ein Lustspiel nach dem Französischen des Picard.) fallen fleißige und gebildete Bürger auf die Lügen eines Mannes herein. Dieser beherrscht nichts weiter als die Kunst des Blendens.



Die Handlung in Kürze:
Ein neuer Minister (Selicour) ist ins Kabinett berufen und tritt sein Amt an – Grund für die Ministerialbeamten, sich ihm als unentbehrlich darzustellen. Wer nach oben will, biedert sich an, zeigt sich eifrig, macht sich wichtig. List, Intrige und Lüge – oder anders gesagt: Manipulation, Networking, Mobbing sind die Mittel, um die eigene Karriere auf Kosten anderer voranzutreiben. Inkompetenz im Regierungsbetrieb geht rücksichtslos vor. Die Angestellten müssen hilflos mitansehen, wie sich der ungebildete Selicour durch Lug, Trug und Heuchelei eine berufliche Laufbahn bereitet. Dabei lebt er – wie ein gefräßiger Parasit – von den Mühen anderer Leute Arbeit (Firmin und dessen Sohn Karl), er nutzt sie rücksichtslos aus. Je höher er die Karriereleiter hinaufsteigt, umso tiefer fallen seine Konkurrenten. Der Erfolg Selicours beruht auch auf der Leichtgläubigkeit seiner Mitmenschen. Höhepunkt des falschen Spiels ist Selicours Plan, sich durch die Heirat mit Narbonnes Tochter in dessen Familie einzunisten.

„Der Parasit“ ist eine humorvolle Parabel über die Kunst des Lügens und darüber wie Rücksichtslosigkeit in einer Gesellschaft zum Erfolg führen kann. Das Stück ist höchst aktuell, denn heute und in unserer Gesellschaft wird Blendern und Lügnern häufig eher Aufmerksamkeit und Achtung geschenkt als Menschen, die mit fundiertem Wissen, einer guten (Aus-)Bildung und Können aufwarten können.

Oder um es mit Schillers Worten zu sagen: „Die kriecherische Mittelmäßigkeit kommt weiter als das geflügelte Talent, der Schein regiert die Welt". Bei Schiller scheitert der Betrüger am Ende, doch die nächsten warten schon. Denn: "Die Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne“.

Zur Inszenierung:
In der Inszenierung von Philip Tiedemann am Berliner Ensemble werden sämtliche Figuren als Puppen dargestellt. Die Schauspieler agieren auf einer steilen pyramidenartigen Treppe. Sie sind halb menschlich, halb künstlich: Die Oberkörper sind die der Schauspieler, die Beine werden durch die von Puppen ersetzt. Sie tauchen aus den Klappen auf der Treppe auf wie Kasperlepuppen, wie der Teufel, die (Groß-)mutter, der junge Liebende und weitere Stereotypen. Jede Geste wird entsprechend mit einem passenden Geräusch eines Ein-Mann-Orchesters unterstrichen. Der Parasit Selicour wird gleich von sieben Schauspielern (Thomas Wittman u.a.) dargestellt, die teilweise gleichzeitig auf der Bühne erscheinen. Dejan Bucin als Karl Firmin und Axel Werner als Madame Belmont seien an dieser Stelle noch besonders lobend erwähnt.

Foto: Barbara Braun (Thomas Wittmann als Selicour und Alexander Ebeert als La Roche)

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